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Übereignung von Aktien: wirtschaftliches Eigentum klargestellt


Wer glaubt, dass bei einer Sicherungsübereignung von Aktien die steuerlichen Konsequenzen nebensächlich sind, sollte jetzt besonders aufmerksam sein. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden: Sobald Aktien zur Sicherheit übertragen werden und der Sicherungsnehmer über die entscheidenden Rechte tatsächlich und rechtlich verfügen kann, sind ihm die Aktien steuerlich zuzurechnen – und nicht mehr dem ursprünglichen Eigentümer.

Das bedeutet: Wer als Sicherungsnehmer schon vor Eintritt des Sicherungsfalls frei über Veräußerung und Stimmrechte verfügt, wird steuerlich als Eigentümer behandelt. Punkt. Dazu schauen wir uns nachfolgend eine aktuelle Entscheidung genauer an.

Dividenden kassieren, Verluste erzeugen – clever oder Gestaltungsmissbrauch?

Wenn steuerfreie Einnahmen auf abzugsfähige Ausgaben treffen, wird es für einige kreativ. Doch wie weit darf die steuerliche Gestaltung gehen, bevor sie in den Missbrauch kippt? Der Bundesfinanzhof hat hier eine klare Linie gezogen.

Im vorliegenden Fall hatte eine Bankkundin mit ihrer Bank komplexe, aber in ihrer Wirkung gezielte Transaktionen durchgeführt: Sie schloss zeit- und betragsgleiche Wertpapierpensions- und Wertpapierdarlehensgeschäfte ab und erhielt im Rahmen dessen börsennotierte britische Aktien als Sicherheit. Gegen eine Gebühr. Entscheidender Punkt: Sie konnte frei über die Aktien verfügen, einschließlich der Stimmrechte. Die Dividenden, die sie während der Laufzeit bezog, leitete sie an die Bank weiter. Steuerlich wirkte das doppelt: Die bezogenen Dividenden waren damals steuerfrei, die Weiterleitung jedoch als Betriebsausgabe abziehbar.


Was sind übereignete Aktien?

Übereignete Aktien sind Aktien, die von einem bisherigen Eigentümer rechtlich auf eine andere Person übertragen wurden. Das heißt, sie wurden nicht nur wirtschaftlich, sondern auch zivilrechtlich vollständig übergeben. Im deutschen Recht spricht man hierbei von einer sogenannten „Übereignung“, also dem Übergang des Eigentums an einem Vermögensgegenstand. Bei Aktien bedeutet dies konkret, dass der neue Inhaber nach der Übereignung sämtliche Rechte aus dem Papier bzw. der Aktie geltend machen kann, etwa Stimmrechte in der Hauptversammlung oder Ansprüche auf Dividenden.

Die Übereignung kann auf verschiedene Arten erfolgen, je nachdem, ob es sich um Namensaktien, Inhaberaktien oder vinkulierte Namensaktien handelt. Bei Inhaberaktien genügt regelmäßig die Einigung und Übergabe oder die Übertragung durch ein Depotgeschäft, was bei börsengehandelten Aktien in der Praxis über eine Bank oder ein Wertpapierdepot abgewickelt wird. Bei Namensaktien ist zusätzlich die Eintragung des neuen Eigentümers ins Aktienregister erforderlich, damit der Erwerber auch formell als Aktionär gilt.


Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO

Für das Finanzamt war die Grenze längst überschritten. Es bewertete das Konstrukt als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO und rechnete die bezogenen Dividenden wieder dem Gewinn zu. Der wirtschaftliche Hintergrund war aus Sicht der Finanzverwaltung nicht mehr von einem echten Geschäftszweck getragen, sondern allein auf die Generierung steuerlicher Vorteile ausgerichtet.

Wenn die steuerliche Gestaltung nach hinten losgeht

Zunächst hatte das Finanzgericht München zugunsten des Finanzamts entschieden: Die britischen Aktien, auf deren Basis Dividenden flossen, seien nicht der Bankkundin zuzurechnen, sondern ihrer Bank. Die steuerliche Verlustnutzung sei daher von vornherein ausgeschlossen, ein Gestaltungsmissbrauch müsse gar nicht erst geprüft werden. Problem gelöst?

Mitnichten. Der Bundesfinanzhof hob dieses Urteil kurzerhand auf und ließ kein gutes Haar an der Argumentation der Vorinstanz. Denn: Die Kundin hatte nicht nur formales Eigentum an den Aktien, sie hatte auch sämtliche wirtschaftlichen Rechte in der Hand. Sie konnte handeln, abstimmen, veräußern. Genau das reicht aus, um ihr die Aktien nach § 39 AO steuerlich zuzurechnen. Dass sie diese Rechte auch tatsächlich nutzt, ist dabei nicht einmal entscheidend.

Was bedeutet das für den Fall? Ganz einfach: Wenn die Kundin die Aktien steuerlich zugeordnet bekommt, ist auch die Frage nach einem möglichen Gestaltungsmissbrauch wieder auf dem Tisch. Und genau darüber muss jetzt erneut verhandelt werden. Zurück beim Finanzgericht. Auch der Versuch, sich auf andere Vorschriften wie § 340b HGB zu stützen, verpufft: Die Regelung gilt nur bei echten Pensionsgeschäften. Im vorliegenden Fall also nicht. Maßgeblich bleibt die Abgrenzung zwischen rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum. Und das hat der Bundesfinanzhof unmissverständlich klargestellt: Wer über alle wesentlichen Rechte verfügt, trägt wirtschaftlich das Eigentum. Ganz gleich, wie die formale Verpackung aussieht.

Sicherung oder Eigentum? Die Bezeichnung täuscht nicht über die Substanz hinweg

Auch wenn im Vertrag von „Sicherheiten“ die Rede war, rechtlich gesehen war das Ganze kein klassisches Sicherungsgeschäft. Denn die Bankkundin konnte die Aktien jederzeit verkaufen, ohne dass ein Sicherungsfall eintreten musste. Es handelte sich also faktisch um ein Wertpapierdarlehen.

Entscheidend: Die Kundin erhielt volles Eigentum an den Aktien. Sie musste bei Vertragsende lediglich Aktien gleicher Art zurückgeben und nicht dieselben. Das spricht zusätzlich für das wirtschaftliche Eigentum ihrerseits.

Zwar kann bei Wertpapierdarlehen das wirtschaftliche Eigentum ausnahmsweise beim Verleiher bleiben, etwa dann, wenn der Erwerber in Wahrheit keine Kontrolle, kein Risiko und keinen Anspruch auf Dividenden hat. Doch all das lag hier nicht vor. Die Bankkundin war frei in der Verfügung, trug Kursrisiken und konnte aus dem Handel tatsächlich Nutzen ziehen.


Was heißt „wirtschaftliches Eigentum?

Nach § 39 AO gilt:
Wer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut so ausübt, dass er den rechtlichen Eigentümer auf Dauer ausschließen kann, gilt steuerlich als Eigentümer. Entscheidend ist die Möglichkeit zur Verfügung, nicht der Wille zur Nutzung.


Missbrauch oder legitime Gestaltung?

Ob die Gestaltung missbräuchlich war, konnte der Bundesfinanzhof mangels ausreichender Feststellungen nicht beurteilen. Am Ende bleibt jedoch die Tatsache bestehen: Wenn eine Transaktion keinen wirtschaftlichen Zweck hat, außer Steuervorteile zu generieren, spricht viel für einen Missbrauch nach § 42 AO.

Und genau das deutet sich hier an. Die Konstruktion war wirtschaftlich ein Nullsummenspiel. Abgesicherte Risiken gab es keine, und selbst die „Arrangierungsgebühr“ war an die Höhe der Dividenden geknüpft. So profitierte die Bank wirtschaftlich direkt vom steuerlichen Vorteil der Kundin.


§ 42 der Abgabenordnung (AO)

§42 der Abgabenordnung (AO) befasst sich mit dem Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Steuerrecht. Ziel dieser Vorschrift ist es, zu verhindern, dass Steuerpflichtige durch ungewöhnliche oder unangemessene rechtliche Gestaltungen Steuervorteile erlangen, die vom Gesetzgeber nicht vorgesehen sind.


Beispiel für eine missbräuchliche Gestaltung

Ein Unternehmer gründet eine Auslandsgesellschaft in einem Niedrigsteuerland. Diese Gesellschaft übernimmt formal den Vertrieb seiner Produkte, obwohl sie weder Personal noch Geschäftsräume hat. Die gesamte operative Tätigkeit erfolgt weiterhin durch das deutsche Unternehmen. Gewinne werden jedoch auf die Auslandsgesellschaft verlagert. Mit dem einzigen Zweck, die Steuerbelastung in Deutschland zu senken.

Warum ist das problematisch?

Die Konstruktion hat keinen echten wirtschaftlichen Hintergrund. Die Auslandsgesellschaft dient lediglich dazu, Steuern zu sparen, ohne tatsächliche unternehmerische Funktion. Ein klassischer Fall für § 42 AO: Die Gestaltung ist unangemessen und ausschließlich auf einen Steuervorteil ausgerichtet. Der steuerliche Vorteil wird rückgängig gemacht. So, als hätte es die künstliche Struktur nie gegeben.

Das Finanzgericht muss nun prüfen, ob es überhaupt wirtschaftliche Gründe für die Besicherung gab. Bisher deutet alles auf das Gegenteil hin. Selbst das Argument eines handelsrechtlichen Gewinns durch die Gesamtstruktur greift nicht. Jede Komponente ist für sich zu bewerten. Und die Sicherheitengestellung verursachte nur Kosten, keinen wirtschaftlichen Vorteil.

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Unser interdisziplinäres Team aus erfahrenen Fachanwälten für Steuerrecht und qualifizierten Steuerberatern prüft steuerliche Strukturen auf rechtliche Angemessenheit, begleitet Einspruchs- und Klageverfahren vor dem Finanzgericht und verteidigt bei Vorwürfen der Steuerhinterziehung. Wir beraten umfassend zur steuerlichen Optimierung von Unternehmensverkäufen, Vermögensübertragungen, M&A-Prozessen und begleiten strategisch bei der Unternehmensnachfolge.

Ob es um das Körperschaftsteuerrecht, um Fragen zum wirtschaftlichen Eigentum nach § 39 AO oder um die Abgrenzung zwischen legaler Gestaltung und steuerlichem Missbrauch geht – wir sorgen dafür, dass Sie rechtlich auf sicherem Boden stehen.

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