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Beim Begriff „Whistleblower“ denk man eher an Edward Snowden als an eine EU-Richtline. Doch diese existiert und stellt Deutschland vor Probleme. Hier die Infos:
Am 17. Dezember 2021 ist die Frist zur Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie verstrichen. Deutschland und zahlreiche Mitgliedstaaten haben die Vorgaben noch immer nicht in nationales Recht umgesetzt. Die neue Ampelkoalition hat die Problematik zumindest im Hinterkopf. Wir zeigen Ihnen, welche Auswirkungen dies für die aktuelle und künftige Rechtslage haben wird.
Der Begriff des Whistleblowers dürfte spätestens mit den bedeutsamen Enthüllungen von Edward Snowden jedem bekannt sein. Er sorgte für umfangreiche Einblicke in die Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten. Die daraufhin eingeleitete Verfolgung Snowdens zwang ihn dazu, seine Identität preiszugeben und im Exil leben zu müssen. Viele waren schockiert über das Ausmaß der Überwachungen, sodass eine globale Diskussion entbrannte.
Die Whistleblower-Richtlinie soll nun die Rechte von Hinweisgebern stärken. Ziel ist es, ein hohes Schutzniveau für Personen sicherzustellen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Hierbei müssen die Enthüllungen keine globalen Auswirkungen wie im Fall Snowden nach sich ziehen. Auch einfache Arbeitnehmer können bei der Meldung von Rechtsverstößen ihr Arbeitsverhältnis riskieren. Um dies künftig zu verhindern, werden Unternehmen durch die Whistleblower-Richtlinie umfassende Pflichten auferlegt.
Der Anwendungsbereich der Richtlinie orientiert sich im Grundsatz an der Größe der jeweiligen Unternehmen. Hierbei sind sowohl juristische Personen des öffentlichen als auch des privaten Sektors ab einer Größe von mehr als 50 Arbeitnehmern erfasst. Es können ausnahmsweise auch Unternehmen mit einer geringeren Arbeitnehmerzahl betroffen sein, wenn die Tätigkeit beispielsweise mit bestimmten Risiken verbunden ist oder speziellen EU-Gesetzen unterliegt.
Ohne ein entsprechendes Gesetz auf nationaler Ebene besteht diesbezüglich jedoch eine unklare Rechtslage. Europäische Richtlinien sind nur bezüglich ihrer Ziele verbindlich. Der Gesetzgeber darf die Vorgaben der Richtlinie nicht unterschreiten. Allerdings steht es ihm offen, über die Vorgaben der Richtlinie hinaus zu gehen und strengere Anforderungen aufzustellen. Es kann also sein, dass der Gesetzgeber weitere Unternehmen in den Anwendungsbereich aufnimmt. Die Richtlinie gibt damit eine Orientierung vor, genaueres ergibt sich jedoch erst aus dem entsprechenden Gesetz.
Um den Schutz von Whistleblowern zu gewährleisten, müssen Unternehmen künftig sichere Meldesysteme einrichten, über die die Arbeitnehmer Verstöße gegen das Unionsrecht anzeigen können. Dies kann über eine telefonische Hotline, ein persönliches Zusammentreffen oder über ein elektronisches Meldesystem erfolgen. Zudem besteht die Möglichkeit, externe Dienstleister mit der Einrichtung und Betreuung zu beauftragen. In jedem Fall muss die Vertraulichkeit der Identität der Meldeperson sichergestellt werden. Informationen, die Rückschlüsse auf die Identität zulassen, dürfen nicht ohne Zustimmung des Hinweisgebers an andere Personen weitergegeben werden.
Damit die Hinweise nicht einfach im Sande verlaufen, muss dem Hinweisgeber eine Eingangsbestätigung zugestellt werden und er muss über die Durchführung weiterer Schritte informiert werden. Durch diese Vorgaben wird sichergestellt, dass der Arbeitgeber den Hinweisen tatsächlich Gehör schenkt.
Darüber hinaus verbietet die Richtlinie Repressalien, die aufgrund von Meldungen erfolgen würden. Der Schutz für Whistleblower ergibt sich zum einen aus einer Beweislastumkehr zu ihren Gunsten. So muss beispielsweise der Arbeitgeber künftig nachweisen, dass die ausgesprochene Kündigung nicht mit der Aufdeckung von Rechtsverstößen verbunden ist. Zum anderen werden umfangreiche Sanktionsmöglichkeiten eingeführt, die im Falle von Zuwiderhandlungen mit Geldbußen einhergehen können.
Es stellt sich die Frage, was in dem Zeitraum zwischen dem Ablauf der Umsetzungsfrist und dem Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes gilt. Grundsätzlich entfalten europäische Richtlinien keine unmittelbare Wirkung. Eine Besonderheit gilt jedoch für juristische Personen des öffentlichen Sektors. Für diese ist eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien unter bestimmten Voraussetzung auch ohne Umsetzungsakt anerkannt. Sofern die Vorgaben der Richtlinie hinreichend bestimmt sind und inhaltlich unbedingt sind, können sie ohne Umsetzungsakt Geltung erlangen. Unternehmen des öffentlichen Sektors sollten also unbedingt die entsprechenden Vorgaben der Richtlinie umsetzen, sofern sie es nicht ohnehin schon getan haben.
Privatrechtliche Unternehmen müssen zwar keine unmittelbare Wirkung der Richtlinie befürchten. Allerdings können Gerichte sich jetzt schon an den Vorgaben der Richtlinie orientieren. So können beispielsweise Streitigkeiten aus dem Arbeitsrecht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung entschieden werden. Ohnehin ist es auch für private Unternehmen ratsam, entsprechende Schritte einzuleiten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das entsprechende Gesetz verabschiedet wird.
Die letzte Regierung scheiterte vergangenes Jahr daran, sich über inhaltliche Einzelheiten des Umsetzungsgesetzes zu einigen. Sie hatten bislang nur einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Bevor aus dem Entwurf ein Gesetz wurde, kam es zu einer neuen Regierungsbildung im Zuge der Bundestagswahlen 2021. Die aktuelle Ampelkoalition hat ihrerseits die Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen:
„Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um. Whistleblowerinnen und Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt.“
An dieser Stelle wird angedeutet, dass der Gesetzgeber vermutlich über die Anforderungen der Richtlinie hinausgehen will und auch Verstöße gegen nationales Recht, die von einem besonderem Interesse abhängen, abdecken möchte. Es ist nur konsequent beispielsweise Meldungen über Verstöße gegen das Strafgesetzbuch mit einzubeziehen. Schließlich können auch solche Verstöße den Rechtsfrieden stören und Hinweisgeber gefährden.
Mit der Verarbeitung von Meldungen und Informationen über Gesetzesverstöße können auch Belange des Datenschutzrechts relevant werden. Kommt es zu einer Erhebung, Speicherung, Auswertung oder Übermittlung von personenbezogenen Daten, kommen insbesondere Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung zum Tragen. Oft werden Meldungen über Gesetzesverstöße sensible Informationen beinhalten, sodass ein besonderer Maßstab im Umgang mit diesen Informationen eingehalten werden muss. Auch hierbei darf die Vertraulichkeit der Identität nicht übergangen werden. Es lohnt sich also, bei der Einrichtung der Meldesysteme ein besonderes Augenmerk auf den Datenschutz zu legen.
Der deutsche Gesetzgeber hat bislang noch kein Gesetz zur Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie verabschiedet. Die EU-Kommission hat auf diese Versäumung ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Auch ohne Gesetz bietet die Regelungsdichte der Richtlinie genügend Anknüpfungspunkte für Unternehmen, jetzt schon entsprechende Vorbereitungen zu treffen und damit die Rechtsposition von Whistleblowern zu stärken. Es bleibt abzuwarten, mit welchen Details das Umsetzungsgesetz von der Ampelkoalition versehen wird.
Unsere spezialisierten Rechtsanwälte beraten Sie aufgrund jahrelanger Erfahrungen fachkundig und kompetent in allen Belangen des Arbeitrechts und setzten Ihre Interessen gerichtlich als auch außergerichtlich durch.
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