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Werbung ist ein wirksames Mittel, um neue Kunden zu gewinnen und dazu zu bringen, ein Produkt zu kaufen. Allerdings ist nicht einfach alles als Werbung erlaubt. Verboten ist sogenannte „unlautere Werbung“, zum Beispiel nicht-objektive Vergleiche.
Nun kann es aber sein, dass man gar nicht selbst für sein Produkt wirbt, sondern andere das machen. So ist es bei Amazon-Affiliates der Fall. Doch was ist, wenn diese Affiliate-Partner ein Produkt in unlauterer Art und Weise bewerben? Ist der eigentliche Produkt-Händler dann dafür verantwortlich oder nicht? Immerhin profitiert er ja von den Käufen durch die unlautere Werbung. Andererseits könnte er sie aber auch gar nicht verhindern. Er hat nämlich keinen Einfluss auf die unabhängigen, im eigenen wirtschaftlichen Interesse handelnden Affiliate-Parnter…
Diesbezüglich hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg ein vorangegangenes Urteil des Landgerichts (LG) Hamburg revidiert: Im Gegensatz zu anderen Affiliates tragen bei Amazon-Affiliates die Amazon-Händler keine Verantwortung – da sie in keiner vertraglichen Beziehung zu den Affiliates stehen und diese auch nicht beeinflussen können.
Amazon Europa Core S.a.r.l., die Schwestergesellschaft der Amazon-Verkaufsplattform (Amazon Europa Services S.a.r.l.), hat ein Partnerprogramm für sogenannte Affiliate-Links. Jeder, der eine Internetseite, einen Blog oder einen Twitter-Account hat, kann sich da kostenlos registrieren und dann auf der eigenen Web- oder Social-Media-Seite Amazon-Produkte verlinken. Klickt jemand auf diesen Link und kauft darüber dann das entsprechende Produkt, erhält man als Affiliate-Partner eine Provision von Amazon. Das heißt, man wird an dem Gewinn durch den Verkauf des Produkts beteiligt.
Wichtig im Kontext des hier vorgestellten Falls: Die Produkt-Anbieter sind nicht diejenigen, die die Provision auszahlen und haben auch sonst nichts mit den Affiliate-Partnern zu tun. Selbst wenn sie wollten, könnten sie ihre Produkte nicht aus dem Partnerprogramm ausnehmen. Sie können also nicht verhindern, dass jemand per Affiliate-Link auf das eigene Produkt bei Amazon verweist.
Die Beklagte verkauft auf ihrer eigenen Website und auf Amazon Matratzen. So kam es, dass ein Amazon-Affiliate-Partner auf seiner Website Affiliate-Links zu diesen Matratzen der Beklagten setzte. Gleichzeitig bewarb er die Produkte – allerdings in wettbewerbswidriger Manier. Unter anderem hieß es dort irreführenderweise (im Sinne von §5, Absatz 1 Nr. 1 bzw. §5a, Absatz 6 (UWG)), die Matratze sei „zurecht die beste jemals getestete Matratze der Stiftung Warentest“ oder „MATRATZEN TESTSIEGER“.
Eine Mitbewerberin, die also ebenfalls Matratzen vertreibt, klagte dagegen. Sie meinte, die Beklagte sei für diese unlautere Werbung verantwortlich. Mit Bezug auf §8, Absatz 2 (UWG) beantragte sie deswegen einen Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsanspruch.
Die Beklagte hielt dagegen. Sie habe ja gar keine Kenntnis über den Affiliate-Partner, der diese wettbewerbswidrige Werbung zu ihrer Matratze veröffentlicht hatte. Und da sie auch in keiner vertraglichen Beziehung zu ihm stehe, habe sie keine Möglichkeit, Einfluss auf ihn zu nehmen.
Und das LG Hamburg? Das entschied tatsächlich zugunsten der Klägerin: Die Beklagte sei verantwortlich für die wettbewerbswidrige Werbung. Die Klägerin habe den geforderten Anspruch auf Schadensersatz (§9 (UWG)), Unterlassung und Auskunft (§§242, 249 (BGB).)
Nach dem Urteil des LGs ging die Beklagte in Berufung. Und sie hatte Erfolg. Konträr zu der vorigen Argumentation entschieden die Richter am OLG: Die Beklagte sei nicht mitverantwortlich für die Werbung des Affiliate-Partners. Denn: Sie habe gar keinen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auf dessen fragliches Verhalten. Sie könne also nichts dafür, dass jemand ihre Matratzen wettbewerbswidrig beworben hat. Insbesondere weil sie in keiner vertraglichen Beziehung zu dem Affiliate-Partner stehe – weder mit ihm direkt noch über das Partnerprogramm Amazon Core. Der einzige Vertragspartner der Beklagten sei Amazon Services. Die Klägerin bestreitet das zwar und behauptet, dass doch eine vertragliche Beziehung und damit eine Verantwortung der Beklagten für den Affiliate-Partner bestehe, aber das konnte sie nicht darlegen bzw. den Gegenbeweis der Beklagten nicht wiederum entkräften. (Urteil vom 20.08.2020 - Az.: 15 U 137/19)
Die Beklagte wusste, dass es das Partnerprogramm von Amazon gibt und sie wusste auch, dass sie keinen ausreichenden Einfluss auf die Partner und deren Affiliate-Links hat. Also selbst schuld – meint die Klägerin. Wenn die Beklagte nicht das Risiko tragen möchte, für die Handlungen der Partner haften zu müssen, dann solle sie ihre Produkte eben nicht bei Amazon verkaufen.
Für die Beklagte sei diese Argumentation angesichts der Marktbedeutung von Amazon unangemessen und nicht zumutbar. So sieht es auch das OLG. Sonst müsste ja jedes Unternehmen, das seine Produkte bei Amazon anbietet, für jede unlautere Werbung haften, die irgendein Affiliate-Partner betrieben hat – eine „untragbare Konsequenz“.
Das bloße Einstellen seines Produkts bei Amazon führe also nicht automatisch zu einer Mittäterschaft für die Handlungen von Affiliate-Partnern. Immerhin unterstützt oder veranlasst man diese Handlungen gar nicht. Die Partner setzen die Affiliates im ganz eigenen wirtschaftlichen Interesse. Die verlinkten Produkte bzw. deren Händler geben das nicht in Auftrag.
Vor elf Jahren kam beim BGH-Urteil „Partnerprogramm“ heraus: Ein Händler haftet grundsätzlich, wenn seine Affiliates unerlaubt agieren – und zwar auch bei einem mehrstufigen Auftragsverhältnis. Wenn also ein Unternehmensinhaber einen Auftrag an einen Auftragnehmer vergibt und dieser wiederum einen Subunternehmer heranzieht, dann ist der Inhaber vom Anfang der Kette auch verantwortlich. Werden Rechtsverstöße begangen, von denen er nichts weiß und die er auch nicht wollte, hätte er sich Einfluss sichern müssen, um sie zu verhindern. Darauf berief sich die Klägerin auch im hier vorliegenden Fall.
Die Richter am OLG meinten hier aber, bei Amazon-Affiliates handle es sich nicht um eine typische mehrstufige Vertriebskette. Typischerweise würden Subunternehmer einen Auftrag erhalten und müssen diesen erfüllen. Der Auftraggeber kann tatsächlich Einfluss nehmen und Weisungen geben, wie sein Auftrag vom Subunternehmer ausgeführt werden soll – dass es also keine unlautere Werbung sein darf. Im Gegensatz dazu handeln die Affiliate-Partner aber völlig selbstständig. Amazon Core kann sie nur kündigen, aber sonst keinerlei inhaltlichen Einfluss üben. Die Partner entscheiden selbst und in ihrem eigenen Interesse, ob sie überhaupt und wenn ja, dann welche Links sie setzen. Sie sind zu nichts verpflichtet.
So ein „weisungsfreier und primär im eigenen wirtschaftlichen Interesse agierender Dritten, dessen Tätigkeit lediglich reflexhaft den Arbeitern zugutekommt, ist in der Auslegung von §8, Absatz 2 (UWG) nicht mehr erfasst“. Damit hatte die Vorinstanz, das LG Hamburg, die BGH-Rechtsprechung von 2009 also unzulässig ausgeweitet. Das OLG als Berufungsinstanz hat das korrigiert.
Für einen fairen Wettbewerb ist die Einhaltung der „Spielregeln“ unerlässlich – rechtlich gesprochen das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG). Unternehmen können diese juristische Grundlage heranziehen, um auf die Aufrechterhaltung des lauteren Wettbewerbes hinzuweisen. Irreführende Werbung z.B. kann den Wettbewerb verzerren und somit als wettbewerbswidrig gekennzeichnet werden. Doch manchmal ist es gar nicht so einfach, genau zu wissen, was denn nun erlaubt ist – und was als irreführend und damit als unlauter gilt. Oder für welches Handeln anderer man selbst verantwortlich ist – wie hier im Falle von irreführender Werbung bei Amazon-Affiliates.
Als Kanzlei für Wettbewerbsrecht und gewerblichen Rechtsschutz sind wir von SBS LEGAL auf solche Fälle spezialisiert. Unsere erfahrenen Rechtsanwälte und Fachanwälte beraten Unternehmen kompetent und fachkundig dazu, was es wettbewerbsrechtlich zu beachten und einzuhalten gilt.
Beobachten Sie in Ihrer Branche wettbewerbswidriges Verhalten eines anderen Unternehmens oder suchen Sie selbst Rat, was Ihnen im Rahmen des UWG erlaubt ist? Dann sind Sie genau richtig bei uns. Kontaktieren Sie uns gern – wir helfen Ihnen und Ihrem Unternehmen weiter!
André Schenk, LL.M.Eur. (Rechtswanwalt für Wettbewerbsrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz)
Moritz Braun (Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz)
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