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Die Kündigung eines langjährigen Liefervertrags durch einen Lieferanten kann oftmals unerwartet kommen und ein Unternehmen aus der Bahn werfen. Hier kommt entsprechend auch oft die Frage nach Schadensersatz für den Händler auf. Wesentlich sind hierbei zwei Fragen: zum einen, ob der Händler einen Ausgleichanspruch und damit Schadensersatz wie ein Handelsvertreter verlangen kann und zum anderen, ob dem Händler ein Belieferungsanspruch zukommt und die Kündigung somit beispielsweise aus kartellrechtlichen Gründen unwirksam ist. Bei der Beantwortung dieser Fragen ist auch das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom Mai 2020 von Bedeutung, da dieses insbesondere auf die Unterscheidung zwischen einer Vertragshändlerbeziehung und einer reinen Eigenhändler (Käufer-Verkäufer-Beziehung) eingeht. Dies ist relevant, da in der Regel nur einem Vertragshändler ein Ausgleichs- und Schadensersatzanspruch zusteht.
Der erste Leitsatz der Entscheidung des OLG Hamm besagt, dass die Qualifikation als Vertragshändler die Integration oder Eingliederung des Händlers in das Vertriebsnetz des Herstellers bzw. Lieferanten sowie eine Vertriebspflicht des Unternehmens und ein Weisungsrecht des Lieferanten voraussetze. Entscheidend hierbei sei sodann, ob das Unternehmen bzw. der Händler mit der Übernahme der Vertragspflichten einen bedeutenden Teil seiner unternehmerischen Freiheit abgegeben hat.
Für einen Vertragshändlervertrag benötigt es einen für eine gewisse Dauer abgeschlossenen Rahmenvertrag. Hierin verpflichtet sich der Vertragshändler, Waren des Lieferanten oder des Herstellers im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben. Auch wenn dies einem Eigenhändler ähnelt, so liegt die wesentliche Unterscheidung eben in jenem Vertragshändlervertrag, indem der Vertragshändler zugleich in die Verkaufsorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert wird und somit auch einer Vertriebspflicht sowie einem Weisungsrecht des Herstellers unterworfen wird.
Das OLG Hamm greift in seinem Urteil die bisherige Rechtsprechung in Bezug auf den Ausgleichsanspruch eines Vertragshändlers auf. Dies bedeutet konkret, dass ein Unternehmen, welches kein Handelsvertreter ist, nur dann einen Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB verlangen kann, sofern es sich nicht um eine bloße Käufer-Verkäufer-Beziehung zwischen Vertragshändler und Hersteller/Lieferant handelt. So muss das Unternehmen, wie im vorigen Abschnitt bereits ausgeführt, in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert gewesen sein, sodass er wirtschaftlich betrachtet in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte.
Eingliederung des Händlers ins Vertriebsnetz des Lieferanten oder Herstellers bedeutet auch, dass ihm für die Art und Weise des Vertriebs produkt- oder tätigkeitsbezogene Weisungen erteilt werden dürfen, wohingegen Eigenhändler darin frei sind, ob sie die eingekaufte Ware vertreiben. Um als Vertragshändler klassifiziert werden zu können, ist auch die Eingliederung in die Absatzorganisation des Herstellers/Lieferanten erforderlich. Dies bedeutet, dass solch eine Absatzorganisation zunächst einmal existieren muss. Des Weiteren handelt es sich um Verhaltensweisen, welche ein Händler grundsätzlich schon im eigenen Interesse vornimmt, nämlich um seine Verkäufe zu steigern.
Auch ist ein Nachweis erforderlich, dass das Unternehmen verpflichtet war, den Verkauf aktiv zu betreiben, sodass lediglich die Bezugsverpflichtung regelmäßig noch nicht ausreicht.
Ob ein Unternehmen somit als Vertragshändler klassifiziert werden kann, lässt sich unter anderem an folgenden Indizien festmachen: Gewährung eines Alleinvertriebsrechts für eine bestimmte Kundengruppe oder ein bestimmtes Gebiet, ein Wettbewerbsverbot, die Zuweisung eines bestimmten Absatzgebiets sowie besondere Informations- und Berichtspflichten. Hingegen ist ein Allein- oder Exklusivvertriebsrecht für ein bestimmtes Gebiet noch kein ausreichendes Indiz, zumindest sofern es nicht mit einer Weisungsgebundenheit oder der Übernahme einer Vertriebspflicht verbunden ist.
Für die Prüfung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, sind stets die Gerichte zuständig und bestimmen dies im Einzelfall anhand der vertraglichen Vereinbarungen.
Die Kündigung eines Liefervertrags ist natürlich möglich, da ein bloßer geschäftlicher Kontakt keinen Anspruch auf die weitere ununterbrochene Belieferung mit sich führt. Somit kommt nur eine Pflichtverletzung in Betracht, wenn die Kündigung vorzeitig vollzogen und damit die Interessen des Händlers nicht ausreichend gewahrt werden. Der Lieferant/Hersteller ist nach dem Urteil des OLG Hamm sodann verpflichtet, eine Frist für die Kündigung des Liefervertrags einzuhalten, welche regelmäßig nicht mehr als sechs Monate beträgt, da dasselbe auch für Handelsvertreter gilt. Hier sei jedoch gesagt, dass es auch schon Einzelfallentscheidungen gibt, welche von einer einjährigen Kündigungsfrist ausgehen, sofern der geschäftliche Kontakt mehr als 20 Jahre bestand.
Dies hat zur Folge, dass eine Kündigung des Liefervertrags und eine Einstellung der Belieferung vor Ablauf dieser Frist zu einem Schadensersatzanspruch zugunsten des betroffenen Händlers führen kann.
Auch wenn regelmäßig nicht von einem Belieferungsanspruch ausgegangen werden kann, so kann sich dieser doch aus dem Kartellrecht ergeben. Ist der Lieferant Marktführer von den entsprechenden Vertragswaren, kann er verpflichtet sein, andere Unternehmen zu beliefern. Hierfür müssen die betroffenen Unternehmen jedoch nachweisen, dass ihr Sortiment ohne das in Diskussion stehende Produkt unvollständig ist. Hierbei spricht man von einer sortimentsbedingten Abhängigkeit. Wesentlich ist, dass die Nichtbelieferung die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung der Form nach gleichgestellt werden kann mit der unbilligen Behinderung. Diese marktbeherrschende Stellung ergibt sich durch die Stellung des Lieferanten/Herstellers im Verhältnis zu den Händlern.
Der Ausschluss von bestimmten Händlern ist allerdings nicht unbillig, wenn der Lieferant ein selektives Vertriebssystem betreibt, da er hierbei selbst Kriterien für Händler festlegen kann.
Es wurde deutlich, dass auch ein langes Vertragshändlerverhältnis ordentlich gekündigt werden kann, sofern die Spielregeln eingehalten werden. In Anbetracht der vielen Unsicherheiten bei diesem Thema sei nichtsdestotrotz zu raten, schriftliche Verträge zu machen, in denen alle Rahmenbedingungen und Erforderlichkeiten geregelt werden.
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