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| Urheberrecht

Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen durch Anspruchsabtretung


BGH weist Klage einer Rechtsanwaltskanzlei vollumfänglich zurück

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, unter anderem spezialisiert auf Urheberrecht, hat mit Urteil vom 28.05.2020 die Klage einer Kanzlei gegen einen Tonträger-Vertriebler (im folgenden "S" genannt) vollumfänglich abgewiesen. (BGH, Urteil vom 28.05.2020, Az.: I ZR 129/19)

Zahlreiche Abmahnungen wegen verbotenem CD- Verkauf

Die Beklagte ist Tonträger-Verkäuferin. Sie hatte eine Live-CD des US-amerikanischen Gitarristen Al Di Meola auf seiner Internetseite zum Verkauf angeboten.

Die Kanzlei hatte ihre Mitgesellschafter und Geschäftsführer (G) damit beauftragt, Urheberrechtsverletzungen der Musik Al di Meolas zu ermitteln. G ermittelte somit die Beklagte (S) und weitere 15 Händler als Verkäufer der Live-CD. Die Beklagte wurde nun gemeinsam mit den weiteren Händlern am 22. Februar 2017 im Namen des Künstlers Al Di Meola durch die Kanzlei abgemahnt. Es wurde eine Erstattung von 1.065,00€ gefordert. Der Betrag setzt sich zusammen aus Anwaltskosten in Höhe von 865,00 €, den Ermittlungskosten der G in Höhe von 100,00 € sowie Schadensersatz nach einer Lizenzanalogie, also für Kosten, die bei einer erlaubten Nutzung angefallen wären, in Höhe von ebenfalls 100,00 €. Die Beklagte gab auf die Abmahnung hin eine Erklärung mit dem Inhalt ab, dass sie den Verkauf ab sofort unterlassen werde, welche bei Fehlverhalten mit einer Vertragsstrafe bedroht ist und verwies für weitere Zahlungsansprüche an S.

Am 11. April 2017 hatte der Künstler Al di Meola seine Zahlungsansprüche an die Klägerin, die Kanzlei, abgetreten.

Die Kanzlei verlangte vor dem Amtsgericht Hamburg nun die Zahlung der 1.065,00 €. Der Anspruch wurde der Kanzlei in Höhe der Anwaltskosten von 865,00 € durch das Amtsgericht zugesprochen. Nach Berufung der Beklagtenseite wurde diese lediglich zu einer Zahlung der Abmahnkosten in Höhe von 184,31 € verurteilt.

Durch das Urteil vom 28.05.2020 gab der BGH nunmehr die Anweisung, dass das Landgericht sein Urteil (LG Hamburg, 308 S 9/17) derart abändern solle, dass die Beklagte keine Zahlungen mehr an die Kanzlei leisten müsse. Außerdem wurde das Amtsgericht dazu aufgefordert, die eingereichte Klage (AG Hamburg, 18b C 86/17) vollständig abzuweisen.

Anspruch besteht aufgrund von Rechtsmissbrauchs nicht

Mit der eingelegten Revision und auch der vorherigen Berufung verfolgte die Beklagte nach wie vor die Klageabweisung. Ihre Revision hat Erfolg. Der zuvor im Berufungsverfahren vom Landgericht Hamburg anerkannte Anspruch von 184,31 € steht der Kanzlei nicht zu. Ihre Abmahnung war aufgrund von Rechtsmissbrauchs im Sinne des § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG nicht berechtigt. Auch das Amtsgericht Hamburg wurde durch den BGH angewiesen, die Klage vollständig abzuweisen. Die Kanzlei war bei dem Revisionsverfahren nicht anwaltlich vertreten. Trotz ihres Fehlens wurde die Entscheidung einer Sachprüfung unterzogen, die der gerichtlichen Entscheidung des BGH zu Grunde liegt.

Wie auch von der Berufungsinstanz bereits angenommen, bestand der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte. Dies sei aber nur eine der Voraussetzungen für eine berechtigte Abmahnung. Vielmehr muss diese Abmahnung auch in einer nicht rechtsmissbräuchlichen Weise erfolgen. Für die Beurteilung, ob die vorliegende rechtliche Verfolgung rechtsmissbräuchlich ist, wird der § 242 BGB herangezogen, der eine Beurteilung nach Treu und Glauben verlangt. Das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs wird angenommen, wenn das überwiegende Interesse der Kanzlei darin liegt, die Kosten der Rechtsverfolgung oder auch den Ersatz von etwaigen Aufwendungen zu generieren. Es geht also um sachfremde, nicht schutzwürdige Interessen oder Ziele des Klägers.

Laut BGH sei ein weiteres Indiz für einen Missbrauch, wenn die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur Tätigkeit des Abmahnenden stehe. Auch der Zweck, den Gegner mit möglichst hohen Prozesskosten zu belasten, könne ein Missbrauchsindiz darstellen. Hierfür sei beispielsweise ein Anzeichen, dass die Abmahnungen überwiegend eigenständig durchgeführt werden, um möglichst hohe und viele Gebühreneinnahmen zu erzielen.

Frühzeitige Abtretung und Vielzahl der Abmahnungen führen zu Rechtsmissbrauch

Al Di Meola hatte seine Ansprüche gegen die Beklagte zeitlich bereits kurz nach der Abmahnung an die Kanzlei abgetreten. Ein grundsätzliches Interesse des Künstlers daran, seine Musik urheberrechtlich zu schützen und die Verfolgung der Urheberrechtsverletzungen aktiv zu betreiben sei daher nicht ausgeschlossen. Dieser Zweck wurde vielmehr auch vom Hamburger Landgericht und dem Amtsgericht als übergeordneter Zweck der Kanzlei angenommen. Der Bundesgerichtshof stellte jedoch auf weitere Kriterien ab und verneinte diesen zuvor angenommenen übergeordneten Zweck des Urheberrechtsschutzes.

Zunächst sei anzumerken, dass die Kanzlei dem unerlaubten Verkauf der Musik Al Di Meolas nur in Deutschland so stark nachgegangen sei. In diesen Fällen und Parallelverfahren habe es eine größere Menge an gleichlautenden Abmahnungen vom selben Tag gegen andere Händler und Verkäufer gegeben. Überall sei ein vergleichbares Vorgehen zu Grunde zu legen. Dies spreche zunächst für eine überwiegend in Eigenregie vorgenommene Abmahntätigkeit. Weiter könne hieraus geschlossen werden, dass dieses Vorgehen lediglich zur Generierung von Gebühreneinnahmen führen sollte. In den Parallelverfahren gegen die anderen Händler habe die Kanzlei außerdem eingeräumt, dass sie von Al Di Meola einen Gesamtauftrag erhalten habe und mit diesem automatisch nach Rechtsverletzungen im Inland suchen würde. Die Kanzlei trage dabei vereinbarungsgemäß das komplette Prozessrisiko, da sie mit der Tätigkeit fast ausschließlich ihre eigenen Kosten geltend mache.

Zuletzt sei noch zu beachten, dass die Kanzlei die Ermittlungen der G überlassen habe, welche ihre Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin ist. Auch diese rechnet für ihre Ermittlungstätigkeit jeweils einen Betrag von 100,00 € ab. Dieses Vorgehen unterstütze den Vorwurf des Handelns in Eigenregie der Kanzlei und somit des eigenen Prozessrisikos und der Geltendmachung lediglich der eigenen Kosten, nicht aber der Schadenspositionen des Musikers.

Aufgrund dieser Gesamtbetrachtung geht der Bundesgerichtshof daher davon aus, dass der übergeordnete Zweck die Gewinnorientierung der Kanzlei sei und somit ein Rechtsmissbrauch vorliege.  Das Berufungsurteil sei daher insoweit durch das Landgericht zu ändern, dass die Beklagte die zuvor anerkannten Beträge nicht an die Kanzlei zahlen muss. Weiter wurde das Amtsgericht vom BGH dazu angewiesen, die Klage als unzulässig abzuweisen. 

Quelle: Versäumnisurteil des BGH, I ZR 129/19


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