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Die meisten Verträge im e-Commerce lassen sich innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Verbraucher haben mit dem Widerrufsrecht ein starkes Instrument zur Vertragsgestaltung. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen das zweiwöchige Widerrufsrecht ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Finden Sie mit uns heraus, in welchen Fällen der Ausschluss greift und was ausgerechnet eine Matratze damit zu tun hat.
Ausgangspunkt des Widerrufsrechts ist der § 312g, Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Bei diesen Vertragstypen handelt es sich im Wesentlichen um Verträge aus dem Onlinehandel. Der Verbraucher kann innerhalb von vierzehn Tagen den Vertrag ohne Begründung widerrufen. Zweck der Regelung ist es, den Verbraucher nicht an den Kauf von Produkten zu binden, die er vorher nicht auf ihre Beschaffenheit prüfen konnte.
Für diese Regelung werden diverse Ausnahmen aufgelistet, in denen der Verbraucher kein Widerrufsrecht hat. Hierunter fallen beispielsweise schnell verderbliche Waren, Zeitungen oder Hygieneartikel. Es liegt in der Natur einiger Produkte, dass ein zweiwöchiges Widerrufsrecht keinen Sinn ergibt. Einmal verrottetes Obst kann ein Händler nicht einfach an den nächsten Kunden weiterverkaufen. Neben eindeutigen Fällen sind es wie so oft die Grenzfälle, die die Gerichte beschäftigen.
Ein besonderes Konfliktpotential ergab sich aus der Anwendung des § 312g, Absatz 2 Nummer 3 BGB. Danach ist der Widerruf für Verträge zur Lieferung versiegelter Waren ausgeschlossen, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Verschiedene Aspekte der Regelung sorgen für Unsicherheiten.
Als Unternehmer muss man bereits auf die Art und Weise der Gestaltung der Versiegelung achten und bestimmte Vorgaben erfüllen. Eine reine Klarsichthülle reicht für eine Versiegelung nicht aus. Andere Folien, die die Ware lediglich vor Verschmutzungen schützen sollen, genügen ebenfalls nicht. Zweck der Versiegelung ist es vielmehr, dem Verbraucher deutlich zu machen, dass er die Waren behalten muss, wenn er die speziell versiegelte Ware öffnet. Natürlich darf die Versiegelung auch nicht ohne Weiteres nach dem Entfernen wieder angeklebt werden können. Ein direkt am Produkt angebrachtes und im besten Fall gekennzeichnetes Siegel eignet sich am besten für eine Versiegelung im Sinne des § 312g, Absatz 2 Nummer 3 BGB.
Nur wenn diese Versiegelung entfernt wird, ist das Widerrufsrecht ausgeschlossen. Erhält man Ware und prüft sie auf ihre Beschaffenheit, ohne die Versiegelung zu beschädigen oder zu entfernen, kann die Ware selbstverständlich wieder zurückgeschickt werden. Es sind allerdings auch Fälle denkbar, in denen sich das Produkt nach dem Entfernen des Siegels immer noch zur Rückgabe eignet.
Der Gesetzgeber wollte mit der Ausnahmeregelung nur Produkte erfassen, die nicht ohne Weiteres wieder zurück in den hygienischen Ursprungszustand zurückgeführt werden können. Ist es dem Unternehmer beispielsweise möglich, mit Wiederaufbereitungsmaßnahmen das Produkt wieder einwandfrei aufzubereiten, besteht das Widerrufsrecht des Verbrauchers fort. Und dies gilt auch dann, wenn das Siegel entfernt wurde. Unternehmer im Onlinehandel müssen sich also unter Umständen darauf einstellen, dass entsiegelte Ware wiederaufbereitet werden muss. Nichts desto trotz haben Verbraucherzentralen und Kanzleien häufig Fälle von Verbrauchern angezeigt bekommen, in denen die Händler genau diese Wiederaufbereitung verweigert haben.
Der Streit um eine Matratze wanderte durch den Instanzenzug und landete 2019 schließlich beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der Kläger hat bei einem deutschen Onlinehändler eine Matratze bestellt und diese Zuhause aus der Schutzfolie entpackt. Nach einigen Tagen wollte er die Matratze wieder zurückschicken. Der Händler weigerte sich jedoch die Matratze zurückzunehmen, bis der Kläger die Rücksendung auf eigene Kosten veranschlagte und Kaufpreis und Rücksendekosten vom Händler zurückverlangte.
Der Onlinehändler vertrat die Auffassung, dem Kläger stehe kein Widerrufsrecht zu. Schließlich habe er die Schutzfolie entfernt und es sei dem Händler nicht mehr zumutbar, die Matratze aus hygienischen Gründen wieder zurückzunehmen. In den unteren Instanzen setzte sich der Unternehmer mit seiner Meinung durch. Der EuGH sah dies allerdings anders.
Das Widerrufsrecht sei im Folgenden Fall nicht ausgeschlossen und der Verbraucher hatte weiterhin das Recht, die Matratze zurückzuschicken. Eine Matratze sei mit Kleidungsstücken vergleichbar. Kleidungsstücke wiederrum sind nach der Verbraucherschutzrichtlinie eine Warenkategorie, für die ausdrücklich die Möglichkeit der Rücksendung nach Anprobe vorgesehen ist. Es sei nicht ersichtlich, warum die Matratze nicht wiederverwendet werden könnte und durch den Händler wieder aufbereitet werden konnte. Schaut man sich beispielsweise die Hotelbranche an, werden die Matratzen in einem Hotelzimmer auch nicht nach jedem neuen Gast entsorgt und erneuert. Sie können in der Regel mit ein wenig Aufwand gereinigt und hygienisch einwandfrei aufbereitet werden, sodass keine Bedenken bezüglich Gesundheitsrisiken bestehen.
Ähnlich gelagert sind die Fälle des Widerrufs von im Internet bestellter Unterwäsche und Bademode. Immer wieder haben Onlinehändler den Widerruf von Verbrauchern verweigert und es kam zu Streitigkeiten. In der Regel befindet sich an Bademode oder auch an Dessous eine Versiegelung an der Stelle, an der ein besonders sensibler Kontakt mit dem Körper besteht. Wird dieses Siegel nun vom Verbraucher entfernt, ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht ausgeschlossen. Es ist anerkannt, dass der Händler in diesem Fall die Ware zurücknehmen muss und sie entsprechend wiederaufbereiten und reinigen muss, damit keine Gesundheitsrisiken mehr von ihr ausgehen. Dies ist für die Onlinehändler zwar mit einem gewissen Aufwand verbunden, allerdings steht diese Regelung im Einklang mit der europarechtlichen Konzeption.
Ganz ohne Schutz stehen die Unternehmer allerdings nicht dar. Sollte der Verbraucher ein Produkt entsiegeln und seine Prüfungsbefugnisse überschreiten, kann der Unternehmer den erlittenen Wertverlust ersetzt verlangen, der durch die unsachgemäße Prüfung der Ware eingetreten ist.
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