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Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. („Wettbewerbszentrale“) hatte gegen den Automobilhersteller Tesla Germany GmbH geklagt. Der Grund: Tesla würde seine Fahrassistenzsysteme mit irreführenden, unwahrheitsgemäßen Begriffen bewerben – maßgeblich „Autopilot“ und „autonomes Fahren“. Da dieses autonome Fahren aber weder technisch noch rechtlich möglich sei, hat die Wettbewerbszentrale in der Tesla-Werbung einen Wettbewerbsverstoß gesehen. Nun hat die 33. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I, die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisiert ist, dieser Klage stattgegeben und geurteilt: Ja, Teslas Werbung ist irreführend und wettbewerbswidrig (Urteil vom 14.07.2020 (Az. 33 O 14041/19)).
Konkret ging es um die Werbung auf der Website von Tesla im Juli 2019 zum Fahrzeugtyp „Model 3“. Die Beschreibung dieses Autos beinhaltete Aussagen wie „Autopilot inklusive“ und „Volles Potenzial für autonomes Fahren“. Dabei versprach die Werbung, der Wagen könne selbstständig lenken, beschleunigen und bremsen, automatisch auf Autobahnen fahren (inklusive Ein- und Abfahrt, Autobahnkreuzen und Überholmanövern), ohne Zutun des Fahrers parallel und rechtwinklig einparken und herbeigerufen werden, also auf einem Parkplatz aus einem geparkten Zustand heraus selbst zu seinem Fahrer finden. Außerdem stellte Tesla in Aussicht, dass bis Ende des Jahres (bis Ende 2019) innerorts automatisches Fahren und das Erkennen von Ampeln und Stoppschildern mit Anhalte- und Anfahrautomatik möglich sein werde. „Unglaublich, aber wahr!“, hieß es in der Werbung. Dass das Ganze tatsächlich nur unglaublich, aber eben nicht wirklich wahr ist, konnte der Verbraucher nur indirekt einem Hinweis am Ende der Website entnehmen.
Darin hieß es unter anderem: „Die gegenwärtig aktivierten Funktionen verlangen eine aktive Überwachung durch den Fahrer - ein autonomer Betrieb des Fahrzeugs ist damit nicht möglich. Die Aktivierung und Verwendung von Autonomiefunktionen verlangen dagegen den Nachweis über Milliarden von gefahrenen Kilometern, dass ihre Zuverlässigkeit das Vermögen von menschlichen Fahrern weit überschreitet. Zudem sind für den autonomen Betrieb gesetzliche Genehmigungen erforderlich, die je nach Rechtsprechung noch länger dauern dürften“.
In seiner Urteilsbegründung bezieht sich das LG München auf §5, Absatz 1, Satz 2 Nr.1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Demnach ist eine geschäftliche Handlung rechtswidrig, wenn sie unwahre Angaben beinhaltet und somit irreführend bzw. täuschend ist. Dies haben die Münchener Richter im Falle Tesla vorliegen sehen.
Sowohl die Werbeaussage als Ganze als auch die Bestandteile, die der Kläger (die Wettbewerbszentrale) je einzeln aufgegriffen hatte, würden dem Durchschnittsverbraucher eine Vorstellung transportieren, die nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Ganz entgegen der Formulierung „Autopilot“, die ein autonome Fahren suggeriere, sei in der Realität eine Fahrt ohne menschliches Eingreifen nicht möglich – weder technisch noch rechtlich. In Deutschland ist ein autonomer Fahrzeugbetrieb gemäß dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) nämlich noch nicht zulässig (§1a, b (StVG)). Auch Teslas Hinweis am Ende seiner Website, sei zu unklar und zu intransparent, als dass das die voranstehenden irreführenden werblichen Aussagen relativieren könne.
Wirbt Tesla mit dem autonomen Fahren, das de facto gar nicht möglich ist, sei das „eine gravierende Benachteiligung der Fahrzeughersteller, die sich an die Werberegelungen halten“, so Rechtsanwalt Andreas Ottofülling von der Wettbewerbszentrale. Das hat das LG München bestätigt. Dazu sagte die Vorsitzende Richterin, Isolde Hannamann: "Die Maßstäbe des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sind eher streng". Tesla darf also nicht irreführenderweise mit Begriffen wie „autonomes Fahren“ werben.
Der Fall könnte noch vor das Münchener Oberlandesgericht (OLG) kommen – wenn Tesla Berufung einlegt. Dafür hat der Autohersteller einen Monat lang Zeit. Bis dahin ist das Urteil vom 14. Juli 2020 noch nicht rechtskräftig. Die Wettbewerbszentrale kann aber für eine vorläufige Vollstreckung eine Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 Euro beim Gericht hinterlegen. Bisher ist das noch nicht geschehen.
Der Kläger, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. (oder auch einfach „Wettbewerbszentrale“), ist mit rund 2.000 Mitgliedern (Unternehmen und Wirtschaftsverbände) die größte Selbstkontrollinstitution der deutschen Wirtschaft. Sie sieht es als ihre Aufgabe, zur Förderung eines fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs beizutragen – und zwar durch Rechtsforschung, Rechtsberatung, Information und Rechtsdurchsetzung.
Ein Blick in die Mitgliederliste zeigt: die deutschen Autobauer Audi, BMW, Daimler, Opel und Volkswagen gehören der Wettbewerbszentrale an. Als Tesla-Rivalen haben diese Konzerne sicherlich ein Interesse daran, Teslas irreführende Werbung als solche zu deklarieren – zumal Tesla technologisch gar nicht unbedingt weiter ist im Thema autonomes Fahren, als VW, Audi, Daimler und BMW es sind.
Die Wettbewerbszentrale hatte schonmal gegen Tesla geklagt – und ist auch damit bereits erfolgreich gewesen. Es ging dabei um die Preise, die Tesla auf seiner Website angegeben hatte. Der US-Autobauer hatte sein standardausgestattetes Model S mit 69.000 Euro beworben. Dabei konnte man das Fahrzeug gar nicht zu diesem Preis kaufen. Die Wettbewerbszentrale klagte 2017 gegen diese falsche Preisangabe – und erhielt Recht.
Eine irreführende Preisangabe lag auch beim Model 3 vor. Tesla hatte nicht den Preis angegeben, zu dem das Auto erhältlich ist, sondern die geschätzten Einsparungen in den angegebenen Preis einberechnet – also die Benzinkosten, die man sich gegenüber der Stromkosten sparen würde, vom eigentlichen Kaufpreis des Fahrzeugs abgezogen. Im März 2019 war die Wettbewerbszentrale auch hier mit ihrer Klage gegen diesen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung erfolgreich.
Bis es zu einem wirklich „autonomen“ Fahren kommt, bei dem das Auto völlig selbstständig fährt, ohne dass es einen Fahrer bräuchte, wird es wohl noch einige Jahre dauern. Nicht nur die Technik ist heute noch nicht so weit – auch rechtlich muss noch einiges geklärt werden, bis man hinter dem Steuer (bzw. sogar ganz ohne Steuer) schlafen, Zeitung lesen oder durchs Handy scrollen kann und darf.
In Deutschland begrenzt bzw. regelt das StVG die praktische Anwendung von Fahrzeugen mit „hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion“. Auch über Deutschland hinaus, nämlich europaweit, ist kein völlig autonomes Fahren erlaubt. Im Autopilot-Modus muss der Fahrer alle 15 Sekunden Druck auf das Lenkrad ausüben. Anders ist das in Nordamerika, wo eine deutlich längere Zeitspanne ohne Druckausübung erlaubt ist. Dementsprechend haben die Autos in Europa andere, das heißt weniger, Funktionen und Fähigkeiten in Bezug auf Fahrassistenzsysteme als die gleichen Fahrzeugmodelle in den USA – beispielsweise das Model X und das Model S von Tesla. Bei ihnen ist in Europa neben der kürzeren Zeitspanne zur nächsten Druckausübung seit Ende 2019 auch der automatische Fahrspurwechsel eingeschränkt und die Geschwindigkeitsgrenze des Lenkrads heruntergesetzt worden.
Die Vorschriften in Europa sind also strenger als in den USA. Das liegt an den unterschiedlichen rechtlichen Herangehensweisen: Während bei uns in Europa die Hersteller beweisen müssen, dass alles funktioniert (d.h., dass das autonome Fahren tatsächlich keine oder weniger Unfälle verursacht), ist in den USA erstmal alles erlaubt – bis sich in der Praxis zeigt, dass es nicht funktioniert (wegen häufiger Unfälle zum Beispiel) und es dann explizit verboten wird.
„Autonomes Fahren“ ist nicht gleich „autonomes Fahren“. Es erfolgt eine Klassifizierung in fünf Level – je nachdem, welche Funktionen automatisch erfolgen:
Level 1 und 2 sind finden bereits ihre praktische Anwendung im Straßenverkehr. Beim dritten Level wird es allerdings schon schwieriger. So ist bspw. noch ungeklärt, ob die Handynutzung hier erlaubt ist oder wer das Bußgeld bei einer Tempoüberschreitung tragen muss. So kann dieses hochautomatisierte Fahren (Level 3) noch nicht umgesetzt werden, geschweige denn das vollautomatisierte oder gar autonome Fahren (Level 4 und 5) – hierfür existiert noch nämlich kein rechtlich wirksamer Rahmen. Zuletzt hat das Verkehrsministerium allerdings einen Gesetzesentwurf diesbezüglich erstellt und somit immerhin die Voraussetzung für einen rechtlichen Rahmen geschaffen.
Mal vom Rechtlichen abgesehen: Was ist Stand jetzt eigentlich technisch möglich? Wer ist wie weit mit dem autonomen Fahren? Laut Prof. Dr. Stefan Bratzel (Experte für Automobilwirtschaft) seien die deutschen Autohersteller mit ihren Fahrassistenzsystemen bis Stufe zwei, also bis zum teilautomatisierten Fahren, auf demselben Niveau wie Tesla. Darüber hinaus sei Tesla aber weiter als seine Konkurrenten, zum Beispiel beim selbstständigen Parken oder beim Erkennen von Ampeln.
Einen technischen Vorteil, den Tesla dabei schon seit vielen Jahren hat, sei die Möglichkeit, mit seinem System Updates „über Luft“ in den Autos der Kunden zu installieren – ohne dass diese dafür in eine Werkstatt fahren müssten. So könne das Produkt beim und mit dem Kunden weiterentwickelt werden. Tesla kombiniert Kameras, Rada- und Ultraschallsensoren und eine Software für seinen Autopilot. Es gibt eine Notbremsautomatik, eine Auffahrwarnung und einen Lenk- und Spurwechselassistenten. Außerdem sollen ein selbstständiges Überholen, automatisches Parken und ein Herbeirufen des geparkten Fahrzeugs möglich sein. Bald kommt wohl auch das Erkennen von Ampeln und Schildern mit Anhalte- und Anfahrautomatik.
Von einer völligen Autonomie des Autos gemäß Level 5 kann man aber noch nicht reden – weder bei den Konkurrenten noch bei Tesla selbst. Und es wird wohl auch noch länger dauern, als man ursprünglich erwartet hat. Die Corona-Krise und damit einhergehende finanzielle Engpässe hätten die Investition in Innovationen zur Weiterentwicklung des autonomen Fahrens bis Stufe vier und Stufe 5 zusätzlich gehemmt.
Für einen fairen Wettbewerb ist die Einhaltung der „Spielregeln“ unerlässlich – rechtlich gesprochen das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG). Unternehmen können diese juristische Grundlage heranziehen, um auf die Aufrechterhaltung des lauteren Wettbewerbes hinzuweisen – auch vor Gericht, wie das im Falle Tesla geschehen ist. Hier war der Wettbewerb durch die irreführende Werbung von Tesla verzerrt worden, was die Konkurrenz bzw. die Wettbewerbszentrale zu Recht als wettbewerbswidrig gekennzeichnet hat.
Als Kanzlei für Wettbewerbsrecht und gewerblichen Rechtschutz ist es unsere Aufgabe, im Sinne unserer Mandanten für den fairen bzw. lauteren Wettbewerb einzustehen, ihn aufrechtzuerhalten und nötigenfalls gerichtlich gegen Wettbewerbsverstöße vorzugehen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung verfügen unsere Rechtsanwälte und Fachanwälte über die nötige Expertise, um entsprechende Fälle umfassend zu betreuen, dazu zu beraten und juristische Ansprüche in diesem Rechtsgebiet kompetent durchzusetzen.
Sehen Sie in Ihrer Branche durch wettbewerbswidriges Verhalten eines anderen Unternehmens den lauteren Wettbewerb beeinträchtigt oder werden Sie womöglich selbst mit einem Vorwurf wegen angeblichen Wettbewerbsverstoßes konfrontiert? Dann sind Sie genau richtig bei uns: Kontaktieren Sie uns gern – wir helfen Ihnen und Ihrem Unternehmen weiter!
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