Rechtsanwalt & Spezialist für Handels- und Gesellschaftsrecht
T (+49) 040 / 7344 086-0
Blog Artikel
Der EuGH bekräftigt in seinem Urteil vom 19.4.2018 zunächst, dass die Vereinbarung einer Probezeit, die in der Handelsvertreter-Richtlinie nicht ausdrücklich geregelt ist, unter die Vertragsfreiheit fällt und gemäß der Richtlinie nicht automatisch verboten ist. Eine Auslegung der Richtlinie ergebe, dass der Zweck von Ausgleichs- und Schadensersatzleistungen nicht darin besteht, für die Auflösung des Vertrags zu bestrafen.
Zwei französische Unternehmen haben im Dezember 2011 einen Handelsvertretervertrag nach französischem Recht abgeschlossen, der die Vermittlung und Vergütung von Immobilienverkäufen regelt. Die Klägerin arbeitete als Handelsvertreterin für die Beklagte. Obwohl der Vertrag keine feste Laufzeit hatte, standen beiden Parteien gemäß dem Handelsvertretervertrag das Recht zu, den Vertrag während einer zwölfmonatigen Probezeit zu kündigen. Während dieser Probezeit konnten beide Parteien den Vertrag im ersten Monat mit einer Frist von 15 Tagen und danach mit einer Frist von einem Monat kündigen. Da die Klägerin die Verkaufsziele, die im Vertrag festgelegt waren, nicht erreichte, machte die Beklagte von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch und kündigte den Vertrag noch während der Probezeit. Daraufhin forderte die Klägerin gemäß französischem Recht Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche aufgrund der Beendigung des Handelsvertretervertrages. Die Beklagte lehnte die Erfüllung dieser Ansprüche ab und argumentierte, dass solche Ansprüche bei einer Beendigung des Vertrags während der Probezeit ausgeschlossen seien.
Nach deutschem Handelsrecht wird der Handelsvertreter als selbstständiger Gewerbetreibender definiert, der damit beauftragt wird, Geschäfte für ein oder mehrere andere Unternehmen zu vermitteln oder in deren Namen abzuschließen. Diese rechtliche Definition findet sich in § 84 Abs. 1 HGB. Handelsvertreter werden häufig im Vertrieb von verschiedenen Konsum- und Investitionsgütern eingesetzt. Sie fungieren als Vermittler zwischen Unternehmen, wie und Kunden. Dabei kann es sich entweder um einen Vermittlungsvertreter oder einen Abschlussvertreter handeln. Aus rechtlicher Sicht handelt es sich bei dem Handelsvertretervertrag um eine langfristige Geschäftsbeziehung in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer.
► Handelsvertreter: Die Entstehung und der Wegfall vom Provisionsanspruch
Infolge der Klage hat der französische Kassationsgerichtshof aufgrund der Beschwerde der Klägerin den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Daraufhin hatte der EuGH zu entscheiden, ob Artikel 17 der EU-Handelsvertreterrichtlinie Anwendung findet, wenn der Handelsvertretervertrag während der darin festgelegten Probezeit beendet wird. Der EuGH hat entschieden, dass die Vereinbarung einer Probezeit in einem Handelsvertretervertrag grundsätzlich nicht im Widerspruch zur Richtlinie 86/653 steht, da sie durch die Vertragsfreiheit der Parteien ermöglicht wird. Es wurde jedoch festgestellt, dass die volle Wirksamkeit der Handelsvertreterrichtlinie nicht durch die Vereinbarung einer Probezeit beeinträchtigt werden darf. Eine Beeinträchtigung würde vorliegen, wenn den Handelsvertretern bei einer Kündigung während der Probezeit kein Ausgleich gewährt wird. Dies wird damit begründet, dass die Ausnahmen zum Handelsvertreterausgleich gemäß Artikel 18 der Richtlinie eng auszulegen sind und keine Kündigung während der Probezeit ohne Ausgleich umfassen. Darüber hinaus stellt die Vereinbarung einer ausgleichsfreien Kündigung während der Probezeit einen Verstoß gegen Artikel 19 der Richtlinie 86/653/EWG dar, der den Parteien untersagt, von den Bestimmungen in Artikel 17 und Artikel 18 zum Nachteil des Handelsvertreters abzuweichen.
Der EuGH betont in seinem Urteil erneut, dass die Mitgliedsstaaten nicht willkürlich ihr nationales Handelsvertreterrecht gestalten dürfen, ohne die Ausnahmen zum Handelsvertreterausgleich gemäß Artikel 18 der Richtlinie 86/653/EWG zu beachten. Diese Ausnahmen sind explizit eng auszulegen. Jegliche Gestaltung oder Auslegung, die letztendlich zu einem Ausschluss des Ausgleichsanspruchs führt, ist unzulässig.
Das Handelsvertreterrecht ist in den §§ 84 bis 92 des Handelsgesetzbuchs (HGB) verankert und regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer, für den der Handelsvertreter tätig ist. Das Handelsvertreterrecht regelt insbesondere die Verpflichtungen des Handelsvertreters zur Vermittlung von Geschäften im Auftrag des Unternehmers (Bemühungspflicht) sowie die Rechte des Handelsvertreters, wie beispielsweise Ansprüche auf Provisionen oder Ausgleichsansprüche.
Obwohl das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einen Fall aus Frankreich betraf, hat es erhebliche Auswirkungen auf das deutsche Handelsvertreterrecht. Die deutschen Bestimmungen in den §§ 84 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) orientieren sich eng an der EU-Handelsvertreterrichtlinie und müssen dementsprechend mit dieser in Einklang stehen. Daher können auch nach deutschem Recht die Ausgleichsansprüche eines Handelsvertreters gemäß § 89b HGB nicht durch die Vereinbarung einer Probezeit und die Beendigung des Vertrags innerhalb dieser Probezeit umgangen werden. Dies dient dem Schutz des Handelsvertreters, denn auch bei einer Beendigung während der Probezeit hat der Handelsvertreter das Interesse, einen Ausgleich für die Vorteile zu erhalten, die der Unternehmer aus der Tätigkeit des Handelsvertreters gezogen hat und für die Kosten und Aufwendungen des Handelsvertreters selbst. Mithin bleibt es bei dem Grundsatz, dass nur in den in § 89b Abs. 3, Abs. 4, HGB geregelten Fällen ein Ausschluss der Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters in Betracht kommt.
Als Handelsvertreter haben Sie nach Kündigung des Handelsvertretervertrages verschiedene Ansprüche, die Ihnen zustehen könnten. Egal, ob Sie Ihre Verkaufsziele übertroffen haben oder neue Kunden für das Unternehmen gewonnen haben, Sie haben Anrecht auf angemessene Vergütung und Ausgleich.
Vertrauen Sie auf unsere langjährige Erfahrung und unser fundiertes Fachwissen im Handelsrecht. Wir vertreten Ihre Interessen sowohl außergerichtlich als auch vor Gericht und setzen uns für eine schnelle und effektive Lösung ein. Unser erfahrenes Team von Fachanwälten für Handelsrecht kennt sich in allen Aspekten des Schadensersatzes für Handelsvertreter aus.