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Beschluss: Treuhänder muss Kryptowährungen herausgeben


Bei einem Streit um Kryptowährungen im Wert von vielen Millionen ist jedes Detail entscheidend. Vorliegend wurde ein Treuhandvertrag über die Verwahrung dieser Währungen geschlossen. Sobald es jedoch um die Herausgabe ging, entbrannte ein jahrelanger Gerichtsprozess. Als Treuhänder hat man dabei alles Zumutbare für die Herausgabe zu unternehmen, wie das OLG Köln mit Beschluss vom 26. Juni 2024 (Az. 11 W 15/24) entschied.

Die Geschichte des Streits

Die Gläubigerin und der Schuldner hatten 2018 einen Treuhandvertrag geschlossen. Diesem zufolge sollte der Schuldner von Kunden der Gläubigerin eingezahlte Kryptowährungen vorübergehend in zwei digitalen Wallets verwahren. Dabei ging es um 29 verschiedene Kryptowährungen, darunter Bitcoin. Die Gesamtsumme beträgt aktuell geschätzt ca. EUR 25 Mio.

Dann kam es zum Streit über Voraussetzungen für die Auszahlung an die Gläubigerin. Schließlich erklärte die Gläubigerin die außerordentliche Kündigung des Treuhandvertrags und schloss einen neuen Vertrag mit einer anderen Kanzlei. Der Streit ging vor die Gerichte.

Mit Urteil vom 14.02.2020 (Az. 10 O 248/19) verurteilte das Landgericht den Schuldner zur Herausgabe der Kryptowährungen. Dieser legte hiergegen Berufung zum Senat ein, welcher ihn ebenfalls rechtskräftig zur Herausgabe verurteilte. Dieser Verpflichtung ist er jedoch nicht nachgekommen.

Treuhänder wehrte sich standhaft

Aus diesem Grund wurde ein Zwangsvollstreckungsverfahren eröffnet, um ihn zur Herausgabe zu zwingen. Nach wie vor betreibt die Gläubigerin aus diesem Vollstreckungstitel die Zwangsvollstreckung. Auf ihren Antrag ordnete das Landgericht mit Beschluss vom 20.03.2023 ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000,00 €, ersatzweise Zwangshaft, an. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners wurde zurückgewiesen. Dieses Zwangsgeld wurde zwischenzeitlich sogar vollstreckt.

Das reichte jedoch anscheinend immernoch nicht aus. Mit Vollstreckungsantrag vom 06.02.2024 begehrte die Gläubigerin nun sogar die Verhängung von Zwangshaft gegen den Schuldner, welche am 21.03.2024 vom Landgericht auch angeordnet wurde. Er legte dagegen wiederum Beschwerde ein, wobei er anbringt, die Herausgabe sei ihm unmöglich. Weil dieser Einwand nicht hinreichend belegt sei, ging der Fall schließlich vors Oberlandesgericht (OLG) Köln.

Die Sicht des Schuldners

Schauen wir uns einmal seinen Standpunkt genauer an. Primär vertritt er die Ansicht, die Herausgabe in Gestalt des Transfers der von ihm verwalteten Kryptowährungen an einen anderen Treuhänder sei ihm unmöglich. Ein Zugriff auf diese Währungen sei – grundsätzlich – nur mittels entweder des ursprünglich benutzten „Ledgers“ oder mit einem neuen „Ledger“ in Verbindung mit der sogenannten „Recovery Phrase“ möglich.

Beide Möglichkeiten bestünden laut ihm jedoch nicht (mehr): Der alte Ledger sei infolge eines Updates der Firmware unbrauchbar geworden. Diese fehlende Zugriffsmöglichkeit mittels des alten Ledgers sei auch durch zwei Privatgutachter R. und M. bestätigt worden, deren Gutachten er im Beschwerdeverfahren zu den Akten gereicht.

Soweit eine Wiederherstellung grundsätzlich auch über die Recovery Phrase möglich sei, versage dies im Streitfall gleichfalls: Diese bestehe aus 24 Wörtern, die der Schuldner sich händisch auf sechs Zetteln notiert habe. Einen Teil der zugehörigen Notizen habe er selbst verwahrt, einen Teil zwischenzeitlich einem Dritten überlassen. Nach Versagen des alten Ledgers habe er versucht, mittels der wieder zusammengesetzten Recovery Phrase den sog. „Private Key“ wiederherzustellen, was – aus ihm nicht erfindlichen Gründen – misslungen sei.

Darum beantragte er vor dem OLG nun, den Beschluss des LG Bonn aufzuheben und den zugrundeliegenden Vollstreckungsantrag zurückzuweisen. Die Gläubigerin dagegen hält den Einwand der Unmöglichkeit des Schuldners für eine vorgeschobene Schutzbehauptung. Sie behauptet, der Schuldner habe die technischen Möglichkeiten zum Zugriff auf die Wallets mittels des alten Ledgers nicht ausgeschöpft.

Die Voraussetzungen einer Unmöglichkeit

Das OLG hielt zunächst fest, dass Zwangsmittel nicht verordnet werden könnten, wenn die angeordnete Handlung für den Schuldner tatsächlich nicht möglich wäre. Hierfür müsse jedoch feststehen, dass der Vollstreckungsschuldner erfolglos alle zumutbaren Maßnahmen einschließlich der Einschaltung Dritter unternommen hat, wobei er selbst die Voraussetzungen für diesen Ausnahmetatbestand darzulegen habe. Vorliegend habe der Schuldner noch nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen unternommen.

Der Vortrag des Schuldners, die Herausgabe der Kryptowährungen auf dem im Tenor genannten Wallet sei ihm nicht möglich, weil sie sich auf einer anderen Wallet befänden, reicht nicht aus. Beide Wallets seien der Gläubigerin zuzuordnen und der Titel sei mit Blick auf das bisherige Verfahren auszulegen.


Schuldner hat noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft

Das Vorbringen des Schuldners genügte dem OLG nach dem vorangestellten Maßstab für eine Unmöglichkeit nicht. Zum Zugriff auf bzw. zur Verfügung über Wallets waren vorliegend sog. „Private Keys“ erforderlich. Ein solcher Key kann auf einem sog. „Ledger“, einem speziellen USB-Stick, gespeichert werden und gänzlich unabhängig von einem Ledger wiederhergestellt werden mittels „Recovery Phrase“/„Seedphrase“, also einem Passwort vergleichbar. Grundsätzlich ist damit der Zugriff auf Wallets technisch mittels des alten Ledger (bei intaktem „Private Key“) oder der „Recovery Phrase“ und einem neuen Ledger möglich.

Zum Zugang über den alten Ledger trug der Schuldner vor, sein Privatgutachter habe beide USB-Sticks bzw. Ledger untersucht. Auf diesen befänden sich die notwendigen „Private Keys“ nicht. Zur alternativen Wiederherstellung bringt er vor, die streitgegenständliche Seedphrase habe er nun dem Gutachter vorgelegt; sie sei aber nicht geeignet, den Private Key wiederherzustellen.

Zumindest hinsichtlich der zweiten Alternative seien die Möglichkeiten  noch nicht erschöpft. Zunächst war nur eines der beiden Wallets überhaupt gutachterlich geprüft worden. Außerdem habe der Treuhänder jedenfalls nicht in dem erforderlichen Umfang – über die beauftragten Privatgutachter hinaus – spezielle fachkundige Hilfe in Anspruch genommen. Es gebe bspw. Unternehmen am Markt, die anbieten, so etwas mit ihrer Software zu überprüfen. Diese Hilfe hat der Schuldner bislang nicht in Anspruch genommen. Im Gegenteil war der zuletzt beauftragte Privatgutachter zunächst ausdrücklich nur damit betraut, die Suche mit angemessenem Aufwand zu betreiben und hat sie nach insgesamt 49 Stunden beendet.

Naheliegende Möglichkeiten

Ergänzend wies das OLG darauf hin, dass die vom Privatgutachter M. als gewöhnlich angesehenen Interpretationsweisen und Leserichtungen der sechs Zettel gerade die aus Sicht des Senats naheliegende Möglichkeit, die Worte auf jedem einzelnen Zettel zeilenweise von links nach rechts und von oben nach unten zu lesen, unverständlicherweise nicht beinhalteten.

Es ist daher im Prozess wichtig, wirklich alle in Betracht kommenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Richter verschaffen sich mittels Gutachtern Einblick in die konkrete Situation. Somit werden halbherzige Versuche schnell aufgedeckt.


Treuhänder hätte externe Unternehmen beauftragen müssen

Schließlich sieht sich das OLG dadurch bestätigt, dass schon im Rahmen der früheren Vergleichsverhandlungen der Streitparteien die Beauftragung eines Experten für Kryptotechnik und eines sog. regulierten Schlüsselverwahrers erörtert worden. Insoweit bestand ersichtlich grundsätzliche Übereinstimmung der Streitparteien dahingehend, dass für den hier in Rede stehenden hochspeziellen Bereich der Wiederherstellung des Zugriffs auf Kryptowährungen besondere Unternehmen am Markt existieren, deren Expertise nutzbar gemacht werden kann.

Diese spezielle Expertise geht auch über die üblichen Kenntnisse eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Systeme und Anwendungen der Informationsverarbeitung hinaus. Bei dieser Sachlage könne es nicht Aufgabe des Senats sein, im Rahmen der Zwangsvollstreckungsbeschwerde weiter aufzuklären, ob die Herausgabe der Kryptowährungen letztlich auch unter Aufwendung dieser weiteren, dem Schuldner zumutbaren Bemühungen objektiv möglich oder unmöglich ist. Sind, wie vorliegend zur Überzeugung des Senats feststeht, jedenfalls noch nicht sämtliche Möglichkeiten von Seiten des Schuldners ausgeschöpft, so obliege es vielmehr diesem, jene Anstrengungen zunächst zu unternehmen, um den Ausnahmetatbestand der Unmöglichkeit ggf. erneut vorbringen zu können.

Darum wurde vom Senat als Zwangsmittel anstelle von Zwangshaft ein weiteres Zwangsgeld von EUR 25.000 festgesetzt. Der Schuldner bekam ca. 2 Wochen, in denen er die Kryptowährungen herausgeben oder ausreichend darzulegen muss, dass ihm dies wirklich nicht möglich war. Andernfalls drohten ihm Zwangshaft von 125 Tagen (pro nicht geleisteter 200,00 € je ein Tag Ersatzhaft).


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