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Besteht ein Anscheinsbeweis für den Zugang einer E-Mail?


Wann eine Nachricht beim Empfänger ankommt, ist in vielen Fällen entscheidend, gerade wenn es darum geht Fristen einzuhalten. Immer wieder wirft dies allerdings auch Fragen auf, wie wann der Zugang einer E-Mail vorliegt. Besonders von Bedeutung ist die Frage, ob ein Anscheinsbeweis besteht oder nicht.

Was ist ein Anscheinsbeweis

Ein Anscheinsbeweis ist eine Methode, welche bei der Beweisführung in einem Gerichtsprozess als mittelbarer Beweis aufgeführt werden kann. Er ist gesetzlich nicht geregelt, aber es wird gesetzlich auf ihn Bezug genommen. Bei einem Anscheinsbeweis handelt es sich um einen auf Erfahrungen gestützten Rückschluss. Der wohl häufigste Fall eines Anscheinsbeweises ist der Auffahrunfall, denn dort wird aufgrund der Erfahrung von einem schuldhaften Verhalten des Auffahrenden ausgegangen, denn es wird ein Rückschluss darauf gezogen, dass der Fahrer nicht genug Abstand gehalten hat. Der Anscheinsbeweis bietet demnach dem Geschädigten Hilfe, indem er nicht beweisen muss, dass der Hintermann zu nah aufgefahren ist, denn es wird durch den Anscheinsbeweis schlichtweg vermutet. Der Auffahrende müsste dem entgegentreten und Tatsachen vorbringen, welche gegen einen typischen Verlauf und somit gegen den Anschein sprechen. Zusammengefasst beruht der Anscheinsbeweis demnach auf Erfahrungssätzen, dass eine bestimmte Handlung zu einem bestimmten Ereignis führt. 

Der Anscheinsbeweis beim E-Mail Zugang

Es gibt auch andere Bereiche, wo ein Anscheinsbeweis besteht oder vermutet wird. Einer von diesen Bereichen ist der Zugang von einer E-Mail. Wann und ob etwas zugegangen ist, ist für viele Gerichtsprozesse entscheidend, denn es müssen Informationspflichten und Fristen eingehalten werden. Grundsätzlich trifft den Absender einer E-Mail gem. § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, ob die E-Mail zugegangen ist. Wenn es um den Zugang von E-Mails geht, führen manche auf, dass die Absendung einer E-Mail den Anscheinsbeweis für den Zugang dieser E-Mail begründen würde. Allerdings gibt es Urteile, welche dagegensprechen und dies grade nicht annehmen.

LAG Köln: Kein Anscheinsbeweis 

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln kam in seinem Urteil vom 11.01.2022 Az.: 4 Sa 315/21 zu dem Schluss, dass eine automatische Unzustellbarkeitsmitteilung nicht ausreichend ist, um den Zugang von einer E-Mail zu beweisen. Im vorliegenden Fall hatten die Parteien einen Darlehensvertrag vereinbart, in welchen auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet wurde, wenn dem Darlehensnehmer nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis angeboten werden würde. Die Beklagte hat behauptet, dass sie dem Kläger einen Tag vor Ablauf der vereinbarten Frist die Übernahme eines Arbeitsverhältnisses per E-Mail angeboten hat, sodass der Kläger das Darlehen zurückzahlen muss. Laut dem Kläger ging diese E-Mail jedoch erst drei Tage später zu, weswegen die Beklagte nach der Darlehensvereinbarung auf die Rückzahlung des Darlehens verzichten würde. Im vorliegenden Fall ist demnach entscheidend, ob die E-Mail innerhalb der Frist oder außerhalb von dieser zugegangen ist.

Das LAG Köln schloss sich der Auffassung an, dass auf den Zugang der E-Mail abgestellt werden muss und das Versenden alleine noch keinen Anscheinsbeweis für den Zugang der E-Mail beim Empfänger begründet. Es komme nicht auf das Absenden, sondern auf den Zugang an. Das Risiko eines technischen Fehlers auf dem Versandweg kann nicht zulasten des Empfängers fallen. Da der Versender die Art der Übermittlung wählt, muss er auch für das Risiko aufkommen.

OLG Rostock: Sieht ebenfalls keinen Anscheinsbeweis

In einer kürzlich verkündeten Entscheidung vom Oberlandesgericht (OLG) Rostock vom 03.04.2024 Az.: 7 U 2/24 wird diese Ansicht ebenfalls vertreten. Das Gericht führt auf, dass für die Annahme eines Anscheinsbeweises keine Grundlage gegeben sei. Der Zugang mag zwar „die Regel“ darstellen, ist aber schlussendlich jedenfalls unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen (noch) nicht in einem Maße typisch, dass die Bejahung einer prima-facie-Beweiserleichterung gerechtfertigt wäre.

AG Frankfurt a. M. sieht einen Anscheinsbeweis

Damit widersprechen sowohl das LAG Köln als auch das OLG Rostock dem 2008 erschienenen Urteil vom Amtsgericht Frankfurt am Main (23.10.2008 Az.: 30 C 730/08-25). Das Amtsgericht hatte angenommen, dass dem Absender einer E-Mail, der nachweisen kann, dass er die E-Mail verschickt hat, der Beweis des ersten Anscheins zur Seite steht, dass die von ihm versandte E-Mail auch bei dem Empfänger eingegangen ist. Das Gericht lässt es für die Annahme des Zugangs genügen, dass die E Mail abgesendet und nicht als unzustellbar zurückgelangt ist. 

Mit dieser Annahme bildet diese Entscheidung allerdings eine Ausnahme. Viele Entscheidungen haben, wie auch die beiden zuvor aufgeführten, dieser Ansicht widersprochen. Es ist demnach allgemein nicht davon auszugehen, dass ein Anscheinsbeweis für den Zugang einer E-Mail durch das Absenden alleine begründet wird.


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