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Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied in seinem Urteil vom 28.11.2023 – X R 3/22, dass sich die Schätzungsbefugnis des Finanzamts bezüglich der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 AO nicht auf die bloße Benennung der Mängel erschöpfen darf. Es bedarf stets einer Einzelfallabwägung, unter anderem mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes. Erst wenn die Einzelfallabwägung eine solche Schätzung rechtfertigt, darf die Berechnung der abzuführenden Steuern darauf beruhen. Als Besteuerungsgrundlagen kommen Einnahmen, Ausgaben, Kapitalerträge, Werbungskosten, Erlöse und Gewinne in Betracht.
Dem Urteil des BFH liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Restaurantbetreiber verwendete 2011 bis 2014 eine elektronische Registrierkasse für die Einnahmen in seinem Restaurant. Dieses Kassenmodell gelangte in den 1980er zum ersten Mal auf den Markt. Es war weit verbreitet und allgemein akzeptiert. Dass diese Kassen in Wahrheit objektiv manipulierbar sind, ist erst im Laufe der Zeit publik geworden. Bis dahin ging selbst die Finanzverwaltung von einer nicht manipulierbaren Maschine aus.
Im Nachhinein – also konkret in diesem Fall – war das Finanzamt der Ansicht, dass die Richtigkeit der Buchführung basierend auf solchen Kassen nicht gegeben sei. Mangels anderer ihm vorliegender Berechnungsgrundlagen hat das Finanzamt einfach von seiner Schätzungsbefugnis gemäß § 162 Abs. 1 AO Gebrauch gemacht und schätze das vierfache von den ursprünglich angezeigten Einnahmen. Dies machte es dann zur Berechnungsgrundlage.
In erster Instanz ließ das Finanzgericht die Registrierkasse durch einen Sachverständigen untersuchen. Dieser führte aus, dass ein Zähler in der Kasse leicht zu verändern wäre. Aufgrund dieses Gutachtens ging das Finanzgericht von der objektiven Manipulierbarkeit dieser Kasse aus. Die darauf gestützte Buchführung wurde als ungeeignet gewertet. Nach Ansicht des Finanzgerichts war die Schätzung des Finanzamts damit gerechtfertigt.
„(1) ¹Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. ²Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.“
In der Buchführung von bargeldintensiven Betrieben können materielle oder formelle Mängel auftauchen. Materielle Mängel sind singuläre Fehler, die aber auch in größerer Anzahl vorkommen können. Darunter fällt zum Beispiel die doppelte oder unrichtige Buchung von Einnahmen. Diese werden grundsätzlich korrigiert und die Steuern sodann richtig berechnet.
Bei formellen Mängeln hingegen liegen systematische Fehler dahingehend vor, dass das geforderte Datenformat nicht gewährleistet ist. Das kann zum Beispiel die Nichteinhaltung der Aufbewahrungs- oder Ordnungsvorschriften, die Buchung ohne Belege oder die nicht zeitgerechte Buchung der Veränderung des Kassenbestandes sein. Bei Vorliegen eines formellen Mangels kommt eine (Voll-)Schätzungsbefugnis des Finanzamts sehr gut in Betracht. Nicht jeder formelle Mangel berechtigt aber zu einer Schätzung. Maßgeblich ist, ob diese so gravierend sind, dass dadurch das Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Buchführung erschüttert ist oder ob trotz alledem die sachliche Richtigkeit doch gewahrt ist.
Der BFH konkretisierte in seinem Urteil diese Fragen. Der festgestellte Mangel in der Buchführung muss nach dem Maß seiner Bedeutung für den konkreten Einzelfall gewichtet werden. Auch der BFH nahm – wie das Finanzgericht in der ersten Instanz - bei dem objektiv manipulierbaren Kassensystem grundsätzlich einen gravierenden formellen Fehler an, da systembedingt keine Gewähr für die Vollständigkeit der Einnahmen gegeben war.
Allerdings muss für die Rechtfertigung einer Schätzung nun noch das Gewicht des Mangels mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes abgewogen werden. Da dieses Kassensystem zur maßgeblichen Zeit verbreitet und allgemein akzeptiert war, musste der Restaurantbetreiber nicht von einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften ausgehen. Damit relativierte sich das Gewicht des Mangels.
Wenn der Unternehmer zudem sonstige Nachweise bieten kann, die die sachliche Richtigkeit der Einnahmen stützen, so scheidet eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts gänzlich aus.
Die Sache wurde sodann an das Finanzgericht zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Haben Sie einen Steuerbescheid vom Finanzamt bekommen und sind sich unsicher über seine Rechtmäßigkeit? Ob die Schätzungsbefugnis des Finanzamts im korrekten Fall ordnungsgemäß angewandt wurde, ist stets eine Einzelfallfrage.
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