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Mit Urteil vom 29.05.2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Erteilung eines Hausverbots nicht schon dann eines sachlichen Grundes bedarf, wenn der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr ohne Ansehen der Person öffnet. Damit ein sachlicher Grund ausgesprochen werden muss, bedarf es zusätzlich der weiteren Voraussetzung, dass die Verweigerung des Zutritts für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet. (im Anschluss an BVerfG, Bes. v. 11.04.2018 – Az.: 1 BvR 2080/09, BVerfGE 148, 267)
Hierbei ist die Bedeutung, welche der Zugang zu einer Einrichtung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, nicht aus der Perspektive des einzelnen Besuchers zu beurteilen. Es kommt vielmehr auf die objektivierte Sicht desjenigen an, der die Einrichtung dem allgemeinen Publikumsverkehr öffnet, und es gilt zu fragen, welche Funktion die von ihm willentlich eröffnete und betriebene Einrichtung bei typisierender Betrachtung hat.
Im vorliegenden Fall, welcher zu dem Urteil des BGH führte, entscheidet der Besuch einer Therme nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Aus diesem Grund bedarf die private Betreiberin einer Therme für die Erteilung eines Hausverbots gegenüber einem Gast keines sachlichen Grundes.
Seit mehreren Jahren besuchte die Klägerin regelmäßig die Therme mit Saunabereich, welche von der Beklagten betrieben wird. Die Beklagte führte die Klägerin in einer Gästekartei für Stammkunden und informierte diese regelmäßig über Angebote. Die Klägerin erwarb über diese Angebote zu Sonderkonditionen zahlreiche, nicht personengebundene Eintrittskarten, welche teilweise noch nicht genutzt wurden und von denen manche noch bis ins Jahr 2021 gültig sind. Am 12. Februar 2017 erteilte die Beklagte der Klägerin ein schriftlich vorbereitetes, unbefristetes Hausverbot für die von ihr betriebene Therme sowie für alle der AG „angehörenden“ Einrichtungen.
Die Klägerin verlangte nun von der Beklagten, das Hausverbot zurückzunehmen, hilfsweise, ihr den bereits entrichteten Eintrittspreis zu erstatten. Das Amtsgericht hatte die Beklagte auf ihr Anerkenntnis hin verurteilt, an die Klägerin 1.116,04 EUR zu zahlen. Dies solle Zug um Zug gegen Rückgabe der von dieser erworbenen Eintrittskarten geschehen. Im Übrigen hatte das Gericht die Klage abgewiesen.
Das Landgericht hatte daraufhin das Hausverbot auf die spezifische Therme der Beklagten beschränkt und die Berufung der Klägerin im Übrigen zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollte die Klägerin erreichen, dass das Hausverbot auch im Übrigen zurückgenommen oder, hilfsweise, seine Nichtigkeit festgestellt wird.
Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rücknahme des Hausverbots, da die Beklagte als Betreiberin der Therme das Hausrecht zustehe und somit ein solches Verbot aussprechen könne, ohne dass die Erklärung einer Rechtfertigung bedürfe.
Da es der Klägerin freistehe, andere Bäder in der Umgebung aufzusuchen, würde sich keine Einschränkung des Hausrechts ergeben.
Auch ergebe sich keine Einschränkung des Hausrechts aus der Tatsache, dass die Klägerin bereits eine Vielzahl von Eintrittskarten für die Therme erworben habe. Dies sei deswegen so, weil die Eintrittskarten nicht personalisiert sind und daher keine zivilrechtliche Bindung bewirken, welche die Beklagte hindere, sich auf die Privatautonomie, ihre unternehmerische Freiheit sowie ihr Eigentumsrecht zu berufen.
Die Beklagte sei aufgrund ihrer Position als Betreiberin der Therme durch ihr Hausrecht grundsätzlich befugt, gegenüber Besuchern ein Hausverbot auszusprechen. Nach dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB), auf dem das Hausrecht beruht, ist es dem Inhaber möglich, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt (st. Rspr., vgl. etwa Senat, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 253/08, NJW 2010, 534 Rn. 11; Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 8 jeweils mwN).
Darüber hinaus ist das Hausrecht auch Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Privatautonomie, welche die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben schützt. Hierzu gehört, dass rechtlich erhebliche Willenserklärungen in der Regel keiner Rechtfertigung bedürfen. Dies gelte ebenso für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang einem Dritten der Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit gestattet wird (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 8).
Der BGH führt des Weiteren aus, dass das Hausrecht der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht deshalb eingeschränkt sei, weil diese Eintrittskarten erworben hat, welche noch nicht genutzt wurden und teilweise bis ins Jahr 2021 hinein gültig sind.
Theoretisch können aus einer vertraglichen Bindung zwar Einschränkungen bei der Ausübung des Hausrechts resultieren (vgl. Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 10 ff.). Allerdings führen die von der Klägerin erworbenen Eintrittskarten nicht zu einer vertraglichen Bindung, welche die Ausübung des Hausrechts einschränken würde, da es sich bei diesen Eintrittskarten um solche handelt, die die Person des Berechtigten nicht individualisieren. Es handelt sich hierbei um sogenannte kleine Inhaberpapiere gem. § 807 BGB. Hierunter sind Karten, Marken oder ähnliche Urkunden zu verstehen, bei denen die Umstände der Ausgabe erkennen lassen, dass der Aussteller grundsätzlich jedem Inhaber zur Leistung verpflichtet sein will (vgl. MüKoBGB/Habersack, 7. Aufl., § 807 Rn. 6, 9; Staudinger/Marburger, BGB [2015], § 807 Rn. 3).
Die vertragliche Bindung des Ausstellers einer solchen Eintrittskarte sei jedoch nicht vergleichbar mit beispielsweise der vertraglichen Bindung bei einem gebuchten und bestätigten Hotelaufenthalt, aus welcher der Senat eine Einschränkung des Hausrechts des Hotelbetreibers abgeleitet hat (vgl. Senat, Urteil vom 12. März 2012 - V ZR 115/11, NJW 2012, 1725).
Zum einen liege dies daran, dass der Aussteller nach Ausgabe der Eintrittskarten keinen Einfluss darauf hat, wer die Karten zum Eintritt in die Einrichtung verwendet und wann dies geschieht. Zum anderen wäre es den Kunden möglich, über Dritte in den Besitz weiterer Eintrittskarten zu gelangen, um sich sodann auf die vertragliche Bindung des Betreibers der Einrichtung zu berufen und eine Einschränkung von dessen Hausrecht geltend zu machen. Hiermit liefe das Hausrecht desjenigen, der übertragbare Eintrittskarten für die von ihm betriebene Einrichtung begibt, im Ergebnis leer.
Eine Einschränkung des Hausrechts der Beklagten insoweit, als dass ein von ihr ausgesprochenes Hausverbot eines sachlichen Grundes bedarf, ergebe sich ebenfalls nicht aus den mittelbar in das Zivilrecht einwirkenden Grundrechten, namentlich nicht aus dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG.
Neben der vertraglichen Bindung können sich auch Einschränkungen des Hausrechts ergeben, wenn der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr öffnet und dadurch seine Bereitschaft zu erkennen gibt, generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem den Zutritt zu gestatten, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewegt (vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2006 - V ZR 134/05, NJW 2006, 1054 Rn. 8 [Flughafen]; Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 253/08, NJW 2010, 534 Rn. 13 [Fußballstadion]; Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 22, 24 [verneinend zu einem Wellnesshotel]; BGH, Urteil vom 3. November 1993 - VIII ZR 106/93, BGHZ 124, 39, 43 [Einkaufsmarkt]; Urteil vom 25. April 1991 - I ZR 283/89, NJW-RR 1991, 1512 [Warenhaus]).
Zumindest grundsätzlich bedarf es in solchen Fällen, in denen gegenüber einer bestimmten Person ein Verbot, die Örtlichkeit zu betreten, ausgesprochen wird, eines sachlichen Grundes. Hierbei werden die Grundrechte des Betroffenen, wie dessen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG und dem Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG bei der gebotenen Abwägung einem willkürlichen Ausschluss schwerer gewichtet als die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) des Hausrechtsinhabers (vgl. Senat, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 253/08, aaO; Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 115/11, aaO Rn. 22).
Anders kann es sich jedoch bei Rechtsbeziehungen zwischen Privaten handeln. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folge kein objektives Verfassungsprinzip, wonach Rechtsbeziehungen zwischen Privaten von diesen prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Auch ergeben sich dahingehende Anforderungen nicht aus den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung. Es gehöre grundsätzlichen zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie unter welchen Bedingungen Verträge abschließen will (vgl. BVerfGE 148, 267 Leitsatz 1 und Rn. 40; vgl. auch BVerfG, NJW 2019, 3769 Rn. 6).
Gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten können sich für spezifische Konstellationen allerdings ergeben. Hierzu gehöre etwa der Ausschluss von Veranstaltungen, die aufgrund eigener Entscheidung der Veranstalter einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden und für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet (vgl. BVerfGE 148, 267 Leitsatz 2 und Rn. 41).
Laut BGH bedarf die Erteilung eines Hausverbots nach diesen Grundsätzen nicht schon dann eines sachlichen Grundes, wenn der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr ohne Ansehen der Person öffnet, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Verweigerung des Zutritts für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet.
Dem- oder derjenigen, die eine Einrichtung betreibt, welche erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, werde eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm/ihr verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen. Welche Bedeutung der Zugang zu einer Einrichtung hat ist aus objektivierter Sicht zu beurteilen. Es gilt zu fragen, welche Funktion die von dem Betreiber/der Betreiberin willentlich eröffnete und betriebene Einrichtung bei typisierender Betrachtung hat.
Im Falle der Therme unterliegt die Beklagte in der Ausübung ihres Hausrechts keinen Einschränkungen aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Besuch einer Therme entscheide nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, weswegen die private Betreiberin gegenüber einem Gast keines sachlichen Grundes bedarf.
Eine Therme werde zwar regelmäßig einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet. Der Identität des einzelnen Besuchers, welche die Betreiberin zumeist gar nicht erfährt, kommt regelmäßig keine Bedeutung zu, so auch im Falle der Beklagten - diese verkauft Eintrittskarten, die nicht an eine bestimmte Person gebunden sind. Eine Therme sei jedoch keine Einrichtung, die für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet (vgl. für ein Wellnesshotel BVerfG, NJW 2019, 3769 Rn. 8). Die Leistungen von verschiedenen Thermen sind in der Regel austauschbar und somit komme es für den Gast typischerweise nicht darauf an, eine ganz bestimmte Therme besuchen zu können. Auch komme es nicht auf die möglicherweise subjektiv größere Bedeutung für das gesellschaftliche Leben an, sondern lediglich auf die objektiv-typisierende Betrachtung.
Zuletzt habe die Beklagte auch keine Monopolstellung, aus welcher sich gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zu den Gästen ergeben könnten (vgl. zu diesem Aspekt BVerfG, NJW 2019, 3769 Rn. 8). In einer Entfernung von 20 und 30 km von der Therme der Beklagten befinden sich weitere Bäder und Saunen, welche der Klägerin zur Verfügung stünden, sodass eine Monopolisierung ausgeschlossen sei.
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