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Grundsätzlich gilt bei Kapitalgesellschaften das Trennungsprinzip: Für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet allein diese mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Das Trennungsprinzip kann allerdings durchbrochen werden mit der Folge, dass auch Gesellschafter und Geschäftsführer einer Haftung ausgesetzt sind. Die Gesellschafter oder Geschäftsführer müssen dann mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen. Das wird dann als Durchgriffshaftung bezeichnet.
Auf den ersten Blick scheint eine Haftung der Gesellschafter bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH ausgeschlossen zu sein, gleiches gilt für Geschäftsführer – insbesondere wenn diese Arbeitnehmer der Gesellschaft sind. Gemäß §13, Absatz 2 GmbH-Gesetz haftet den Gläubigern der GmbH nur das Gesellschaftsvermögen, das Gleiche gilt gemäß §1, Absatz 1 Satz 3 Aktiengesetz auch für die Aktiengesellschaft
Über eine mögliche Durchbrechung dieses Haftungsgrundsatzes musste im März das Bundesarbeitsgericht entscheiden. Der Kläger machte geltend, die Geschäftsführer einer GmbH müssten auch für den nach Mindeslohngesetz von der Gesellschaft geschuldeten Mindestlohn einstehen, wenn kein Lohn an den Mitarbeiter gezahlt wurde, §20 MiLoG sei insoweit ein Schutzgesetz im Sinne des §823, Absatz 2 BGB. Dem hatte in der Vorinstanz das Landesarbeitsgericht eine Absage erteilt. Zu Recht, wie das Bundesarbeitsgericht in der Revision feststellte (Urteil vom 30.03.2023 – 8 AZR 120/22).
Grundsätzlich muss man in diesem Zusammenhang zwei Fälle unterscheiden: einerseits die unechte, andererseits die echte Durchgriffshaftung.
Eine unechte Durchgriffshaftung liegt dann vor, wenn die Gesellschafter oder der Geschäftsführer mittels einer Bürgschaft oder einer Garantie für die Verbindlichkeiten einstehen. Diese Sicherheiten könnten auch natürliche Personen untereinander vereinbaren, es handelt sich also nicht um ein Problem des Gesellschaftsrechts. Der Haftungsanspruch richtet sich dann schon aufgrund des allgemeinen Schuldrechts gegen den Gesellschafter oder Geschäftsführer, die besondere Stellung spielt dabei keine Rolle. Deshalb findet in diesen Fällen das Trennungsprinzip keine Anwendung. Eine Haftungsprivilegierung aus dem Gesellschaftsrecht ist daher nicht anzuwenden.
Bei einer echten Durchgriffshaftung wurden dagegen keine persönlichen Sicherheiten durch die Gesellschafter oder Geschäftsführer gestellt. Der Gläubiger der Gesellschaft versucht aber, aufgrund eines Fehlverhaltens einen direkten Anspruch zu begründen. Diese Fälle müssen allerdings eng begrenzt werden, da sonst die Haftungsprivilegierung bei Kapitalgesellschaften leer laufen würde. Die Haftung bleibt daher bis auf besondere Fälle auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt.
Bei einer materiellen Unterkapitalisierung ist der Kapitalbedarf einer Gesellschaft weder durch Eigen- noch durch Fremdkapital gedeckt. Bei einer anfänglichen materiellen Unterkapitalisierung kann bei einer GmbH schon wegen der Existenz des Spezialfalls Unternehmergesellschaft keine Durchgriffshaftung begründet sein, die Unternehmergesellschaft ist bei geringem Eigenkapital schon wegen der Gründungskosten regelmäßig anfänglich unterkapitalisiert. Aber auch insgesamt lehnt der Bundesgerichtshof eine Durchgriffshaftung in dieser Fallkonstellation ab.
Lediglich die Fallgruppe der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne des §826 BGB, vom BGH als Existenzvernichtungshaftung bezeichnet, bleibt erhalten (Urteil vom 16.07.2007 – II ZR 3/04). Insolvenzauslösende oder insolvenzvertiefende kompensationslose Eingriffe können daher eine Haftung der Gesellschafter oder der Geschäftsführer auslösen. Der BGH hat allerdings klargestellt, dass es sich dabei gerade nicht um eine Durchgriffshaftung handelt, sondern um eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft. Es entsteht dann eine Verpflichtung, das Vermögen der Gesellschaft wieder aufzufüllen, so dass die Gläubiger anschließend auf ein erhöhtes Gesellschaftsvermögen zugreifen können.
Problematisch kann auch sein, wenn – insbesondere bei Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter – das Privatvermögen nicht hinreichend konkret vom Gesellschaftsvermögen getrennt wird. Dadurch kann es zu einer Vermischung von Gesellschafts- und Privatvermögen kommen. Führt diese Vermischung dazu, dass einzelne Vermögensgegenstände nicht mehr klar der Gesellschaft auf der einen oder einem Gesellschafter oder Geschäftsführer auf der anderen Seite zugeordnet werden können und ist diese Situation auf den Einfluss des Gesellschafters oder Geschäftsführers zurückzuführen, ist diese Unsicherheit zugunsten des Gläubigers der Gesellschaft aufzulösen. Das kann so weit gehen, dass das gesamte Vermögen des Gesellschafters oder des Geschäftsführers in das Haftungsregime der Gesellschaft aufzunehmen ist.
An die Vermögensvermischung sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen, ein bloßes Fehlen einer doppelten Buchführung reicht nach einem Urteil des BGH beispielsweise nicht aus (Urteil vom 14.11.2005 – II ZR 178/03). Der Gläubiger ist zwar grundsätzlich beweispflichtig, den betroffenen Gesellschafter oder Geschäftsführer trifft jedoch eine sekundäre Beweislast.
Schließlich bleibt noch die Möglichkeit, die im eingangs erwähnten Urteil zur Durchgriffshaftung beim MiLoG vom BGH offen gelassen wurde: ein besonderer vom Gesetzgeber vorgesehener Haftungsgrund. Dieser muss jedoch nach dem BGH eindeutig erkennen lassen, dass er das Trennungsprinzip durchbrechen und auch eine Verantwortlichkeit gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger begründen soll. Das lehnt der BGH zwar im Ergebnis bei §20 MiLoG ab, verschließt sich diesem Konstrukt allerdings nicht. Es verbleiben allerdings – auch mit Blick auf den Ausnahmecharakter einer Durchbrechung der Haftungsprivilegierung – hohe Hürden.
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