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Im November 2023 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen dem niederländisch-marokkanischen Fußballprofi Anwar El Ghazi und dem 1. FSV Mainz 05, bei dem er erst seit Ende September 2023 spielte.
El Ghazis propalästinensische Äußerung über den Nahost-Konflikt zwischen Israel und Palästina auf der Internetplattform Instagram sorgte für zahlreiche Diskussionen. Der Verein reagierte mit einer unmittelbaren Freistellung El Ghazis, gefolgt von einer fristlosen Kündigung. El Ghazi ging rechtlich gegen den Verein vor und erhob Kündigungsschutzklage – und gewann.
Nach der einvernehmlichen Auflösung seines Vertrags mit dem niederländischen Erstligisten PSV Eindhoven wechselte Fußballprofi Anwar El Ghazi Ende September 2023 zum deutschen Bundesligisten 1. FSV Mainz 05.
Der Nahost-Konflikt zwischen Israel und Palästina, der wiederholt zu Kriegen in der Region führte, spitzt sich seit dem 7. Oktober 2023 wieder zu. Am 15. Oktober 2023 machte El Ghazi auf diese Situation mit einem Beitrag auf der Internetplattform Instagram aufmerksam und positionierte sich auf Seiten Palästinas.
El Ghazis sogenannte Story, die im Normalfall 24 Stunden abrufbar ist und nach wenigen Minuten bereits wieder gelöscht wurde, enthielt Aussagen über den Angriff der Hamas auf Israel. Der Gaza-Krieg sei kein Krieg, da in diesem Konflikt keine Waffengleichheit herrsche. Weiterhin kritisierte er die durch Israel initiierte Unterbrechung der Wasser-, Strom- und Lebensmittelversorgung am Gazastreifen. Abschließend schrieb der Fußballprofi „From the River to the Sea, Palestine will be free”, was so viel bedeuten solle, wie, dass Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer ausgedehnt werden sollte. Während einige die letzte Aussage als Aufruf zur Auslöschung Israels deuten, interpretieren andere diese Aussage hingegen äußerst friedlich und sind der Ansicht, dass ein gleichwertiges Beisammensein zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer angestrebt werde – egal, ob Jude oder Moslem.
El Ghazis Story verärgert den Bundesligisten Mainz 05 und führt wenige Tage später zu einer Freistellung des Fußballprofis – zunächst bis auf Weiteres. Der Verein teilte die Freistellung El Ghazis auf Instagram und stieß auf heftige Kritik, die sogar zu einer vorübergehenden Sperrung des Vereinsprofils auf der Internetplattform führte. Ein Umstand, den der Verein finanziell einbüßt, da für diesen Zeitraum keine Werbung und andere Posts geteilt werden konnten.
Der Nahost-Konflikt und seine israelfeindlichen Posts wurden dem Fußballprofi zum Verhängnis. Kurze Zeit nach seiner Freistellung wurde El Ghazis fristlos durch den Vereinsvorstand gekündigt. Der Grund: Der Verein meldete, dass sich El Ghazi im Rahmen mehrerer Gespräche mit dem Vorstand von seiner bereits gelöschten Story distanziere und die Freistellung aufgehoben sei, er werde lediglich abgemahnt.
Diese Meldung verärgerte wiederum den Fußballprofi, der den Verein anschließend öffentlich der Lüge bezichtigte und einen Beitrag auf Instagram veröffentlichte, indem er schrieb, dass er hinter seinen Aussagen stehe. Der Verein reagierte mit einer fristlosen Kündigung und teilt dies am 3. November 2023 der Öffentlichkeit mit.
Soll ein Arbeitsverhältnis zweier Parteien beendet werden, bedarf dies im Normalfall einer Kündigung. Eine wirksame Kündigung unterliegt nach § 623 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Schriftform. Abhängig von der Art des Verhältnisses der Parteien, darf die ordentliche Kündigung gemäß §§ 622, 623 BGB unter Einhaltung der entsprechenden Kündigungsfristen erfolgen.
Für Ausnahmefälle hat der Gesetzgeber die fristlose Kündigung erschaffen. Demnach kann jede Vertragspartei das Dienstverhältnis gemäß § 623 Absatz 1 BGB ohne Einhaltung der Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unzumutbar machen, das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist oder der ursprünglich vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses fortzusetzen.
Die fristlose Kündigung will der Profisportler nicht auf sich sitzen lassen und erhebt durch seinen Rechtsanwalt fristgerecht eine Kündigungsschutzklage gegen den Verein. Er fordert die Auszahlung seines restlichen Gehalts, gemeinsam mit Sonderzahlungen und Weiterbeschäftigung. Der 1. FSV Mainz 05 hingegen entgegnet mit einer Widerklage wegen vermeintlicher Rufschädigung und fordert eine halbe Million Euro von dem Kicker, was auf eine Vertragsstrafe und die Teilrückzahlung eines Bonus zurückzuführen ist. Der Bundesligaverein teilt dem Fußballstar mit, die Widerklage zurückzunehmen, wenn dieser auf seine Forderungen verzichte – vergebens. Zu einem Vergleich, was die Parteien ursprünglich auch anstrebten, kam es auch nicht.
Das Arbeitsgericht Mainz teilte am 12. Juli 2024 in der Pressemitteilung, dass der Kündigungsschutzklage des Profikickers stattgegeben wurde und die Widerklage des Bundesligavereins abgewiesen worden ist. Das Gericht stellt fest, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist und nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Für den Sportverein bedeutet das: Die Zahlung der Gehälter, die vom Gericht bei einem vorigen erfolglosen Gütetermin im vergangenen Januar mit einem Monatsgehalt von 150.000€ festgestellt worden ist, und Sonderzahlungen El Ghazis sind rückwirkend in Höhe bis zu 1,7 Millionen Euro zu erbringen und der Fußballstar kickt mit Mainz-Trikot weiter bis Vertragsende, das ursprünglich bis Ende Juni diesen Jahres befristet war, durch den Klassenverbleib der Mainzer jedoch bis Ende Juni 2025 verlängert worden ist. El Ghazi selbst hat nach der Urteilsverkündung zwischenzeitlich seinen Vertrag beim FSV Mainz 05 fristlos gekündigt und beim walisischen Fußballverein Cardiff City unterschrieben.
Das Gericht begründet die Stattgabe der Kündigungsschutzklage mit § 626 Absatz 2 Satz 1 und 2 BGB. Wie oben bereits dargestellt, müssen für eine fristlose Kündigung Tatsachen vorliegen, die es Kündigenden unzumutbar machen, am Dienstverhältnis bis auf Weiteres festzuhalten. Erst bei einem solchen wichtigen Grund und unter Berücksichtigung des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien kann die Fortsetzung des Verhältnisses nicht zugemutet werden. Hierbei ist jedoch entscheidend, dass diese Tatsachen, die den wichtigen Grund darstellen, gemäß § 626 Absatz 2 Satz 1 und 2 BGB bei Zugang der Kündigung nicht bereits länger als zwei Wochen bekannt waren. Das bedeutet für die Betroffenen, dass lediglich all jene Tatsachen, die höchstens zwei Wochen vor der Kündigung liegen, als ein Fehlverhalten gedeutet werden und zu einer fristlosen Kündigung führen können.
Der Vereinsvorstand jedoch begründete die fristlose Kündigung mit der Story von El Ghazi vom 15. Oktober 2023 und seinem Post am 1. November 2023, mit dem der Kicker auf die Presseerklärung des Vereins vom 30. Oktober 2023 reagierte, El Ghazi habe sich von seinen propalästinensischen Äußerungen distanziert und die Freistellung werde durch eine Abmahnung ersetzt.
Dies führte nun dazu, dass die Story des Profifußballers, die den Stein ins Rollen gebracht hat, nicht als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung in Betracht gezogen werden kann, sondern lediglich der Post vom 1. November 2023, infolgedessen El Ghazi gekündigt wurde. Dieser Post jedoch ist nach Ansicht des Gerichts kein ausreichend wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung, da der Inhalt des Posts aus Sicht eines unvoreingenommenen Publikums zu würdigen sei und in diesem Rahmen von der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt ist.
Der Rechtsanwalt des Vereins teilte nach der Urteilsverkündung mit, die gerichtliche Niederlage nicht zu akzeptieren und gegen das Urteil in Berufung zu gehen, um die Urteilsbegründung prüfen zu lassen, sobald die Urteilsbegründung vorliegt. Insbesondere sei fraglich, warum El Ghazis Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Der Verein betrachte die Aussagen des Kickers als menschenverachtend. Außerdem teilte der Anwalt mit, dass die Argumentation des Gerichts zur Frist und dem Gesamtzusammenhang, der nicht berücksichtigt worden sei, nicht nachvollziehbar sei.
Das Urteil des Arbeitsgerichts zur Kündigungsschutzklage des niederländisch-marokkanischen Fußballprofis Anwar El Ghazi wirkt sich auf die Thematik der fristlosen Kündigung aus.
Eine rechtliche Überprüfung von Kündigungen, aber auch Aufhebungsverträgen ist maßgeblich für eine fehlerfreien Ablauf. Als Kanzlei mit Fachanwälten im Arbeitsrecht stehen wir Ihnen auf diesem Gebiet mit unserer langjährigen und umfangreichen Expertise zur Seite und beraten sie in allen arbeitsrechtlichen Belangen. Für eine ausführliche Beratung können Sie uns jederzeit kontaktieren.