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Wenn es darum geht, Urlaub zu buchen, landet man schnell auf booking.com – einer Hotelbuchungsplattform. Dort kann man sich alle möglichen Hotels anschauen, vergleichen und auch direkt buchen. Dabei hatte booking.com in seinen Verträgen mit den Hotels allerdings sogenannte „enge Bestpreisklauseln“ vorgesehen. Nach Feststellung des Bundeskartellamts und einem gegenteiligen Urteil vom OLG Düsseldorf hat nun der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) beschlossen: Solch eine enge Bestpreisklausel ist unzulässig und verstößt gegen das Kartellrecht. Denn das verbietet alle Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb im Binnenmarkt verhindern, einschränken oder verfälschen. Mögliche Ausnahmen von diesem Verbot treffen im Falle der booking.com-Klauseln nicht zu (Kartellsenat des BGH, Beschluss vom 18. Mai 2021 – KVR 54/2, Nr. 099/2021).
Über das Portal booking.com werden Hotels vermittelt. Kunden können direkt über die Webseite buchen – und booking.com erhält dafür dann eine Provision von dem jeweiligen Hotel. Ab Juli 2015 stand in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Portals eine „enge Bestpreisklausel“. Demnach durften sie ihre Zimmer nur „offline“ oder auf anderen Buchungsportalen günstiger anbieten als auf booking.com – und das auch nur, solange sie online keine Werbung dafür machen. Auf ihrer eigenen Webseite aber durften die Hotels keine besseren Konditionen anbieten.
Im Dezember 2015 stellte das Bundeskartellamt fest: Die enge Bestpreisklausel von booking.com ist kartellrechtswidrig. Sie durfte ab Februar 2016 also nicht mehr verwendet werden.
Dagegen legte das Portal Beschwerde ein – und das erfolgreich. 2019 hob das OLG Düsseldorf die Verfügung des Bundeskartellamts auf (Beschluss vom 04. Juni 2019; VI-Kart 2/16 (V), WuW 2019, 386). Die Richter argumentierten, dass die enge Bestpreisklausel zwar den Wettbewerb beeinträchtigen würden, aber trotzdem nicht kartellrechtswidrig seien. Der Artikel 101, Absatz 1 (AEUV) greife hier nicht. Denn: Die streitgegenständliche Klausel gelte als „notwendige Nebenabrede“ für die Vermittlungsverträge mit den Hotelunternehmen.
Das Bundeskartellamt hielt wiederum dagegen an. Es wollte sein Verbot der Klausel von 2015 wiederherstellen, nachdem das OLG Düsseldorf es ja aufgehoben hatte…
Der Kartellsenat hat die Entscheidung aus Düsseldorf wiederum aufgehoben. Wie 2015 schon vom Kartellamt festgestellt, dürfe booking.com tatsächlich nicht seine enge Bestpreisklausel anwenden. Wenn die betroffenen Hotels auf ihrer eigenen Weiseiten keine günstigeren Zimmer und besseren Bedingungen als auf booking.com anbieten dürfen, beschränke das nämlich den Wettbewerb. Vor allem weil die Hotels bei ihrer eigenen Webseite ja die Vermittlungsprovision einsparen, die sie sonst booking.com zahlen müssen. Denn durch die Bestpreisklausel können sie diese eingesparte Provision nämlich gar nicht als Preissenkung an ihre Kunden weitergeben und damit werben.
Absatz 1
Was den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Binnenmarkt verhindert, einschränkt oder verfälscht, ist verboten. Dazu gehören entsprechende Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und Verhaltensweisen, die aufeinander abgestimmt wurden. Im Konkreten Folgendes:
Absatz 3
Es gibt drei Ausnahmen für das Verbot, den Handel bzw. den Wettbewerb in der EU zu beeinträchtigen. D.h. Artikel 101, Absatz 1 gilt nicht bei:
Artikel 2 (Vertikal-GVO): Freistellung
Artikel 101, Absatz 1 (AEUV) gilt nicht für vertikale Vereinbarungen (d.h. Vereinbarungen zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Stufen der Vertriebskette).
Artikel 3, Absatz 1 (Vertikal-GVO): Marktanteilsschwelle
Die Freistellung nach Absatz 1 gilt nur, wenn der Anbieter am relevanten Markt nicht mehr als 30 Prozent der Anteile besitzt.
Das Düsseldorfer Beschwerdegericht hatte gemeint, der Artikel 101, Absatz 1 (AEUV) gelte im vorliegenden Fall nicht. Die enge Bestpreisklausel sei nämlich als Nebenabrede zu einem kartellrechtsneutralen Austauschvertrag notwendig – um einen fairen und ausgewogenen Leistungsaustausch zwischen booking.com und den Hotels (also zwischen dem Portalbetreiber und dem Abnehmer der Vermittlungsdienstleistung) zu gewährleisten. Außerdem würde die Klausel den Wettbewerb fördern. So werde z.B. das „Trittbrettfahrerproblem“ gelöst – also das Problem, dass Gäste sich auf booking.com informieren, um dann aber beim Hotel direkt zu buchen. Zudem sorge die Klausel dafür, dass die Plattformleistung angemessen vergütet werde und dass die Verbraucher mehr Transparenz hätten.
Aber der BGH sieht das anders: „Ein solches Verständnis ist unvereinbar mit der Systematik des Art. 101 AEUV.“. Ja, es gebe zwar das Trittbrettfahrerproblem. Aber soll man dieses Problem wirklich lösen, wenn man dadurch nur weitere, größere Probleme verursacht? Man müsse die wettbewerbsfördernden Aspekte der Bestpreisklausel also gegen ihre wettbewerbsbeschränkenden Aspekte abwiegen. Dafür müsse man prüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen vorliegen, nach denen das Kartellverbot (Artikel 101, Absatz 1 (AEUV)) aufgehoben werden kann. Siehe dafür: Artikel 101, Absatz 3 (AEUV)….
Die enge Bestpreisklausel wäre nur dann als Nebenabrede erlaubt (und also vom Verbot im Artikel 101, Absatz 1 befreit), wenn sie objektiv notwendig ist – nämlich um den Vertrag zwischen Hotel und booking.com überhaupt durchzuführen. Doch das sei hier nicht der Fall. Denn: Vertragszweck ist die Online-Vermittlung von Hotelzimmern. Und das gehe auch ohne enge Bestpreisklausel. Sie sei also nicht „unerlässlich“. Und sie trage vor allem auch nicht dazu bei, dass die Warenerzeugung/-verteilung verbessert oder der technische/wirtschaftliche Fortschritt gefördert wird. Zwar sei eine Hotelbuchungsplattform wie booking.com viel effizienter für Verbraucher und Hotels, weil man über das Portal komfortabel Hotels suchen, vergleichen und buchen kann. Aber: Da habe ja die enge Bestpreisklausel nichts mit zu tun.
Und das vom OLG Düsseldorf angeführte Trittbrettfahrerproblem sei nach Ansicht des BGH nicht so stark, als dass booking.com dadurch maßgeblich ineffizienter werden würde. Anders gesehen behindere die enge Bestpreisklausel eher den Onlinevertrieb des Hotels außerhalb von booking.com – viel mehr, als dass ein Verbot der Bestpreisklausel der Plattform schaden würde. Deswegen gilt hier keine Einzelfreistellung vom Artikel 101, Absatz 1 (AEUV)
Da der Marktanteil von booking.com zudem mehr als 30 Prozent beträgt, kann die Plattform auch nicht gemäß Artikel 3, Absatz 1 (Vertikal-GVO) vom Vereinbarungsverbot aus Artikel 101, Absatz 1 (AEUV) ausgenommen werden. Das Bundeskartellamt hat ermittelt, dass booking.com seine Marktstellung in Deutschland zuletzt sogar weiter stärken konnte – und das trotz Verbots der engen Bestpreisklausel (durch das Kartellamt 2015).
Quelle: BGH-Pressemitteilung vom 18.05.2021
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