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EuGH äußert sich zur Herstellergarantie im Online-Handel


Wann muss ein Online-Händler Informationen zur Herstellergarantie bereitstellen?

Unternehmer müssen im Online-Handel für Ihren Online-Shop eine ganze Reihe von Informationspflichten erfüllen. Diese Pflichten sind ohnehin schon mit einem gewissen Aufwand verbunden. Kompliziert wird es, wenn man als Unternehmer fremde Waren anbietet, ohne sie selbst hergestellt zu haben. Die Einzelheiten darüber, unter welchen Umständen man im Online-Handel für die Aussagen des Herstellers haftet, führten in der Vergangenheit immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte sich im Zuge eines Vorlageverfahrens zu diesem Problemfall und beleuchtete die Frage, wann und in welchem Umfang Informationspflichten zur Herstellergarantie von Online-Händlern erfüllt werden müssen.


Rechtsstreit zwischen einem Unternehmer und einem Konkurrentenherstellergarantie,online-handel,messer

Zwischen zwei Wettbewerbern hat sich ein Rechtsstreit über genau diese Frage entwickelt. Die Beklagte bot auf Amazon ein Taschenmesser des Herstellers Victorinox an. Auf der Amazon-Angebotsseite selbst waren keine direkten Angaben zu etwaigen Garantiebestimmungen durch den Händler aufgeführt. Über die Verlinkung „Weitere technische Informationen“ wurde der Nutzer allerdings auf ein vom Hersteller formuliertes Informationsblatt weitergeleitet, welches auf den Servern von Amazon gespeichert war. Die zweiseitige Betriebsanleitung des Herstellers enthielt unter anderem folgende Formulierung:

„Die Victorinox-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“

Die Klägerin hat in dem Rechtsstreit die Auffassung vertreten, der Händler habe nicht ausreichend auf die Garantie hingewiesen. Entsprechend dieser Auffassung stützt sich die Klage auf einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch aus dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG). Sollte der Händler tatsächlich seine Informationspflichten verletzt haben, indem er nicht explizit auf die Garantie hingewiesen hat, könnte dies einen wettbewerbsrechtlichen Vorteil gegenüber den Konkurrenten darstellen, die ihren Informationspflichten nachkommen.


Rechtliche Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene

Die Grundlage der Informationspflicht bezüglich einer bestehenden Garantie ergibt sich im Online-Handel aus dem § 312d Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit dem Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Danach ist ein Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über das Bestehen und die Bedingungen einer Garantie zu informieren. Dieser Hinweis muss in klarer und verständlicher Weise erfolgen. Sollten die Informationen nur versteckt über verschiedene Verlinkungen auffindbar sein, kann dies bereits einen Verstoß gegen die Informationspflicht begründen. Keine Probleme bereitet der Fall, in dem ein Hersteller eigenständig einen Online-Shop betreibt und dort seine Waren anbietet. In diesem Fall muss er, sofern er eine Garantie anbietet, über diese auch informieren.

Für Unternehmer, die nicht gleichzeitig auch Hersteller sind, bedeutet die Übernahme einer Garantie zusätzlichen Aufwand. Schließlich würde sich ein Kunde im Fall der Fälle an den Online-Händler wenden und dieser müsste sich um die Abwicklung der Garantie kümmern. Nicht jeder Händler ist allerdings dazu bereit, für die Garantie des Herstellers einzustehen. Aber reicht allein das Bestehen einer Herstellergarantie, beispielsweise in Werbeaussagen des Herstellers oder ähnlichem, für eine ausgeweitete Haftung des Händlers aus, wenn dieser gar nicht für eine solche Garantie einstehen will? Nationale Gerichte waren sich zu den Einzelheiten zu dieser Frage bislang auch nicht einig. Das Landgericht Hannover sah in seinem Urteil vom 23.09.2019 (Az. 18 O 33/19) keine Informationspflicht für Händler, während das Landgericht Bochum diese in seinem Urteil vom 27.11.2019 (I-15 O 122/19) bejahte. Im Fokus dieser Streitigkeiten steht immer die Abwägung zwischen den Rechten des Unternehmers bzw. Händlers und den Rechten des Verbrauchers.



Was sagt der EuGH zur Herstellergarantie?

Eine pauschale Antwort hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 5.5.2022 (C-179/21) auch nicht parat. Die Pflicht der Unternehmer, über Herstellergarantien zu informieren, ist für diese mit einem hohen Eingriff in deren Rechte verbunden. Nicht nur müssen Händler zu jeder Ware, die sie von anderen Herstellern anbieten, Informationen über die Bedingungen der Garantie bereitstellen. Sie müssen diese Informationen auch stets aktualisieren, was einen erheblichen Aufwand nach sich ziehen kann. Eine pauschale Pflicht im Falle des Bestehens einer Herstellergarantie den Händler ebenfalls in die Informationspflicht mit einzubinden, bestehe also nicht. Insbesondere spielt hierbei die Tatsache, dass es zwischen den Händlern und den potenziellen Kunden unter Umständen zu gar keinem Vertragsschluss kommt, eine wichtige Rolle. Die Informationen müssen dem Kunden zugetragen werden, bevor dieser seiner Kaufentscheidung trifft. Der Unternehmer darf also nicht zu sehr belastet werden, um seine Wettbewerbsfähigkeit sichern zu können.

Die Informationspflicht besteht in dem Fall, in dem der Verbraucher ein berechtigtes Interesse am Erhalt der Information hat. Obwohl diese Formulierung konturenlos ist, gibt der EuGH für die Ermittlung des berechtigten Interesses noch einige Kriterien mit. Allein der Umstand, dass der Hersteller eine Garantie anbietet, bedeutet noch nicht, dass der Händler hierüber informieren muss. Macht der Händler die gewerbliche Garantie des Herstellers zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots, insbesondere wenn er darauf ein Verkaufs- oder Werbeargument herleitet, muss er auch über die Herstellergarantie informieren.

Letztlich muss wie so oft anhand des Einzelfalls ermittelt werden, ob der Händler in erheblicher Weise auf die Herstellergarantie verweist und sich diese zu eigen macht oder ob diese überhaupt nicht in seinem Angebot auftaucht und für den Käufer damit nur eine untergeordnete Rolle spielt. Nachdem der EuGH nun die Vorlagefragen des BGH beantwortet hat, geht die Angelegenheit zurück an den BGH, der anhand der Einschätzungen des EuGH den vorliegenden Fall entscheiden muss.


Was sollten Unternehmer bezüglich der Herstellergarantie beachten?

Die Entscheidung des EuGH führt bei Unternehmern im E-Commerce-Bereich vermutlich nicht zum großen Aufatmen. Zwar besteht keine pauschale Informationspflicht für Herstellergarantien. Allerdings ist der Anwendungsbereich, in dem man als Online-Händler nicht über eben diese informieren muss, denkbar gering. Meist ist die Garantie eben doch ein starkes Verkaufsargument, was für Verbraucher von zentraler Bedeutung sein wird. Man muss also größte Vorsicht darüber walten lassen, wie die Angebotsseiten von Waren ausgestaltet werden. Man kann sich nicht einfach in Sicherheit wiegen und darauf vertrauen, dass man keiner Informationspflicht unterfällt. Und das bedeutet letztlich, dass man doch einen erheblichen Rechercheaufwand betreiben muss, um sich vollumfänglich abzusichern. Die Entscheidung des BGH muss zwar noch erfolgen, allerdings hat der EuGH bereits eine Richtung vorgegeben, die dem Verbraucherschutz im Wesentlichen vorzieht.


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