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EuGH-Generalanwalt: Weniger ist manchmal mehr


Der EuGH entscheidet erneut in einem Kopftuchverfahren

Der EuGH wird es entscheiden. Nach mehreren Gerichtsentscheidungen hat man sich dort nun mit der Frage beschäftigt, ob Arbeitnehmern vom Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuchs aufgrund des muslimischen Glaubens verboten werden kann. Bereits 2017 hatte der EuGH zu der Problematik geurteilt (Az. C-157/15; Az.C-188/15, NZA 2017, 37).  Damals hieß es, dass ein Kopftuchverbot gegenüber dem Arbeitnehmer möglich sei, wenn dieser mit dem Tragen die eigene Religion, politische Stellung oder Weltanschauung ausdrücken möchte. Nun gilt es abzuwarten, ob der Gerichtshof von seinem damaligen Urteil abweichen wird. Der EuGH-Generalanwalt Rantos hat sich in seinen Schlussanträgen dahingehen positioniert, dass Unternehmen durchaus das Tragen eines auffälligen religiösen Symbols, wie einem Kopftuch, im Betrieb untersagen dürfen. Handle es sich hingegen nur um ein kleines unauffälliges Zeichen, so sei das Tragen - solange es mit der nationalen Religionsfreiheit vereinbart sei - gestattet.

Der Anstoß zu dieser Grundsatzentscheidung bilden zwei Fälle, die vor den Arbeitsgerichten in  Deutschland entschieden und von dort aus an den EuGH weitergeleitet wurden.


Ausgangsfälle vor den Arbeitsgerichten

Im ersten Ausgangsfall (Az.C-804/18) wurden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in einer politisch und religiös neutralen Kindertagesstätte durch eine Dienstanweisung dazu verpflichtet das Neutralitätsprinzip einzuhalten. Das hieß im Klartext, vom Tragen jeglicher weltanschaulicher, religiöser und politischer Zeichen abzusehen. Hiervon war das muslimische Kopftuch, aber auch das christliche Kreuz oder die jüdische Kippa miteingeschlossen. Eine muslimische Mitarbeiterin, die trotzdem mit einem Kopftuch zur Arbeit erschienen war, wurde daraufhin mehrfach abgemahnt. Letztendlich wurde sie sogar freigestellt. Gegen die Abmahnungen erhob sie Klage vor dem Arbeitsgericht, welches das Verfahren aussetzte und den EuGH um Vorabentscheidung ersuchte, inwieweit betriebliche Neutralitätsprinzipien vom Unionsrecht gestattet seien.

Im zweiten Ausgangsfall (Az.  C-341/19) trug eine muslimische Mitarbeiterin einer Drogeriekette nach ihrer Wiederkehr aus der Elternzeit ein Kopftuch. Sie weigerte sich der Anweisung ihres Arbeitgebers  - ohne politische, religiöse oder weltanschauliche Symbole zur Arbeit zu erscheinen - nachzukommen. Gegen die Weisung erhob die Mitarbeiterin Klage. Das Arbeitsgericht Nürnberg und Landesarbeitsgericht Nürnberg bestätigten die Klägerin in ihrer Annahme, dass das Kopftuchverbot eine religiöse Diskriminierung darstelle. Das Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht wurde ausgesetzt und der Sachverhalt dem EuGH vorgelegt.

Schlusssätze des Generalanwalts

Von beiden Gerichten stammt die Fragestellung, inwiefern die Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf mit betrieblichen Vorschriften zu vereinbaren sei.

Der Generalanwalt Ranos beruft sich in seinen Schlussanträgen auf die in der Richtlinie definierte Gleichbehandlung, die besagt, dass unmittelbare oder mittelbare religiöse Diskriminierung nicht existieren dürfe. Des Weiteren nimmt er Bezug auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH (Az. C-157/15). Nach der das aus einer internen Regel stammende Verbot am Arbeitsplatz keine religiösen, politischen und weltanschaulichen Zeichen zu Tragen  nicht als unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung oder religiösen Überzeugung verstanden werden könne.

Weiterhin prüft der Generalanwalt, ob interne Regeln aufgrund des Neutralitätsprinzips des Unternehmens die Untersagung des Tragens von Zeichen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Natur bei der Arbeit mit dem Unionsrecht zu vereinbaren seien.

Der EuGH beschäftigte sich in seinem damaligen Urteil (Az. C-157/15) damit, wie man das Tragen religiöser Zeichen aufgrund seines Glaubens handzuhaben habe: Das Neutralitätsprinzip des Unternehmens könne durch das Verbot solcher Zeichen durchgesetzt werden, solange dieses Prinzip im Unternehmen auch wirklich durchgehend und überall präsent sei.

Das kleineZeichen

Der EuGH urteilte jedoch bisher nicht über das Verbot großflächige auffällige Zeichen zu tragen. Daher schlussfolgerte der Generalanwalt, ob man zunächst klarstellen sollte, inwiefern das Tragen kleiner sichtbarer Zeichen der Angemessenheit entspräche. Seiner Ansicht nach, ist das Tragen dieser schlichten und unauffälligen Zeichen keineswegs mit dem Neutralitätsprinzip des Unternehmens unvereinbar.

Wann man von einem kleinenZeichen spreche, sollte nicht vorab vom Gericht entschieden werden. Schließlich sei nämlich der Zusammenhang entscheidend, wann dieses Zeichen getragen werde. Beim muslimischen Kopftuch handle es sich jedoch eindeutig nicht um ein kleines Zeichen religiöser Natur. Das nationale Gericht müsse also stets den Einzelfall überprüfen.

Weiter heißt es im Schlussantrag vom Generalanwalt, wenn bereits das Verbot des Tragens von allen sichtbaren Zeichen zulässig sei, so könne der Arbeitgeber auch aufgrund seiner unternehmerischen Freiheit das Tragen großer auffälliger Zeichen verbieten.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass eine Vorschrift des Unternehmens, die das Tragen solcher Zeichen untersagt, als gerechtfertigt anzusehen sei. Vom Unternehmen muss diese Verbotspolitik dabei aber durchweg angewendet werden. Es sei die Aufgabe der nationalen Gerichte dies zu prüfen.

Die Rolle der Mitgliedstaaten

Der Generalanwalt äußerte sich zudem darüber, ob von den Mitgliedstaaten die eigenen nationalen Vorschriften, die bestehen, um die Religionsfreiheit vor Eingriffen zu schützen, bei der Prüfung einer unternehmerischen Weisung auf der Grundlage interner Regeln heranzuziehen seien.

Nach dem deutschen Verfassungsrecht kann ein Unternehmen nur dann eine religiös neutrale Schiene fahren, wenn es andernfalls wirtschaftlich nachteilig für das Unternehmen wäre.

Die verschiedenen Grundgedanken in den Mitgliedstaaten bezüglich des Schutzes der Religionsfreiheit müssten Berücksichtigung finden. Gerade die deutschen innerstaatlichen Vorschriften stehen jedoch nicht mit der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf im Widerspruch. Man spreche sich nämlich nicht gegen das politisch, religiöse und weltanschauliche Neutralitätsprinzip des Unternehmens aus, sondern fordere nur den Zusatz des drohenden wirtschaftlichen Nachteils, um solch ein Prinzip zuzulassen.

Damit befürwortet der Generalanwalt die Anwendung nationaler Vorschriften zum Schutz der Religionsfreiheit, wenn es um die Überprüfung der Vereinbarkeit einer internen unternehmerischen Regel, die das Tragen religiöser, weltanschaulicher und politischer Zeichen bei der Arbeit verbietet, mit nationalen Vorschriften zum Schutz der Religionsfreiheit gehe.

Dabei dürfen die nationalen Vorschriften aber auch nicht das Prinzip der Antidiskriminierungs Richtlinie 2000/78/EG (Art. 1) missachten. Dies ist von Seiten der nationalen Gerichte zu überprüfen.


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