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| Datenschutzrecht

Keine Erheblichkeitsschwelle für Schadensersatzanspruch


Uneinigkeit bei den europäischen Gerichten über die Forderung einer Erheblichkeitsschwelle

Europäische Gerichte diskutieren seit dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018, welche Voraussetzungen die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden nach der Datenschutzgrundverordnung bestimmen. In der Vergangenheit legten die Gerichte in ihren Entscheidungen fest, dass der betroffenen Person ein erheblicher Nachteil entstanden sein müsse, um einen ersatzfähigen Schaden anzunehmen. Ein gefühltes Unbehagen reichte nicht aus. 

Zuletzt hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Grundsatzurteil vom 04.05.2023 festgesetzt, unter welchen Voraussetzungen ein Schadensersatzanspruch bei einem DSGVO Verstoß greifen. Dabei ließ er es offen, ob eine Erheblichkeitsschwelle für die Ersatzfähigkeit eines immateriellen Schadens notwendig sei. 

Nun schob der EuGH der bisherigen Forderung nach einer erheblichen Beeinträchtigung endgültig seinen unionsrechtlichen Riegel vor. So entschied der EuGH am 14.12.2023 (Az.:C-456/22), dass eine  Erheblichkeitsschwelle für die Stattgabe eines immateriellen Schadesersatzanspruchs mit dem Unionsrecht unvereinbar sei. Es reiche für die Annahme eines Schadens, der aus einer Datenschutzverletzung resultiert, aus, dass ein Nachteil von dem Betroffenen nachgewiesen werden könne. 


Das LG legte dem EuGH die Rechtsfrage nach der Erheblichkeitsschwelle vor

Die Gemeinde Ummersdorf hatte in dem vorliegenden Fall keine Einwilligungen von den Betroffenen eingeholt als sie auf ihrer Internetseite die Tagesordnung  einer Gemeinderatsitzung und eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10.03.2020 publizierte, wo unterschiedliche Klarnamen wiederholt offengelegt wurden. Sämtliche Unterlagen konnte man bis zum 22.06.2020 auf der Website der Gemeinde aufrufen. 

Die Betroffenen sahen in der Ausschreibung ihrer Namen einen Verstoß gegen die DSGVO. Zudem waren sie der Meinung, dass die Gemeinde vorsätzlich gehandelt habe, da andere Namen vor der Veröffentlichung geschwärzt worden waren. Eine unzulässige Offenlegung personenbezogener Daten natürlicher Personen stelle einen Schaden dar, weshalb sie die Gemeinde auf Ersatz eines voraussichtlich entstanden körperlichen Schadens gemäß Artikel 82 Absatz 1 DSGVO in Anspruch nehmen.

Die Gemeinde tat die Sicht der Betroffenen als bloße subjektive Befürchtungen über einen Datenkontrollverlust ab, die nicht ersatzfähig seien. Es müsste hingegen eine objektiv nachvollziehbare Verletzung persönlichkeitsbezogener Belange vorliegen, die zu einem erheblichen Nachtteil geführt haben.

Das Landgericht Ravensburg (LG) beschäftigte sich in zweiter Instanz mit der Rechtssache. Zwar bestätigte das LG eine Datenschutzverletzung gegen Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO durch die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten der Kläger im Internet, allerdings zweifelte es an, ob hierdurch tatsächlich ein immaterieller Schaden vorliege, der einen Schmerzensgeldanspruch gemäß Artikel 82 Absatz 1 DSGVO rechtfertige. Daher beschäftigte sich das LG diesbezüglich mit der Fragestellung, ob ein Erheblichkeitsschwelle hätte überschritten werden müssen, um einen Schaden als ersatzfähig zu qualifizieren. Das LG kam zu dem Beschluss, das Verfahren zunächst auszusetzen und legte die Rechtsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

EuGH: Eine Erheblichkeitsschwelle widerspricht Unionsrecht

Der EuGH entschied, dass es bei einer Datenschutzverletzung nicht von einer gewissen Erheblichkeit abhängen könne, ob ein immaterieller Schaden ersatzfähig sei. Die Voraussetzung einer sogenannten Erheblichkeitsschwelle sei in der DSGVO nicht auffindbar. So lege der Erwägungsgrund 146 den Schadensbegriff sogar weit aus, was ebenfalls gegen eine Erheblichkeitsschwelle spreche. Den natürlichen Personen solle nämlich innerhalb der Union ein hohes und gleichmäßiges Schutzniveau bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten zugesichert werden.

Des Weiteren könnte eine Spürbarkeitsschwelle bei der Schadensermittlung zu einer Behinderung des Unionsrechts und zu einer Untergrabung des Schutzniveaus bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten führen.

Zwar stünde den nationalen Gerichte bei der Schadenermittlung dann ein umfassenderer Beurteilungsspielraum zu, jedoch habe diese Art der Auslegung keinen Einfluss auf die Beweispflicht für das Bestehen eines Schadens. Nach der Beweispflicht müssen Betroffene, die einen Schadensersatzanspruch geltend machen, nachweisen können, dass sie einen Schaden erlitten haben. Bei der Annahme eines ersatzfähigen immateriellen Schadens ist es irrelevant, wie geringfügig er ist.


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