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Der EuGH hat entschieden, dass es sich bei einer App, die Taxifahrer mit Taxikunden in Kontakt bringt nicht zwingend um eine Dienstleistung handelt, die einer Genehmigungspflicht unterliegt.
Wenn wir entscheiden, dass wir gerne unser eigenes Business starten wollen, heißt es neben zahlreichen anderen organisatorischen Herausforderungen auch zu entscheiden, wie rechtlich damit umzugehen ist. Braucht man eine Zulassung? Muss man sich für seine Arbeit eine Genehmigung geben lassen? Und, und, und. Und manchmal ist es gar nicht so leicht in den ganzen Auflagen den Durchblick zu behalten, weil manchmal eine Zuordnung der Tätigkeit zu einer gewissen Kategorie nicht so einfach möglich ist. Und genau in so einem Fall hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Entscheidung treffen müssen.
Eine Gesellschaft mit Sitz in Rumänien, genauer in Bukarest hat sich entschieden folgende Dienstleitung anzubieten: Es wurde eine Smartphone-Applikation, mit dem Namen Star Taxi App, entwickelt, die auf der einen Seite den Taxikundenund auf der anderen Seite den Taxifahrer miteinander vernetzen soll. Der Taxikunde kann sich auf die Suche nach einem freien Taxifahrer begeben, mittels dieser Applikation wird ihm eine Liste aller freien Taxifahrer in der Umgebung aufgezeigt. Welchen Taxifahrer der Kunde dann zu sich ruft, obliegt ganz alleine seinen Vorlieben und seiner Entscheidung. Innerhalb der App wird nicht festgelegt wer welchen Auftrag kriegt und zu welchem Preis eine Taxifahrtstattfindet.
Am 19.12.2017 erließ der Consiliul General al Municipiului București (Rat der Stadt Bukarest) den Beschluss Nr. 626/2017. Dieser Beschluss erlegt den Betreibern von sog. Dispatching-Tätigkeit auf eine Zulassung einzuholen. Diese Pflicht wurde auf Betreiber von IT-Anwendungen wie Star Taxi App ausgeweitet. Schon kurze Zeit später wurde der Star Taxi App ein Bußgeld in Höhe von 4.500 rumänische Lei, was eine Betrag von ca. 929 Euro entspricht, auferlegt. Die App-Betreiben hätten gegen die vorher genannte Regelung verstoßen.
Taxi Star App war der Ansicht, dass ihre Tätigkeit einen Dienst der Informationsgesellschaft darstelle und somit die Richtlinien für den elektronischen Geschäftsverkehr (ABI. 2000, L 178, 1) vorgesehene Grundsatz der Zulassungsfreiheit anzuwenden sei. Die Betreiber erhoben vor dem Tribunalul București (Landgericht Bukarest) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 626/2017.
Im Laufe des Verfahrens entschied das Tribunalul București die Ansicht des EuGH zu dieser Frage anzuhören. Für das Landgericht Bukarest war demnach nicht klar ersichtlich, ob die Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Anwendung unmittelbar miteinander in Kontakt zu bringen, einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellen würde. Weiter bat das Landgericht Bukarest darum, dass der EuGH, sollte er die vorangegangene Frage bejahen, weiter darlegt, ob in seinen Augen eine Regelung, wie es der Beschluss Nr. 626/2017 ist, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Das Landgericht Bukarest sieht so vor allen Dingen bei Art. 1 und 5 der Richtlinie (EU) 2015/1535 (ABl. 2015, L 241, 1), die Art. 3 und 4 der Richtlinie 2000/31, die Art. 9, 10 und 16 der Richtlinie 2006/123/EG (ABl. 2006, L 376, 36) sowie Art. 56 AEUV Problempotential.
Der EuGH hat sich nun dafür ausgesprochen, dass es sich bei der von Star Taxi App angebotenen Dienstleistung um einen Dienst der Informationsgesellschaft handeln würde. Konkret stände die ausgeübte Tätigkeit im Einklang mit der Definition in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, da diese Dienstleistung gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht wird.
Weiter sei die Tatsache, dass ein solcher Dienst an die Person, die eine innerstädtische Fahrt unternehme oder unternehmen möchte, unentgeltlich erbracht werde, insoweit unbeachtlich, sofern der Dienst – wie hier – Anlass dafür sei, dass sein Anbieter mit jedem zugelassenen Taxifahrer einen Dienstleistungsvertrag schließe, in dessen Rahmen der Fahrer einen festen monatlichen Betrag zahle.
Dennoch sei festzuhalten, dass eine Dienstleistung nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 19.12.2019 - C-390/18 "Airbnb Ireland" und Urt. v. 20.12.2017 C-434/15, Rn. 38 bis 44 "Asociación Profesional Elite Taxi") unter gewissen Umständen nicht dem Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ zuzuordnen sei, obwohl sie die in der Definition enthaltenen Merkmale aufweise. Die sei ganz besonders dann der Fall, wenn ein Vermittlungsdienst offensichtlich integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung sei, die hauptsächlich aus einer rechtlich anders einzustufenden Dienstleistungbestehe. Entsprechend sei, laut dem EuGH festzustellen, dass die von Star Taxi App angebotene Dienstleistung auf dem bereits bestehenden und organisierten Taxiverkehrsdienst aufbaut. Zudem wähle der Dienstleister die Taxifahrer nicht aus und lege den Fahrpreis weder fest, noch erhebe er ihn; er kontrolliere auch weder die Qualität der Fahrzeuge und ihrer Fahrer noch das Verhalten der Fahrer. Diese Dienstleistung kann also nicht als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung angesehen werden, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung besteht.
Bezüglich der zweiten Frage äußert sich der EuGH wie folgt: Der EuGH hat zunächst im ersten Schritt untersucht, ob es sich bei dem Beschluss um eine technische Vorschrift handele. Entsprechend der Informationsverfahrensrichtlinie 2015/1535 ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet der Kommission jeden Entwurf einer „technischen Vorschrift“ unverzüglich zu übermittelten.
Grundsätzlich gilt: Eine nationale Regelung, die einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ berühre, wird als „technische Vorschrift“ eingestuft, wenn sie speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abziele und u.a. für die Erbringung des betreffenden Dienstes oder seine Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist. Im vorliegenden Fall nimmt die rumänische Regelung in keiner Weise auf Dienste der Informationsgesellschaft Bezug und erfasst ohne Differenzierung Dispatching-Dienste aller Art, gleich ob sie telefonisch oder mit einer IT-Anwendung erbracht werden. Sie stelle keine „technische Vorschrift“ dar. Daraus folge, dass die Pflicht, Entwürfe „technischer Vorschriften“ vorab der Kommission zu übermitteln, für eine solche Regelung nicht gelte.
Mitgliedstaaten der EU ist es nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verboten, die Aufnahme und die Ausübung einer in der Erbringung von „Diensten der Informationsgesellschaft“ bestehenden Tätigkeit einer Zulassungspflicht oder einer sonstigen Anforderung gleicher Wirkung zu unterwerfen. Die Dienstleistungsrichtlinie2006/1235 erlaube es den Mitgliedstaaten allerdings unter bestimmten Voraussetzungen, die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit einer Zulassungsregelung zu unterwerfen.
Bei den Voraussetzungen handelt es sich um folgende:
Die Regelung dürfe erstens nicht diskriminierend sein, sie müsse zweitens durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, und das angestrebte Ziel dürfe drittens nicht mit milderen Mitteln erreicht werden können.
Laut dem EuGH stellt eine Dienstleistung, die darin besteht, Taxikunden und Taxifahrer mittels einer elektronischen Applikation miteinander in Kontakt zu bringen, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ dar, soweit sie nicht untrennbar mit dem Taxiverkehrsdienst verbunden sind und daher kein integraler Bestandteil von ihm sei.
Bei der Regelung der örtlichen Behörden handele es sich außerdem um keine „technische Vorschrift “ im Sinne der Informationsverfahrensrichtlinie 2015/1535 dar.
Die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123 steht der Anwendung einer entsprechenden Zulassungsregelung entgegen, es sei denn, diese entspreche den in dieser Richtlinie genannten Kriterien.
► Der Volltext der Entscheidung
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