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Im Rechtsstreit der Erotikartikel-Verkäufer EIS und TO hat der EuGH geurteilt: EIS muss seine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung angeben. Grundsätzlich heißt es nämlich nach Artikel 6 der EU-Richtlinie 2011/83: „sofern verfügbar“ muss eine Telefonnummer aufgeführt werden. Das bedeutet in der Praxis: Die Angabe einer Telefonnummer in den Informationen zum Widerrufsrecht ist nach EU-Recht zwar nicht in jedem Fall verpflichtend – aber sobald eine Telefonnummer ohnehin vorhanden und für den Durchschnittsverbraucher sichtbar ist, muss sie auch in der Widerrufsbelehrung vorzufinden sein (Urteil vom 14. Mai 2020, C‑266/19).
Da die Telefonnummer von EIS sowohl im Impressum als auch im Footer der Startseite von EIS.de klar und deutlich dargestellt ist, muss das Unternehmen diese Telefonnummer auch in seinen Informationen zum Widerrufsrecht angeben. Dabei ist es unerheblich, dass das Unternehmen Verträge gar nicht telefonisch abschließt. Das Widerrufsrecht müsse dennoch telefonisch wahrgenommen werden können – wenn eine Telefonnummer verfügbar ist, so wie es bei EIS der Fall ist.
Der Rechtsstreit zwischen TO und EIS hatte bereits 2014 begonnen. Damals mahnte EIS seinen Wettbewerber wegen fehlerhafter Informationen zum Widerrufsrecht ab. TO gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung an EIS ab. Gleichzeitig mahnte aber TO selbst EIS ab, auch bezüglich der Widerrufsbelehrung: die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung von EIS bei gleichzeitiger Angabe einer Telefonnummer im Impressum und auf der Startseite sei wettbewerbswidrig.
EIS reichte daraufhin Klage beim LG Arnsberg ein – TOs Abmahnung sei unbegründet und TO habe keinen Unterlassungsanspruch. Denn: EIS schließe keine Verträge per Telefon ab. Dementsprechend müsse das Unternehmen auch keine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung aufführen. Die Telefonnummer aus dem Impressum und von der Startseite der Website sei nämlich nicht für vertragliche Zwecke vorgesehen – also weder zum Vertragsabschluss noch zu dessen Widerruf. Die Arnsberger Richter wiesen diese Klage von EIS allerdings ab und gaben stattdessen der Widerklage von TO statt: Sie verurteilten EIS zur Unterlassung der abgemahnten Handlung (dem Nicht-Angeben der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung). Auch die Richter am OLG Hamm als Berufungsinstanz wiesen die Klage von EIS zurück.
Nun hatte EIS gegen dieses Berufungsurteil aus Hamm vor dem BGH Revision eingelegt – und ist gemäß europäischer Rechtsprechung abermals gescheitert. Die Richter vom BGH hatten dazu nämlich dem EuGH zwei Fragen zu Klärung vorab gestellt. Zugrunde lag die Muster-Widerrufsbelehrung (Anhang I Teil A der EU-Richtlinie 2011/83), in der es heißt: „Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift und, soweit verfügbar, Ihre Telefonnummer, Faxnummer und E Mail-Adresse ein.“. Der EuGH sollte einerseits klären, ob eine Telefonnummer als „verfügbar“ gelte, wenn sie im Impressum oder auf der Startseite der Webseite eines Unternehmens steht. Und außerdem, ob eine Telefonnummer als „verfügbar“ gilt, wenn diese Nummer zwar geschäftlichen Zwecken dient, aber nicht spezifisch für den Abschluss von Fernabsatzverträgen vorgesehen ist (und damit auch nicht für deren Rückabwicklung, d.h. für die Entgegennahme von Widerrufserklärungen).
Wenn es darum geht, was auf jeden Fall in den Informationen zum Widerrufsrecht enthalten sein muss, gehen nationales Recht der BRD und europaweites Unionsrecht auseinander.
Gemäß dem (deutschen) Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind in jedem Fall die Identität, die Anschrift der Niederlassung, die Telefonnummer und ggf. die Telefaxnummer und E-Mail-Adresse zu nennen. Zudem auch die Bedingungen, die Frist und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts, einschließlich eines Muster-Widerrufsformulars.
Auch nach EU-Recht müssen diese zuletzt genannten Informationen (Bedingungen, Frist und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts + Muster-Widerrufsformular) in der Widerrufsbelehrung stehen. Allerdings ist eine Telefonnummer gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie nicht verpflichtend anzugeben (Artikel 6, Absatz 1 c) – anders als es nach dem BGB in Deutschland der Fall ist, wo nicht nur die Niederlassungs-Anschrift, sondern auch eine Telefonnummer erforderlich ist. Geht es nach der europaweiten Regelung, muss ein Unternehmer nämlich nur dann eine Telefonnummer übermitteln, wenn er bereits über eine solche Nummer als Kommunikationsmittel mit den Verbrauchern verfügt. Einen Telefonanschluss neu einrichten muss ein Unternehmer in der EU demnach nicht.
Das Argument des angeklagten Unternehmens (EIS), es müsse keine Telefonnummer in seiner Widerrufsbelehrung angeben, weil es ohnehin keine Verträge per Telefon abschließe, wies der EuGH in Luxemburg zurück. Denn dass keine Verträge telefonisch geschlossen würden, schließe nach dem Rechtstext nicht aus, dass der Verbraucher einen Vertrag telefonisch widerrufen können muss – und zwar dann, wenn ohnehin eine Telefonnummer vorhanden ist. So seien nämlich Artikel 6, Absatz 1 c und h mit dem Anhang I Teil A der Richtlinie 2011/83/EU auszulegen.
Artikel 6, Absatz 1 c gibt nämlich vor, dass der Unternehmer beim Vertragsschluss „gegebenenfalls seine Telefonnummer“ angeben muss – für eine schnelle Kontaktaufnahme und effiziente Kommunikation des Verbrauchers zum Unternehmen. Absatz 1 h desselbigen Artikels 6 führt bezüglich des Widerrufsrechts eines geschlossenen Vertrages auf, welche Informationen der Unternehmer angeben muss. Und in Artikel 4 heißt es dann, dass diese Informationen aus Artikel 6, Absatz 1 (c und h) mittels der Muster-Widerrufsbelehrung (= Anhang I Teil A) gegeben werden können bzw. sollten, damit die Informationspflicht des Unternehmers hinreichend erfüllt ist. Gemäß diesem Muster hat Folgendes in der Widerrufserklärung zu stehen: Name, Anschrift und, „soweit verfügbar“, Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse.
Heißt also zusammengefasst: Unternehmen sind nicht per se dazu verpflichtet, eine Telefonnummer aufzuführen. Denn vor allem für kleine Betriebe, die ihre Verträge eben im Fernabsatz oder außerhalb ihrer Geschäftsräume abschließen und dafür keine Telefonnummer haben (um Betriebskosten zu reduzieren), wäre eine verpflichtende Angabe einer Telefonnummer wirtschaftlich unverhältnismäßig. Aber: Die Unternehmen, die bereits eine Telefonnummer haben, über die Verbraucher sie kontaktieren können, müssen diese auch in der Widerrufsbelehrung angeben. Im Falle „EIS“ muss das Unternehmen seine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung angeben, da eine solche Telefonnummer ohnehin und offensichtlich „verfügbar“ sei – im Impressum und unter den Kontaktmöglichkeiten auf der Homepage für den Durchschnittsverbraucher klar ersichtlich aufgeführt.
Diese Auslegung sei auch im Einklang mit den Zielen der entsprechenden EU-Richtlinie: die Sicherstellung eines hohen Verbraucherschutzniveaus durch Informieren der Verbraucher (Artikel 1, Erwägungsgründe 4, 5 und 7).
Der Richtlinie 2011/83 gehen einige Erwägungsgründe voran, d.h. welchen Zielen die Richtlinie dienen soll. Zentral ist dabei der gemeinsame EU-Binnenmarkt. Um diesen zu praxisorientiert umzusetzen und zu vollenden, soll es einheitliche Regelungen in der gesamten Union geben, Stichwort „Harmonisierung“. Durch die Richtlinie 2011/83 harmonisiert werden sollen bestimmte Aspekte von Verbraucherverträgen, Verbraucherinformationen und das Vertrags-Widerrufsrecht sowie wesentliche Aspekte einschlägiger Regelungen (Erwägungsgründe 4, 5, 7 und 34). So soll ein hohes Verbraucherschutzniveau geschaffen werden, bei dem aber die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht verloren geht. Rechtszersplitterung und andere Hindernisse zur Vollendung des Binnenmarktes sollen beseitigt werden, um Rechtssicherheit zu schaffen – sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer.
Mit diesem Harmonisierungsgedanken im Sinne des gemeinsamen Binnenmarktes lässt sich auch Artikel 4 der Richtlinie erklären. Demnach „erhalten die Mitgliedstaaten weder von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften aufrecht noch führen sie solche ein“. Dies gelte sowohl für strengere als auch weniger strenge Rechtsvorschriften zum Verbraucherschutz. Heißt also: Das EU-Recht steht hier dem nationalen Recht voran. Deswegen ist in dem vorliegenden Fall von TO gegen EIS auch nicht einfach nach dem deutschen BGB geurteilt, sondern der EuGH zur Vorabklärung zweier Fragen gemäß dem EU-Recht herangezogen worden. Zwar laufen hier sowohl deutsches als auch Europa-Recht auf dasselbe hinaus (EIS muss seine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung angeben), allerdings ist die Begründung eine andere: Nach deutschem BGB muss ein Unternehmen sowieso immer seine Telefonnummer aufführen, während es das nach der europäischen Richtlinie 2011/83 nur „soweit verfügbar“ tun muss.
Jeder Unternehmer in Deutschland teilt sich einen Markt mit allen anderen Unternehmern in der gesamten EU. Mit diesem gemeinsamen Binnenmarkt gehen auch gewisse gemeinsame Regeln einher, die es für alle Beteiligten zu beachten gilt. Für eine gute Planbarkeit und Absicherung in rechtlicher Hinsicht ist es für Unternehmen also sehr wichtig, ihre Unternehmenspolitik, Strategien und generelles Handeln auf dem Markt im Rahmen dessen zu verfolgen, was im EU-Recht legitim ist. Insbesondere, wenn dieses EU-Recht dem nationalen Recht voransteht – wie im hier beschriebenen Fall der Informationspflicht zu Fernverträgen, bei dem nach der EU-Richtlinie 2011/83 statt dem deutschen BGB geurteilt worden ist.
Als Kanzlei für Wettbewerbsrecht und gewerblichen Rechtsschutz legen wir von SBS Legal einen besonderen Fokus darauf. Unsere erfahrenen Rechtsanwälte und Fachanwälte betreuen schon seit vielen Jahren kompetent Unternehmen, die im EU-Binnenmarkt tätig sind – und sind so mit dem EU-Recht, seinen Implikationen und seiner Umsetzung in der wirtschaftlichen Praxis entsprechend vertraut. Sie benötigen Beratung oder Unterstützung in einem entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Thema? Dann sind Sie genau richtig bei uns. Kontaktieren Sie uns gern – wir freuen uns bereits jetzt, Ihren Erfolg zu gestalten.
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