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Im Juni 2021 urteilte die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dass Internetplattformen wie Google und YouTube bei öffentlicher Wiedergabe von Inhalten nicht urheberrechtlich verantwortlich seien. Der EuGH argumentiert, dass nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe, der durch Nutzer rechtswidrig hochgeladenen und urheberrechtlich geschützten Inhalte durch den Betreiber der jeweiligen Plattform erfolge. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn die Betreiber unter Verletzung der Urheberrechte über die Bereitstellung auf der Plattform hinaus dazu beitragen, der Öffentlichkeit Zugang zu entsprechenden Inhalten zu verschaffen. Auch sei eine öffentliche Wiedergabe zu bejahen, wenn die Plattform das Kennen oder Kennen-Müssen der rechtsverletzenden Inhalte als weitere Gesichtspunkte erfülle, an der Auswahl der geschützten Inhalte beteiligt gewesen sei oder ein entsprechendes Teilen wissentlich fördere. Gemäß der Rechtslage vor der europäischen Harmonisierung spricht sich der EuGH gegen eine generelle Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Inhalten durch Betreiber der entsprechenden Plattformen aus.
Zu diesem Urteil gelangte der EuGH durch einen Fall wo unter anderem Google und YouTube wegen mehrerer Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums des Klägers verklagt wurden. Ein Musikproduzent wandte sich zunächst an Google selbst, da auf YouTube Videos von Konzertmitschnitten, aber auch Tonaufnahmen mit Standbildern u.ä. einer Künstlerin, die bei dem Kläger unter Vertrag stand, erschienen waren. Google forderte YouTube auf die Inhalte zu sperren, was daraufhin auch geschah. Wenig später tauchten allerdings erneut Videos von der dem Streit zugrundeliegenden Tour auf der Plattform auf, woraufhin der Kläger beim Landgericht (LG) Hamburg Klage auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht erhob. Hierbei berief er sich auf diverse Eigentumsrechte, die ihm als Produzent und Mitwirkender zukommen würden. Das LG gab der Klage jedoch nur hinsichtlich dreier Musiktitel statt und wies sie im Übrigen ab.
Der Kläger wie auch die Beklagten legten gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht (OLG) Hamburg Berufung ein. Das OLG änderte das erstinstanzliche Urteil teilweise ab und verurteilte die Beklagten zur Unterlassung der Bereitstellung und Zugänglichmachung von sieben Musiktiteln. Auch forderte das OLG die Beklagten zur Herausgabe von Namen und Postanschriften bzw. E-Mail-Adressen der Nutzer auf. Das Berufungsgericht wies im Übrigen die Klage als zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet ab. YouTube solle zwar nicht als Täterin oder Teilnehmerin haften, wohl aber als „Störerin“, da sie gegen die ihr obliegenden Verhaltenspflichten verstoßen habe und die beanstandeten Inhalte nicht unverzüglich gelöscht oder den Zugang zu ihnen gesperrt habe. Hinsichtlich der Konzertaufnahmen habe YouTube laut des OLG jedoch keine Verhaltenspflichten verletzt.
Das OLG verweist in seinem Urteil darauf, dass YouTube keine Verhaltenspflichten bei Bereitstellung von Konzertmitschnitten verletze, da YouTube einige Vorkehrungen trifft, die dafür Sorge tragen sollen, dass keine urheberrechtlich geschützten Videos veröffentlicht werden bzw. rechtswidrig veröffentlichte Videos gelöscht werden. Unter anderem dienen die Nutzungsbedingungen, welche die Nutzer beim Hochladen von Inhalten bestätigen müssen, dazu, dass keine urheberrechtsgeschützten Inhalte hochgeladen werden. Mit der Akzeptanz der Nutzungsbedingungen bestätige der Nutzer, dass er über sämtliche erforderliche Lizenzen, Rechte, Zustimmungen und Erlaubnisse bezüglich der von ihm hochgeladenen Videos verfüge. Auch rufe YouTube in den „Community-Richtlinien“ dazu auf, das Urheberrecht zu respektieren.
Zudem könne jeder über verschiedene Wege das Vorhandensein eines rechtswidrigen Videos anzeigen, woraufhin YouTube die Inhalte prüft. Wird ein Video gesperrt, so erhält auch der hochladende Nutzer eine Benachrichtigung, die ihn darüber informiert, dass sein Konto im Wiederholungsfall gesperrt werde.
Des Weiteren nutzt YouTube ein Inhaltserkennungsprogramm, welches zur Identifizierung rechtsverletzender Inhalte diene. Der jeweilige Rechtsinhaber müsse nur eine Audio- oder Videoreferenzdatei bereitstellen, anhand derer YouTube die Möglichkeit hat, andere Videos mit ganz oder teilweise gleichem Inhalt zu identifizieren. Bei einer möglichen Rechtsverletzung wird der Rechtsinhaber benachrichtigt und kann dann entscheiden, ob er das Video sperren lässt oder den Inhalt genehmigt und somit auch an den Werbeeinnahmen partizipiert.
Dem Urteil des OLG folgte sodann eine Revision gegen das Berufungsurteil vor dem Bundesgerichtshof (BGH).
Der BGH argumentierte, dass die mögliche Rechtsverletzung durch YouTube davon abhänge, ob das in Rede stehende Verhalten von YouTube eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie darstelle. Dies könne nur der Fall sein, wenn sich YouTube der Folgen ihres Handelns und insbesondere der Fehlenden Erlaubnis des Rechtsinhabers vollkommen bewusst sei, was durch das automatische Einstellen der Videos jedoch erst möglich ist, wenn der Rechtsinhaber YouTube ausdrücklich über die Rechtsverletzung informiere. Auch der BGH stellt auf die bereits vom OLG erwähnten Vorkehrungen durch YouTube ab, die das Hochladen von rechtswidrigen Inhalten verhindern sollen.
Sofern die Handlung von YouTube nicht als öffentliche Wiedergabe eingestuft werden kann, sei an zweiter Stelle zu prüfen, ob für YouTube eine Haftungsprivilegierung hinsichtlich der auf ihrer Plattform gespeicherten Informationen gelten könne.
Der BGH führte weiterhin aus, dass es nicht genüge, wenn dem Anbieter nur allgemein bewusst sei, dass seine angebotenen Dienste für irgendwelche rechtswidrigen Tätigkeiten genutzt würden. Vielmehr müsste die Rechtsverletzung dem Anbieter, hier also YouTube, „so konkret und genau angezeigt werden, dass er sie ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung feststellen könne“.
Zuletzt beschloss der BGH das Verfahren auszusetzen und sich mit mehreren Fragen in dieser Sache an den EuGH zu wenden. Genau ging es hier um die Bedingungen, unter welchen das Bereitstellen von Videos durch eine Internetplattform eine Handlung der Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie darstellen könnte.
Die Frage des BGH beinhaltete, ob eine Video-Sharing-Plattform wie YouTube selbst eine „öffentliche Wiedergabe“ gemäß Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie durch das Bereitstellen der Inhalte vornehme. Der EuGH führt aus, dass der Betreiber der Plattform, hier also YouTube, jedoch nicht selber für das Hochladen der potenziell rechtsverletzenden Inhalte verantwortlich sei, sondern der Nutzer, welcher selbstständig und in eigener Verantwortung handele. Auch bestimmen die Nutzer, ob die von ihnen hochgeladenen Inhalte auch anderen Nutzern zur Verfügung stehen – YouTube ermögliche es ihren Nutzern, die Inhalte auch „privat“ hochzuladen. Es könne somit erst eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie durchgeführt werden, wenn die Inhalte auch den anderen Nutzern, also der Öffentlichkeit durch den Nutzer zugänglich gemacht werden.
Obwohl eine solche Plattform natürlich eine zentrale Rolle im Prozess der öffentlichen Wiedergabe spielt, könne dies jedoch nicht das einzige Kriterium für die Beurteilung sein - so sei auch der Vorsatz von YouTube essenziell, d.h. sie muss in voller Kenntnis der unerlaubten Wiedergabe gewesen sein. Der bloße Umstand, dass der Betreiber, also YouTube, allgemein Kenntnis von der rechtsverletzenden Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf seiner Plattform habe, genüge nicht, um das Kriterium des Vorsatzes zu erfüllen.
Auch das Verfolgen von Erwerbszwecken genüge nicht für die Unterstellung oder auch nur die Vermutung eines Vorsatzes zur rechtswidrigen öffentlichen Wiedergabe seitens YouTubes. Das bedeutet, dass die Nutzung der Dienste für Urheberrechtsverletzungen durch Dritte nicht bedeute, dass der Betreiber selbst eine öffentliche Wiedergabe vornehme, selbst wenn er für gewöhnlich mit Gewinnerzielungsabsicht handelt.
Der EuGH argumentiert, dass YouTube nicht an der Erstellung oder Auswahl, der von den Nutzern der Plattform hochgeladenen Inhalte beteiligt sei. Das Hochladen der Inhalte erfolge zudem in einem automatisierten Verfahren, wodurch die Inhalte nicht durch YouTube gesichtet oder kontrolliert werden.
Des Weiteren informiere YouTube ihre Nutzer sowohl in den allgemeinen Nutzungsbedingungen als auch bei jedem Hochladevorgang speziell klar und deutlich über das Verbot, geschützte Inhalte auf der Plattform öffentlich bereitzustellen. Außerdem habe der Rechtsinhaber die Möglichkeit, YouTube über Verstöße zu informieren. Sodann wird das jeweilige Video gesperrt und der hochladende Nutzer wird von YouTube gewarnt, dass sein Konto bei einem wiederholten Verstoß gesperrt wird.
Zudem habe YouTube mehrere Vorkehrungen getroffen, die die unerlaubte öffentliche Wiedergabe von geschützten Inhalten verhindern sollen. Hierzu gehöre der Meldebutton und das bereits erwähnte Programm zur Inhaltsprüfung, usw. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass YouTube technische Maßnahmen ergriffen hat, um Urheberrechtsverletzungen glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen.
Zuletzt sei es auch nicht ersichtlich, dass YouTube ein Geschäftsmodell verfolge, welches auf dem Vorhandensein rechtsverletzender Inhalte beruhe oder die Nutzer dazu verleiten soll, eben solche Inhalte hochzuladen. Genauso sei nicht ersichtlich, dass die vorrangige Nutzung von YouTube im unerlaubten Teilen geschützter Inhalte bestehe.
YouTube könne sich allerdings nicht auf die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehene Haftungsbefreiung berufen, wenn sie über die bloße Bereitstellung ihrer Plattform hinaus dazu beitrage, unter Verletzung des Urheberrechts der Öffentlichkeit geschützte Inhalte zugänglich zu machen. Hierbei ergebe sich die Rechtswidrigkeit der Tätigkeit aus einer tatsächlichen Kenntnis der Urheberrechtsverletzung – es genüge also nicht, dass YouTube weiß, dass die Plattform generell genutzt werden kann, um geschützte Inhalte unerlaubt bereitzustellen.
Des Weiteren stellt der EuGH heraus, dass die Meldung über einen geschützten Inhalt, z.B. durch den Rechtsinhaber, ausreichende Angaben enthalten müsse, „um es dem Betreiber dieser Plattform zu ermöglichen, sich ohne eingehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass diese Wiedergabe rechtswidrige ist“.
Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr sei somit dahingehend auszulegen, dass die Tätigkeit einer Video-Sharing-Plattform in den Anwendungsbereich dieser Norm falle, sofern der Betreiber keine aktive Rolle bezüglich der Rechtsverletzung spielt.
Quelle: Urteil des EuGH, 22.06.2021 - https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=243241&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=3530216
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