SBS Firmengruppe Logos

| Wettbewerbsrecht

GPSR: Müssen Händler ihre Bezugsquellen offenbaren?


Händler treten selbst als Hersteller auf - Die Lösung?

Die seit dem 13.12.2024 in der Europäischen Union geltende Produktsicherheitsverordnung - auch General Product Safety Regulation (GPSR) - birgt zahlreiche neue Pflichten für Online-Händler. Dazu zählen insbesondere neue Kennzeichnungspflichten, die zur Folge haben, dass Händler zukünftig ihre Bezugsquellen in den Artikelbeschreibungen der Produkte offenbaren müssen. Um dieser Pflicht zu entgehen, können Händler gegebenenfalls in Erwägung ziehen, selbst als Hersteller aufzutreten.

Das hat es mit der neuen GPSR-Informationspflicht auf sich

Nach den Online-Kennzeichnungspflichten aus Artikel 19 der GPSR muss nahezu jede Artikelbeschreibung um neue Informationen ergänzt werden. Namentlich müssen fortan: 

  • der Name, die Marke, die Anschrift und die elektronische Adresse des Produktherstellers,
  • der Name, die Postanschrift und die elektronische Adresse der verantwortlichen Person für die Produkte in der EU, wenn der Hersteller nicht in der Union ansässig ist,
  • Angaben zur Identifizierung des Produkts, insbesondere Abbildungen des Produkts, dessen Art und sonstige Identifikatoren und
  • Warnhinweise und Sicherheitsinformationen

in jeder Artikelbeschreibung zu finden sein. Die Informationen müssen aktiv in den Beschreibungen aufgeführt werden; die bloße Angabe auf Anfrage reicht nicht aus. Die Kennzeichnungspflicht gilt nicht nur im eigenen Online-Shop, sondern betrifft ebenfalls Händler auf Online-Marktplätzen.

Offenlegung des Herstellers ist bei bestimmten Produktgruppen problematisch

Die neuen Informationspflichten führen in vielen Fällen dazu, dass "Geschäftsgeheimnisse" offenbart werden müssen. Insbesondere die Angaben zum Hersteller gestalten sich für viele Händler problematisch, weil jeder Betrachter der Artikelbeschreibung die Kontaktdaten zur Bezugsquelle des Händlers entnehmen kann. Diese "Offenbarungspflicht" bereitet Händlern, die Marken- und Massenprodukte verkaufen, keine Schwierigkeiten, da die Hersteller derartiger Waren von vornherein bekannt sind. Anders gestaltet es sich bei Verkäufern von Nischenprodukten, insbesondere bei solchen aus dem sogenannten "White-Label-Bereich", bei dem die Produkte schwer zu beschaffen sind und bei denen man auf den ersten Blick nicht den Hersteller erkennen kann. Wer selbst Waren aus dem EU-Ausland importiert und lange nach zuverlässigen Bezugsquellen für die eigenen Bedürfnisse gesucht hat, wird diese Kontakte auch weiterhin unter Verschluss halten wollen. Ansonsten können potenzielle Mitbewerber innerhalb von Sekunden die Partner der Konkurrenz herausfinden, Verfügbarkeiten nachfragen, Preise verhandeln und gegebenenfalls die identischen Produkte schneller oder günstiger anbieten. Außerdem könnten interessierte Käufer durch die Hinweise in der Produktbeschreibung selbst an die Hersteller herantreten, um möglicherweise die Produkte dort zum günstigeren Preis zu erwerben. 

Können Händler selbst als Hersteller auftreten, um ihre Bezugsquelle geheim zu halten?

Um die Pflicht zur Angabe des Herstellers in der Produktbeschreibung zu umgehen, können Händler in Erwägung ziehen, selbst als Hersteller der Produkte aufzutreten. Dann müssen sie nur ihre eigenen Daten angeben und nicht ihre Bezugsquellen offenbaren. 

Die Rechtslage vor der GPSR

Bereits nach der vor dem GPSR geltenden Rechtslageist es keine Seltenheit, dass Händler, die Produkte aus dem EU-Ausland importieren, als Hersteller behandelt werden. So gelten EU-Importeure nach § 4 Absatz 2 des Produkthaftungsgesetzes als Hersteller oder müssen sich gemäß dem Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten und dem Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Batterien und Akkumulatoren bei der Stiftung EAR als Hersteller registrieren lassen.

Was versteht die GPSR unter einem Hersteller?

Gemäß Artikel 3 Nummer 8 der GPSR ist "jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwerfen oder herstellen lässt und dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer Handelsmarke vermarktet" der produktsicherungsrechtliche Hersteller des Produkts. Es wird somit zwischen dem originären Hersteller als Produzenten und Quasi-Herstellern, die das Produkt herstellen lassen und dann unter eigenem Namen vermarkten, unterschieden.

Die meisten Online-Händler fallen unter keinen der beiden Herstellerbegriffe, weil sie meist nicht selbst die verkauften Produkte fertigen oder entwickeln lassen wollen und auch nicht selbst herstellen. Stattdessen beschränkt sich ihre Tätigkeit darauf, ein passendes, bereits in Serie gefertigtes Produkt auszusuchen, Konditionen zu vereinbaren und das Produkt dann in der gewünschten Menge einzukaufen. 

Die Herstellerfiktion aus Artikel 13 GPSR

Die GPSR hat mit Artikel 13 eine Herstellerfiktion eingeführt, nach der auch solche Händler als Hersteller angesehen werden, die ein Produkt unter ihren eigenen Namen oder ihren Handelsmarken in den Verkehr bringen. Wer ein gekauftes Produkt mit den eigenen Daten als Herstellerangabe physisch kennzeichnet und zumindest online unter eigenem Namen oder der eigenen Marke anbietet, wird demnach ebenfalls als Hersteller angesehen. Dann dürfen die eigenen Daten als Herstellerangaben in die Artikelbeschreibung aufgenommen und die Bezugsquellen unter Verschluss gehalten werden. 

Umfassende Pflichten aus der GPSR für Hersteller

Wer sich allerdings zum produktsicherungsrechtlichen Hersteller macht, trägt auch die vollen Herstellerpflichten aus der GPSR. Dazu gehören unter anderem

  • eine Risikoanalyse des Produkts,
  • umfassende, auch physische Kennzeichnungspflichten,
  • Dokumentationspflichten,
  • die Gestaltung von Begleitunterlagen, Bedienungsanleitungen und Verpackungen und
  • die Reaktion auf Sicherheitsprobleme.

Händler, die als Hersteller auftreten wollen, sollten vorab versicherungsrechtliche Fragen klären und eine (Produkt-)Haftpflichtversicherung abschließen, die auch die Herstellerrolle abdeckt. In der Praxis wird sich die Risikozunahme allerdings dennoch überschaubar gestalten, wenn es sich um aus dem EU-Ausland importierte Produkte handelt, weil in derartigen Fällen der Händler bereits vor der GPSR als Hersteller angesehen wurde. 

Kein Umlabeln bei Markenprodukten!

Es ist jedoch Vorsicht geboten, wenn es sich um Markenprodukte handelt. Händler können diese nicht einfach auf sich selbst "umlabeln", indem sie sich als Hersteller ausgeben, da es ansonsten schnell zu rechtlichen Problemen mit dem Markeninhaber kommen kann. Im Zweifelsfall sollte daher zuvor die Zustimmung des Markeninhabers oder Herstellers eingeholt werden. Die Problematik des Geschäftsgeheimnisses des Herstellers ist jedoch bei Markenprodukten von vornherein nicht einschlägig, sodass in produktsicherungsrechtlicher Sicht kein Bedarf bestehen sollte, sich als Händler als Hersteller auszugeben.

SBS LEGAL - Ihre Anwälte für Wettbewerbsrecht

Die GPSR und ihre neuen Informationspflichten stellen viele Händler vor Probleme. Entweder sie geben ihre Bezugsquellen preis oder stellen sich als Hersteller gemäß Artikel 13 den umfangreichen weiteren Pflichten, die die GPSR für Hersteller vorsieht. Um die richtige Entscheidung für Ihre konkrete Situation zu treffen und diese rechtlich sicher auszugestalten, ist ein erfahrener Rechtsbeistand essenziell. Unsere Anwälte von SBS LEGAL unterstützen Sie dabei mit ihrer jahrelangen fachlichen Expertise im Wettbewerbsrecht

Sie haben noch Fragen zur GPSR?

Zögern Sie nicht, sich bei uns zu melden! Unser Team steht Ihnen bei sämtlichen rechtlichen Anliegen mit Rat und Tat zur Seite.

Der Erstkontakt zu SBS LEGAL ist immer kostenlos.

Zurück zur Blog-Übersicht