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| Datenschutzrecht

Grenzen des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO


Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO – Transparenz und Kontrolle über personenbezogene Daten

Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat der europäische Gesetzgeber das Datenschutzrecht auf eine neue Grundlage gestellt. Eines der am häufigsten genutzten Betroffenenrechte der Verordnung ist das Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO. Dieses Recht verschafft betroffenen Personen Transparenz darüber, ob, wie und in welchem Umfang ihre personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Ob gegenüber Unternehmen, Behörden oder ehemaligen Arbeitgebern – viele Menschen wollen wissen, welche personenbezogenen Daten über sie gespeichert sind und wie sie verwendet werden. Für Unternehmen bedeutet dies eine gesteigerte Rechenschaftspflicht – für Betroffene ein wirksames Instrument zur Kontrolle über die eigenen Daten.

Doch wie weit reicht dieses Recht wirklich? Und gibt es Grenzen, wenn das Auskunftsverlangen mit erheblichem Aufwand verbunden ist? Die Gerichte haben sich in den letzten Jahren vielfach damit beschäftigt – mit teils überraschenden, teils deutlich einschränkenden Ergebnissen.


Grundsatz: Der Aufwand schützt nicht vor der Auskunftspflicht

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer Entscheidung im Januar 2025 klargestellt: Ein Verantwortlicher – in dem Falle ein Finanzamt – darf ein Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO nicht mit dem Argument ablehnen, die Beantwortung sei mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Die DSGVO sieht eine solche Einschränkung in diesem Zusammenhang nicht vor. Auch Rückgriff auf die Regelung des Art. 14 DSGVO, der unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen bei indirekter Datenerhebung erlaubt, sei laut BFH weder direkt noch analog zulässig. Selbst dann, wenn das Auskunftsersuchen sehr umfangreich ausfällt, liegt darin noch keine rechtsmissbräuchliche oder übermäßige Ausübung des Auskunftsrechts, wie der BFH betont. Der Aufwand auf Seiten des Verantwortlichen rechtfertigt demnach allein keine Einschränkung des Anspruchs nach Art. 15 DSGVO.

Auch das Verwaltungsgericht Berlin hat den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO jüngst gestärkt. In einem Fall aus dem Jahr 2024 stellte das Gericht klar, dass selbst ein erheblicher Verwaltungsaufwand – konkret die Durchsicht und Auswertung von über 5.000 Seiten Aktenmaterial – kein hinreichender Grund ist, eine Auskunft zu verweigern. Die DSGVO gewährt betroffenen Personen ein grundsätzlich umfassendes Recht auf Auskunft, das nur unter strengen Voraussetzungen eingeschränkt werden darf.

Ein solcher Ausnahmefall – etwa ein offensichtlich grobes Missverhältnis zwischen dem erforderlichen Aufwand und dem Auskunftsinteresse – lag nach Einschätzung des Gerichts nicht vor. Vielmehr sei das Interesse des Betroffenen an der Offenlegung seiner personenbezogenen Daten und deren Verwendung nachvollziehbar und schutzwürdig gewesen. Dieses Interesse wiege im konkreten Fall schwerer als der mit der Bearbeitung verbundene Aufwand für die Behörde.

Wer ist “Verantwortlicher” im Sinne der DSGVO?

„Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO ist jede natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten entscheidet (Art. 4 Nr. 7 DSGVO). In der Praxis sind dies regelmäßig Unternehmen, Behörden, Vereine oder Freiberufler.


Sachlich begründet bleibt sachlich gerechtfertigt

Insbesondere im arbeitsrechtlichen Kontext taucht oft die Frage auf, ob ein besonders breit angelegtes oder taktisch eingesetztes Auskunftsersuchen nach Art. 15 DSGVO als rechtsmissbräuchlich gewertet werden kann. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat dazu Anfang 2024 eine klare Position bezogen: Ein sehr umfassendes oder sogar überzogen erscheinendes Auskunftsersuchen ist für sich genommen noch kein Missbrauch des Rechts – selbst dann nicht, wenn die Bearbeitung für den Arbeitgeber mit erheblichem Aufwand verbunden ist.

Auch die Motive der betroffenen Person – etwa die Vorbereitung eines arbeitsrechtlichen Vergleichs oder die Absicherung prozessualer Positionen – sind unerheblich, solange das Auskunftsbegehren nicht wiederholt ohne neuen Anlass oder offenkundig willkürlich gestellt wird. Die DSGVO stellt keine inhaltlichen Anforderungen an die Zweckverfolgung des Auskunftsersuchens; eine Beschränkung auf ausschließlich datenschutzbezogene Anliegen lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Grenzen der Zumutbarkeit: Wo die DSGVO eine Grenze zieht

Zwar erkennen die Gerichte in Ausnahmefällen eine Grenze des Auskunftsanspruchs an – diese ist jedoch hoch angesetzt und nur unter strengen Voraussetzungen erreichbar. So lehnte das Verwaltungsgericht Berlin in einem Fall die Herausgabe von Videoaufzeichnungen aus einer S-Bahn ab, weil die betroffene Person lediglich vage Angaben zu ihrer Identität und zum Zeitpunkt der Aufnahme gemacht hatte. Der damit verbundene Aufwand für die Sichtung zahlreicher Stunden Videomaterials zur möglichen Identifizierung einer Person sei unzumutbar. Das Gericht argumentierte mit einem allgemeinen Rechtsgedanken aus § 275 Abs. 2 BGB: Ist der Aufwand zur Erfüllung in einem groben Missverhältnis zum Nutzen, kann die Leistung verweigert werden – auch beim DSGVO-Auskunftsanspruch.

Noch deutlicher wurde das Landgericht Heidelberg in einem Fall aus dem Jahr 2020. Dort verlangte ein ehemaliger Vorstand Auskunft über etwa 10.000 E-Mails, die bis zu zehn Jahre zurücklagen. Das Gericht wies den Anspruch als unzumutbar ab – sowohl wegen des enormen Aufwands als auch wegen des geringen Interesses des Klägers, der den Antrag Jahre nach dem Ausscheiden stellte. Zur Begründung verwies es auf den erheblichen Aufwand, der mit der Sichtung, Filterung und Aufbereitung der Daten verbunden gewesen wäre, sowie auf das allenfalls geringe Informationsinteresse des Klägers, der sein Auskunftsverlangen erst mehrere Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen geltend gemacht hatte. Unter Abwägung beider Gesichtspunkte sah das Gericht die Geltendmachung des Anspruchs als unzumutbar im Sinne der allgemeinen Grundsätze an.

Darüber hinaus stellte das Gericht klar, dass betroffene Personen bei besonders umfangreicher Datenverarbeitung dazu verpflichtet sind, ihr Auskunftsersuchen hinreichend zu konkretisieren. Ein rein pauschaler Antrag sei unzulässig, wenn er in keinem angemessenen Verhältnis zum erforderlichen Aufwand stehe und erhebliche personelle oder technische Kapazitäten binde. Diese eher zurückhaltende Auslegung des Auskunftsrechts stellt bislang eine abweichende Einzelmeinung in der Rechtsprechung dar – könnte jedoch künftig an Bedeutung gewinnen, sollte sich diese Linie in weiteren Entscheidungen fortsetzen.

Nur in klar begründeten Ausnahmefällen – etwa bei grober Unbestimmtheit, erheblichem Zeitaufwand ohne konkretes Informationsinteresse oder fehlender Identifizierbarkeit bei Videodaten – können Gerichte den Anspruch für unverhältnismäßig erklären.

Ohne Antrag keine Klage

Nicht zuletzt gilt: Wer eine DSGVO-Auskunft gerichtlich einklagen möchte, muss diese zuvor außergerichtlich beantragt haben. Das stellte der BFH im November 2024 klar. Fehlt dieser Antrag, ist die Klage unzulässig – es mangelt schlicht an der „Beschwer“, also der Voraussetzung, um vor Gericht ziehen zu können.


SBS LEGAL – Kanzlei für Datenschutzrecht

Für Unternehmen und Behörden bedeutet das Urteil folgendes: DSGVO-Auskunftsansprüche sind ernst zu nehmen. Eine pauschale Ablehnung mit Verweis auf den Aufwand ist rechtlich kaum haltbar. Umgekehrt müssen Antragsteller ihre Auskunftsgesuche konkret und präzise formulieren, wenn große Datenmengen betroffen sind – andernfalls kann auch ihr Anspruch scheitern.

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