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Haftung auch bei Schweigen vor Gericht


Das Landesarbeitsgericht Köln hat am 5. Oktober 2023 (Az. 6 Sa 152/22) entschieden, dass Personen, die im Gerichtsverfahren ihrer Wahrheitspflicht nicht nachkommen, sich in Schweigen hüllen und trotz gegenteiliger Hinweise das Entgegennehmen von Schmiergeld abstreiten, keinen besonderen Schutz verdienen.

Wer also in einem Prozess bewusst die Unwahrheit sagt oder zu wichtigen Vorwürfen schweigt, kann sich nicht darauf verlassen, dass seine Haftung für einen daraus entstandenen Schaden auf einen Mindestbetrag begrenzt wird.

Mit seinem Urteil macht das Gericht deutlich: Wer die Wahrheitspflicht missachtet und wichtige Tatsachen verschweigt, muss auch mit einer umfassenderen Haftung rechnen.


Was bedeutet Wahrheitspflicht?

Die sogenannte Wahrheitspflicht verpflichtet alle Teilnehmer an einem Gerichtsverfahren, also Parteien, Zeugen und Sachverständige, ausschließlich wahre Angaben zu machen und keine unwahren Aussagen zu verbreiten. Besonders wesentlich ist dieser Grundsatz, um die Integrität des Rechtsverfahrens zu gewährleisten und um sicherzustellen, dass gerechte Entscheidungen getroffen werden können.

Besonders bedeutsam ist, dass die Wahrheitspflicht nicht nur für das gilt, was eine Partei selbst vorträgt. Sie umfasst auch den Umgang mit den Aussagen der Gegenseite. Wer einer gegnerischen Behauptung widerspricht, muss dies ebenfalls wahrheitsgemäß tun und darf nicht absichtlich falsche Aussagen abgeben oder unwahre Angaben einfach bestreiten.

Zu bedenken gilt dabei, dass die Wahrheitspflicht nicht grenzenlos ist, was wiederum bedeutet, dass niemand im Prozess Unzumutbares offenlegen muss.

Es ist ferner zulässig, sogenannte hilfsweise Behauptungen aufzustellen. Kann eine Partei ihre Hauptaussage nicht belegen, darf sie auch alternative Sachverhalte anführen, selbst wenn diese der eigenen Hauptargumentation widersprechen. Das Gericht achtet dabei stets auf den fairen Umgang mit der Wahrheit und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.


Zivilprozessordnung § 138

Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.


Der aktuelle Sachverhalt

Im Mittelpunkt eines Falls vor dem Landesarbeitsgericht Köln stand ein schwerwiegender Verdacht auf Korruption in einer großen Wohnungsgenossenschaft.

Die Genossenschaft betreut rund 1.600 Mitglieder und ist für die Verwaltung von etwa 1.200 Wohnungen und fast 300 Garagen verantwortlich. Dem damaligen technischen Leiter der Genossenschaft wurde vorgeworfen, zwischen 2010 und 2014 Schmiergelder erhalten zu haben. Im Gegenzug soll er dafür gesorgt haben, dass ein bestimmtes Bauunternehmen regelmäßig bevorzugt mit Aufträgen bedacht wurde.

Die Zahlungen stammten von einem Bauunternehmer, der zu jener Zeit Geschäftsführer eines später insolvent gegangenen Betriebs war. Um die illegalen Geldflüsse zu verschleiern, wurde mit gefälschten Rechnungen gearbeitet, die in der Buchhaltung des Bauunternehmens als Aufträge an Subunternehmer oder Lieferanten deklariert wurden.

Infolgedessen wurde der betreffende Bauunternehmer, der größere Summen in bar abgehoben hatte, wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Auch der technische Leiter musste sich verantworten. Für seine Rolle in dem Bestechungsskandal erhielt er eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren.

Die Wohnungsgenossenschaft beanspruchte daraufhin umfassenden Schadensersatz. Sie argumentierte, dass durch das kriminelle Verhalten ihres ehemaligen Mitarbeiters ein erheblicher finanzieller Verlust entstanden sei. Deshalb forderte sie vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 1.579.844 € und verlangte außerdem, dass er offenlegt, welche Beträge er tatsächlich an Schmiergeldern kassiert hatte.

Die Kernpunkte des Falls:

  • Der technische Leiter der Wohnungsgenossenschaft bevorzugt gegen Schmiergeldzahlungen gezielt einen Bauunternehmer bei der Vergabe von Aufträgen.
  • Die Bestechungsgelder wurden über gefälschte Rechnungen unauffällig in die Buchführung eingeschleust.
  • Der Bauunternehmer erhielt wegen Steuerhinterziehung eine Haftstrafe, der technische Leiter wurde wegen Bestechlichkeit zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
  • Die Genossenschaft fordert Schadensersatz in Millionenhöhe und verlangt Auskunft über die Höhe der angenommenen Schmiergeldsummen.

Was heißt Bestechlichkeit?

Was heißt Bestechlichkeit?

Bestechlichkeit beschreibt, wenn jemand bereit ist, für persönliche Vorteile wie Geld, Geschenke oder andere Gefälligkeiten bestimmte Handlungen zu unternehmen oder bewusst etwas zu unterlassen. Solche Vorteile werden dabei nicht offen, sondern heimlich und immer im Tausch gegen eine Art „Gefälligkeit“ gewährt. Etwa, um jemanden bei Entscheidungen zu bevorzugen. Aus rechtlicher und moralischer Sicht gilt Bestechlichkeit als besonders verwerflich, weil sie das Vertrauen in die Integrität von Personen im Berufsleben untergräbt. Manchmal sagt man auch: Bestechlichkeit ist die Bereitschaft, sich „kaufen“ zu lassen, um gegen die eigenen Pflichten oder das Gesetz zu handeln. Sie stellt dabei das „passive“ Gegenstück zur aktiven Bestechung dar, bei der jemand die Vorteile anbietet oder zahlt.

Was sind Schmiergelder?

Schmiergelder sind heimliche Zahlungen oder Vorteile, die eine Person erhält, um im Gegenzug jemanden zu begünstigen, etwa bei der Vergabe von Aufträgen, bei behördlichen Entscheidungen oder bei anderen geschäftlichen Vorgängen. Meist werden die Geldflüsse unter dem Tisch abgewickelt, damit niemand erfährt, dass eine Seite ihre Entscheidungsfreiheit verkauft hat. Schmiergeldzahlungen gelten als rechtswidrig und schädigen nicht nur das Ansehen von Unternehmen oder Behörden, sondern verursachen oft auch direkte wirtschaftliche Schäden.


Die Entscheidungsgrundlage im Fall der Wohngenossenschaft

Das Gericht kam nach eingehender Prüfung der Beweise zu dem Schluss, dass der ehemalige technische Leiter tatsächlich in größerem Umfang Schmiergelder angenommen hatte.

In diesem Zusammenhang gilt: Wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit heimlich Vorteile wie Schmiergeld für die Bevorzugung eines bestimmten Unternehmens entgegennimmt, geht dies weit über eine normale Pflichtverletzung hinaus und stellt eine unerlaubte Bereicherung dar. In solchen Fällen steht dem Arbeitgeber grundsätzlich das Recht zu, den vollen Betrag des erhaltenen Schmiergelds vom Arbeitnehmer zurückzufordern.

Das Gesetz sagt ausdrücklich, dass solche Vereinbarungen sittenwidrig und damit nichtig sind. Juristisch spricht man von einer „unerlaubten Handlung“, die gegen grundlegende moralische und rechtliche Prinzipien verstößt.

Die Pflicht zur Herausgabe der unrechtmäßig erlangten Vorteile leitet sich aus dem sogenannten Auftragsrecht (§ 667 BGB) ab. Danach muss der Arbeitnehmer sämtliche Vorteile, also alle Schmiergeldzahlungen, die er persönlich erhalten hat, vollständig an die Arbeitgeberin herausgeben.


Wie hängen Schmiergeldzahlungen und die Wahrheitspflicht zusammen?

Die Wahrheitspflicht verlangt, wie bereits erwähnt, dass alle Beteiligten in rechtlichen Beziehungen, sei es vor Gericht, gegenüber Behörden oder im Unternehmensalltag, korrekte und vollständige Angaben machen. Schmiergeldzahlungen laufen dem entgegen, da sie meist heimlich erfolgen und gezielt verschleiert werden, etwa durch falsche Buchungen oder getarnte Ausgaben wie angebliche Beratungshonorare.

Wer solche Zahlungen verheimlicht oder falsch deklariert, verletzt nicht nur seine Pflicht zur Wahrhaftigkeit, sondern riskiert strafrechtliche Folgen, zum Beispiel wegen Betrugs oder Steuerhinterziehung. Auch bei internen Prüfungen müssen Verdachtsmomente auf Schmiergeldzahlungen offenbart werden. Verstöße gegen die Wahrheitspflicht reichen von Schadensersatzforderungen über strafrechtliche Strafen bis zu massivem Vertrauensverlust für Unternehmen und Einzelpersonen.


Volle Haftung für Schmiergeld-Empfänger

Das Gericht legte bei der Bewertung des entstandenen Schadens besonderes Gewicht auf das Verhalten des Beklagten vor Gericht. Wer sich, entgegen der gesetzlichen Pflicht zur Wahrheit, im Prozess in Schweigen hüllt oder sogar die Annahme von Schmiergeldern schlichtweg abstreitet, kann daraus keinen Vorteil ziehen. Die Beweislage hatte gezeigt, dass der Beklagte wahrheitswidrig behauptete, keine Schmiergeldzahlungen erhalten zu haben.

Wesentliche Punkte des Urteils:

  • Der Beklagte konnte nicht dadurch bessergestellt werden, dass das Gericht nur einen Mindestschaden schätzt, weil er sich geweigert hatte, zur Schadenshöhe auszusagen.
  • Die Behauptung des Beklagten, die Schadensschätzung stütze sich auf die Aussage „eines Kriminellen“, ließ das Gericht nicht gelten: Der Zeuge hatte unter starker Selbstbelastung umfassend gestanden.
  • Im Gegensatz zum Beklagten hatte der Betriebsinhaber offen eingeräumt, große Summen als Bestechungsgelder gezahlt und dadurch Aufträge erhalten zu haben.
  • Hätte der Beklagte ebenfalls ein Geständnis abgelegt oder sich zumindest zu den Schadensangaben eingelassen, hätte dies seine prozessuale Position verbessern können.
  • Dadurch, dass der Beklagte die Annahme von Schmiergeld pauschal abstritt und keine weiteren Angaben machte, galten die von der Klägerin genannten Tatsachen als unbestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO).
  • Daher wurde der von der Klägerin geschätzte Schaden von 1.579.844 € vom Gericht übernommen.

Fazit

Das Urteil macht deutlich: Wer als Arbeitnehmer Schmiergelder annimmt, riskiert nicht nur seine berufliche Zukunft, sondern trägt auch die volle Verantwortung für den entstandenen Schaden. Selbst dann, wenn er die genaue Summe der erhaltenen Gelder im Verfahren verschweigt. Gerade für Unternehmen unterstreicht der Fall die Bedeutung von rechtzeitiger Beweissicherung und einer sorgfältigen Vorbereitung, um Schadensersatzansprüche bei Korruptionsvorwürfen effektiv durchsetzen zu können.

Bestechlichkeit und Korruption stellen eine schwere Straftat dar, die sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Solche Handlungen untergraben Vertrauen und Fairness im Geschäftsleben und fügen Unternehmen jedes Jahr erhebliche Schäden zu.

Um möglichen Vorwürfen von vornherein zu begegnen, empfiehlt es sich, präzise Compliance-Strukturen im Betrieb zu etablieren und im Verdachtsfall schnell zu handeln. Wer mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist, sollte zudem frühzeitig juristischen Beistand suchen, um Risiken und Konsequenzen bestmöglich zu begegnen.


SBS LEGAL – Kanzlei für Arbeitsrecht 

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