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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 13.10.2022 für ein Stück Rechtsklarheit gesorgt, indem er die Voraussetzungen konkretisiert hat, nach denen Rechtsinhaber bei einer Urheberrechtsverletzung im Internet von den zuständigen Acess-Providern die Sperrung des Zugangs zu Internetseiten verlangen können. Dabei soll die Netzsperre das letzte Mittel sein. Internetseiten dürfen folglich nur dann gesperrt werden, wenn der Rechteinhaber zuvor alle zumutbaren Mittel ausgeschöpft hat. Was zumutbar ist, sei eine Frage des Einzelfalls. Der Versuch, die Rechte gerichtlich durchzusetzen, dürfe nicht unvertretbar lang sein. Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei gegen einen in der EU ansässigen Betreiber oder Host-Provider grundsätzlich zumutbar.
Die klagenden Wissenschaftsverlage aus Deutschland, Großbritannien und USA hatten von einem Telekommunikationsunternehmen (Telekom) als zuständiger Access-Provider verlangt, dass dieses den Zugang zu den Internetseiten der Portale „Library Genesis“ und „Sci-Hub“ sperrt, auf denen wissenschaftliche Artikel und Bücher ohne Zustimmung der Rechteinhaber veröffentlicht worden waren, und an denen ihnen die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden. Dabei handelt es sich um sogenannte Schattenbibliotheken, die wissenschaftliche Forschungsergebnisse kostenlos der Öffentlichkeit zugänglich machen. Dabei verstoßen die Portale aber gegen das Urheberrecht.
Sperren würden dazu führen, dass die Eingabe des Domainnamens nicht mehr zu der Internetseite führen würde, diese allerdings über ihre IP-Adresse weiterhin erreichbar wäre. Sperren von Internetseiten sind das drastischste Mittel, um gegen Rechtsverletzungen im Netz vorzugehen, da ganze Seiten gesperrt werden, also auch möglicherweise legale Inhalte. Netzsperren sind höchst umstritten. Denn sie verletzen den Grundsatz der Netzneutralität, wonach alle Daten im Internet gleich behandelt werden müssen – unabhängig von Inhalt, Absender oder Empfänger. Es besteht auch das Risiko von sogenanntem Overblocking, also das auch legale Inhalte nicht mehr zugänglich sind. Zudem lassen sich die Sperren mit einfachen Mitteln umgehen, weshalb sie auch als untaugliches Mittel gelten. Aus diesem Grund hatte der BGH schon in seinem Grundsatzurteil aus dem Jahre 2015 einer Internetsperrung wegen Urheberrechtsverletzungen sehr enge Grenzen gesetzt.
Mit dieser wird die Zuordnung zwischen dem in die Browserzeile eingegebenen Domainnamen und der IP-Adresse des Internetdiensts auf dem DNS-Server des Access-Providers verhindert, so dass der Domainname nicht mehr zur entsprechenden Internetseite führt. Die Internetseite ist allerdings unter ihrer IP-Adresse weiterhin erreichbar. Die Internetseite kann also mit Umgehungsmaßnahmen weiterhin erreicht werden. Solche Sperrungen werden insbesondere bei Urheberrechtsverletzungen vorgenommen.
DNS-Sperren unterscheiden sich von urheberrechtlichen Unterlassungansprüchen dadurch, dass sie nicht gegenüber dem Störer geltend gemacht werden, sondern gegenüber dem Telekommunikationsunternehmen, das die betroffene Domain hostet. Deshalb werden an sie auch hohe Anforderungen gestellt.
Während das LG München I der Klage der Verlage stattgab, wies das OLG München diese mit der Begründung ab, dass die Kläger die nach § 7 Abs. 4 TMG ihnen zur Verfügung stehenden Abwehrmöglichkeiten voll ausschöpfen hätten müssen. Die Verlage hätten zunächst Betreiber der Internetseite oder den sog. Host-Provider in Anspruch nehmen müssen. Dies sind immerhin diejenigen, die Webleistungen und den Speicherplatz für die Dienste anbieten. Einer der Betreiber konnte allerdings nicht identifiziert werden und der andere mit Sitz in Kasachstan reagierte auf außergerichtliche Post nicht. Einer der Host-Provider hat allerdings seinen Sitz in Schweden. Die Verlage hätten sich also zunächst an den in Schweden ansässigen Host-Provider der beiden Internetseiten wenden müssen, und ihn auf Auskunft über die Identität des Webseitenbetreibers oder auf Entfernung der mutmaßlich rechtswidrigen Inhalte verklagen müssen.
„Keine andere Möglichkeit“ im Sinne von § 7 Abs. 4 TMG liegt vor, sofern zumutbare Anstrengungen von den Klägern unternommen wurden, die Rechtsverletzung zu beseitigen und diese gescheitert sind oder dies von vornherein ohne Erfolgsaussicht wäre. Die Zumutbarkeit ist am Einzelfall zu entscheiden. Nachforschungen nach dem Betreiber einer Internetseite und dem Host-provider seien zumindest zumutbar. Ist der Betreiber bekannt muss dieser vorerst außergerichtlich in Anspruch genommen werden.
Der BGH bestätigt im vorliegenden Fall, dass der Access-Provider, welcher den Zugang zum Internet vermittelt, zu weit weg ist. Daher hafte er nur subsidiär gegenüber den Betreibern der Internetseiten oder den Host-Providern, welche zu der Rechtsverletzung beigetragen haben, indem sie Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Daher haben laut BGH diese Beteiligten die Rechtsverletzung selbst begangen und müssen vorrangig haften.
Kann der Rechteinhaber jedoch darlegen, dass die erforderlichen und grundsätzlich zumutbaren Anstrengungen in seinem Fall aussichtslos wären, können diese nach Auffassung des BGH unterbleiben. Können sie diesen Beweis nicht führen, sind sie jedenfalls bei Betreibern und Host-Providern mit Sitz in der EU auf das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz verwiesen, bevor Sie vom Acess-Provider eine Internetsperre verlangen können. Für eine solche klageweise Geltendmachung seiner Ansprüche dürfte dem Rechteinhaber allerdings keine Maßnahmen auferlegt werden, die zu einer unzumutbaren zeitlichen Verzögerung der Anspruchsdurchsetzung führen.
Für den BGH war im entschiedenen Fall zunächst unklar, ob die Klägerinnen in Schweden ihren Anspruch gegen den dort ansässigen Host-Provider über einen einstweiligen Rechtsschutz hätten geltend machen können, wie es das OLG München noch unstreitig angenommen hatte. Grund dafür ist, dass es in Schweden möglicherweise gar kein passendes Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz gibt. Sie hätten aber zumindest vor einem deutschen Gericht versuchen müssen, im Wege einer einstweiligen Verfügung einen Auskunftsanspruch gegen den schwedischen Host-Provider geltend zu machen. Ein Access-Provider, der lediglich allgemein den Zugang zum Internet vermittelt, hafte nur subsidiär. Ohne das versucht zu haben, konnten sie von der Deutschen Telekom als Access-Provider keine Sperre verlangen.
Mit diesem Urteil bekräftigt der BGH die hohen Hürden für die Sperrung von Internetseiten aus seiner vergangenen Rechtsprechung aus dem Jahre 2015. Eine Internetsperre bei Urheberrechtsverletzungen darf nur das allerletzte Mittel sein und ist nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Diese engen Grenzen sind mit der Gefahr zu begründen, dass bei einer Sperre auch legale Inhalte nicht mehr zugänglich wären.
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