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| Wettbewerbsrecht

Abmahnverbot für IDO-Verband in manchen Branchen


Fehlende Aktivlegitimation? Zu wenig Mitglieder? Warum Abmahnungen vom IDO unrechtmäßig sein können…

Seinen Vereinszweck beschreibt der IDO selbst als „die umfassende Förderung insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler“. Über 2.100 unmittelbare Mitglieder aus unterschiedlichen Branchen hat er mittlerweile. In der Praxis ist der IDO dabei hauptsächlich dafür bekannt geworden, unzählige Abmahnungen zu verschicken. Seit Gründung des Verbands sind bereits mehrere 10.000 Unternehmen von dem Verband abgemahnt worden – angeblich wegen rechtsmissbräuchlichen Wettbewerbs.

Unabhängig davon, ob im jeweiligen Fall einer Abmahnung tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, der zurecht abgemahnt wird, stellt sich auch ganz grundsätzlich die Frage, ob der IDO als Verein überhaupt abmahnen darf. Die Urteile mehrerer Gerichte dazu lauten: „Nein; denn dem IDO fehlt die Aktivlegitimation, um Abmahnungen aussprechen zu dürfen“ – zumindest in einigen Branchen. Es lohnt sich also ein genauerer Blick auf das Mahnschreiben und dessen Umstände, wenn man eine Abmahnung vom IDO erhalten hat.


Was mahnt der IDO-Verband ab? Wer ist (potenziell) von Abmahnungen betroffen?

Als sogenannter „Abmahnverein“ mahnt der IDO Wettbewerbsverstöße ab. Dabei hat er sich darauf konzentriert, den Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht nachzugehen, die leicht über das Internet festzustellen sind.

Betroffen sind also hauptsächlich Onlinehändler: Unternehmer, die einen eigenen Onlineshop betreiben, oder auch solche, die ihre Waren auf Plattformen wie eBay und Amazon zum Verkauf anbieten.


Wer darf überhaupt abmahnen?

Die Überwachung des Wettbewerbs liegt in Deutschland nicht in staatlicher Hand. Stattdessen übernehmen diese Aufgabe Konkurrenten, Verbände und qualifizierte Institutionen – sie sind die „Marktwächter“. Dabei ist allerdings gesetzlich geregelt, wer genau von diesen Verbänden in die Marktwächter-Rolle schlüpfen darf bzw. welche Institutionen als „qualifiziert“ gelten, um den Wettbewerb zu überwachen.

Eine Aktivlegitimation (die Befugnis, wettbewerbsrechtlich abzumahnen) haben...

...gemäß dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (§8, Absatz 3 (UWG):

  • Mitbewerber
  • rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt
  • qualifizierte Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind
  • die Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern.

Was heißt das also für den IDO?

Der IDO gilt als ein Verband und darf also nur abmahnen, wenn ihm „eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben [wie die Unternehmer, die er abmahnt]“.

abmahnung schreibmaschine

Wichtig ist, dass die Unternehmer, die dem abmahnenden Verband (dem IDO) angehören, die Branche bzw. die Mitbewerber desjenigen, der abgemahnt wird, repräsentieren – nach Anzahl, Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht. Es darf dem Verband (dem IDO) auch nicht darum gehen, Individualinteressen wahrzunehmen, sondern die gewerblichen Interessen aller Wettbewerber – des Kollektivs.

Ab welcher Zahl man von einer erheblichen Zahl von Unternehmern“ sprechen kann, entscheiden Gerichte im Einzelfall. Bezüglich des IDO haben die Gerichte in jüngerer Vergangenheit in mehreren Fällen geurteilt: Nein, dieser Verband hat keine entsprechende Aktivlegitimation. Es besteht also quasi ein Abmahnverbot für den IDO in manchen Branchen. In welchen Branchen ist das jedoch der Fall?


Schmuckbranche

Anfang des Jahres stellte das OLG Koblenz fest: Der IDO darf in der Branche „Schmuck“ nicht abmahnen. Denn er hat eine zu geringe Mitgliederanzahl in diesem Bereich und demnach weder Aktivlegitimation noch Prozessführungsbefugnis zum Abmahnen (Beschluss vom 03.02.2020, Az: 9 W 356/19). Der Verein konnte nicht beweisen, dass ihm eine „erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben“. Tatsächlich beläuft sich die Zahl der IDO-Mitglieder in der Schmuckbranche auf nur 20 Unternehmen. Zudem sind diese 20 Unternehmen überwiegend eBay-Händler. D.h. sie sind ohnehin nicht so gewichtig hinsichtlich der Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung, wie es bei Betreibern von stationären Ladengeschäften, die schon länger am Markt tätig sind, der Fall ist – sie wiederum haben nämlich ein höheres wirtschaftliches Gewicht und eine dementsprechend größerer Marktbedeutung.

Vorerst darf der IDO also nicht andere Schmuckhändler bzw. Unternehmen in der Schmuckbranche abmahnen. Allerdings kann er seine Berechtigung dafür wiedererlangen – z.B. indem er neue Mitglieder in der entsprechenden Branche aufnimmt und sich besser im Prozess vorbereitet.


Unterhaltungselektronik – Unclean Hands

Auch als der IDO ein mittelständisches Unternehmen für Unterhaltungselektronik abgemahnt hatte, stellte ein Gericht (diesmal das LG Heilbronn) fest: Das Aussprechen der Abmahnung war rechtsmissbräuchlich (Urteil vom 20.12.2019, Az: 21 O 38/19 KfH). Denn wie sich durch die Recherche der Anwälte des Abgemahnten im betreffenden Fall herausstellte, mahnte der IDO Konkurrenten ab, während er seine eigenen Mitglieder hingegen verschonte. Die Heilbronner Richter urteilten:

„Der Widerkläger (Anmerkung: der IDO) hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein gerichtliches Verfahren benennen können, dass einen Unterlassungsanspruch gegen ein Mitglied betraf. (…) Im Ergebnis stellt sich die Vorgehensweise des Widerklägers als Missbrauch unter Würdigung der Begleitumstände des vorprozessualen und prozessualen Vorgehens dar.“

Der Abmahnverein hat beim OLG Stuttgart gegen das Urteil Berufung eingelegt. Eine abschließende Entscheidung des OLGs bleibt noch abzuwarten.

Der Vorwurf, dass der Gegner (IDO) den Fehler, den er abmahnt, selbst begeht, nennt sich „Unclean Hands“. Zwar legitimiert das nicht automatisch das Fehlverhalten des Abgemahnten (denn wettbewerbsrechtliche Verstöße berühren regelmäßig die Belange Dritter), aber es zeigt sich eben, dass beide Seiten einen Fehler begangen haben – und entsprechend beide dafür belangt werden müssen; also auch die Mitglieder des IDO selbst.


Multimedia, Haushaltsgeräte und Elektroartikel

Ein weiterer Fall, in dem ein Gericht die fehlende Aktivlegitimation des IDO feststellte – diesmal im Bereich Multimedia, Haushaltsgeräte und Elektroartikel: Der IDO hatte einen eBay-Verkäufer abgemahnt, das LG Rostock beurteilte diese Abmahnung aber als unrechtmäßig. Abermals hatte der IDO nämlich nicht ausreichend Mitglieder in der gleichen Branche (anders gesagt: Mitbewerber) wie in dem Unternehmen, das der Verband abgemahnt hatte (Urteil vom 10.01.2019, Az: 5a HKO 120/18).


Nahrungsergänzungsmittelbranche

Wieder lag den Richtern am LG Rostock ein Fall um eine Abmahnung des IDO vor. Wieder kamen sie zu dem Schluss: Der IDO ist in der entsprechenden Branche nicht klagebefugt (Urteil vom 25.04.2019, Az. 5a HK O 112/18). Diesmal handelte es sich um Vitamine in der Nahrungsergänzungsmittelbranche. Auch hier konnte der Abmahnverein keine Mitglieder vorweisen, die hinreichend groß bzw. gemäß ihrem wirtschaftlichen Gewicht bedeutend genug für den entsprechenden Markt (die Nahrungsergänzungsmittelbranche) sind.

Die bloße Tatsache, dass der Beklagte (der IDO) schon viele gerichtliche Verfahren bundesweit geführt hat und demnach hinsichtlich seiner erforderlichen personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung und seiner Fähigkeit zur tatsächlichen Zweckverfolgung klagebefugt ist, ist nämlich auch notwendig, aber eben nicht hinreichend: Denn trotz alledem muss der IDO genügend Mitglieder mit entsprechender Repräsentationskraft in der Branche haben, um abmahnen zu dürfen. Dies war hier abermals nicht der Fall – und der IDO dementsprechend auch in der Nahrungsergänzungsmittelbranche nicht klagebefugt.


Bücher und Spielwaren

Der IDO hatte einen Verkäufer von Comics auf eBay abgemahnt. Und – wir wiederholen uns – auch hier lautete das Urteil eines Gerichts, dass der IDO keine Prozessführungsbefugnis hatte. Denn – schon wieder – konnte der IDO nicht genügend Mitglieder in der Branche vorweisen. Tatsächlich wurde hier festgestellt, dass der Abmahnverein kein einziges Mitglied im Bereich Bücher und Spielwaren hat, das in echter Konkurrenz mit dem von ihm Abgemahnten steht. In diesem Fall ist also besonders offensichtlich, dass der IDO bloß abzumahnen scheint, um daraus einen finanziellen Profit zu schlagen. Dieses Verhalten ist rechtsmissbräuchlich; eine Aktivlegitimation hat der IDO auch in dieser Branche nicht (Urteil vom 02.05.2019, Az: 6 U 58/18).


„Ich habe eine Abmahnung erhalten. Was soll ich tun?“

Wichtig, wenn man eine Abmahnung erhalten hat: Nicht in Panik geraten und unter Druck voreilig eine Unterlassungserklärung unterschreiben! Denn wer seine persönliche Unterschrift unter eine Unterlassungserklärung setzt, gibt damit offiziell zu, den Wettbewerbsverstoß, der einem vorgeworfen wird, tatsächlich begangen zu haben – auch wenn das eigentlich vielleicht gar nicht stimmt. Außerdem verpflichtet man sich dabei gleichzeitig, den entsprechenden Verstoß nicht zu wiederholen. Tut man das doch, muss man eine Vertragsstrafe zahlen – egal, ob man den Verstoß doch bloß unabsichtlich begangen hat.

Also, was tun? Die Abmahnung, die einem zugeschickt wurde, anwaltlich überprüfen. Und zwar hinsichtlich des Verstoßes selbst (hat man tatsächlich wettbewerbswidrig gehandelt – oder nicht?) und auch hinsichtlich des Abmahnenden: Die sich häufenden Fälle, in denen Richter dem IDO eine fehlende Aktivlegitimation attestiert haben (meist wegen zu weniger/unbedeutender Mitglieder in der entsprechenden Branche), zeigen, dass der Abmahnverein nicht immer zurecht abmahnt – auch wenn man ein Abmahnschreiben grundsätzlich durchaus ernst nehmen und nicht schlichtweg ignorieren sollte.

>>> Was mache ich bei einer Abmahnung? 7 REGELN <<<


SBS LEGAL - Kanzlei für Wettbewerbsrecht und gewerblichen Rechtsschutz in Hamburg

Auch unser Anwalts-Team hat sich bereits mit vielen Fällen von Abmahnungen durch den IDO oder einen anderen Abmahnverein befasst – angesichts der vielen tausenden Schreiben, die diese Verbände verschicken, um Unternehmer abzumahnen, ist das sogar eine häufig vorkommende Angelegenheit in unserer Arbeit als Anwälte. Entsprechend viel Erfahrung und Wissen haben wir in der erfolgreichen Betreuung von Mandanten, die eine Abmahnung erhalten hatten, sammeln können.

Haben auch Sie eine Abmahnung erhalten oder suchen Beratung zu einem anderen wettbewerbsrechtlichen Thema? Dann sind Sie genau richtig bei uns. Kontaktieren Sie uns gern – wir freuen uns bereits jetzt, Ihren Erfolg zu gestalten.

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