Rechtsanwalt & Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
T (+49) 040 / 7344 086-0
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Spezialist für Arbeitsrecht, Zertifizierter Datenschutzbeauftragter (TÜV)
T (+49) 040 / 7344 086-0
Blog News
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden entschied kürzlich, dass Eingriffe in die Sozialsphäre des Persönlichkeitsrechts eines Politikers infolge einer unwahren Tatsachenbehauptung zwar nicht toleriert werden müssen, aber nur in besonders schwerwiegenden Fällen zu einer Geldentschädigung führen.
Der Kläger, Mitglied des Deutschen Bundestags für "Die Linke" in Leipzig-Süd, verlangte eine Geldentschädigung, fiktive Lizenzgebühr oder materiellen Schadensersatz, weil er sich durch einen dadurch erlittenen Image-Schaden in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sah. Nachdem der Kläger 2022 eine Demonstration mit dem Titel "Preise runter - Energie und Essen müssen bezahlbar sein" angemeldet hatte, plante auch die Beklagte eine Demo in unmittelbarer Nähe und zu derselben Zeit. Um für ihre Demonstration "Freie Sachsen unterstützen den Montagsprotest von Sören Heilmann und Der Linken - gemeinsam gegen die da oben" zu werben, veröffentlichte die Beklagte einen Werbeflyer auf Telegramm. Dort wurden neben dem Namen des Klägers auch die von LINKE-Politiker Gregor Gysi und gesichert rechtsextremen Menschen aufgeführt. Der Kläger erwirkte bereits zwei Tage nach der Veröffentlichung eine Unterlassungsverfügung hinsichtlich der Veröffentlichung des Flyers, woraufhin der Beitrag am nächsten Tag wieder gelöscht wurde.
Nach Auffassung des Klägers hat die Unterlassungsverfügung die erlittene Verletzung seines Persönlichkeitsrechts nicht ausreichend ausgeglichen. Für Politiker habe es eine besondere Bedeutung, nicht mit dem entgegengesetzten politischen Lager in Verbindung gebracht zu werden. Allein der Anschein einer gemeinsamen Demonstration schädige demnach die Glaubwürdigkeit des Politikers. Die Beklagte habe hingegen versucht, einen "Imagetransfer" herbeizuführen, indem er den Anschein erweckte, ein beliebter Politiker der Gegenseite sei bereit, mit ihr gemeinsam für politische Ziele kämpfen.
Er forderte eine besonders hohe Entschädigung in Höhe von 10.000 €, weil er als Politiker durch Artikel 21 Grundgesetz einen besonderen Schutz genieße und die Höhe zudem dem Rechtsgedanken der "Lizenzentschädigung" folge. Zudem hätte es durch die Verwendung seines Namens eine unzulässige werbliche Vereinnahmung des Klägers gegeben, wodurch auch eine materielle Entschädigung durch Abschöpfung dieses Vermögenswertes in Betracht komme. Darüber hinaus fordert der Kläger die Herausgabe eines durch die unbefugte kommerzielle Nutzung seines Namens und guten Rufs erzielten Verletzungsgewinns und eine Geldentschädigung in Folge der rechtswidrigen Datenverarbeitung nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) durch die unbefugte Namensverwendung.
Entgegen der Auffassung des Klägers begründet die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur dann einen Entschädigungsanspruch, wenn es sich um einen besonders schwerwiegenden Eingriff handelt, der nicht anderweitig befriedigend aufgefangen werden kann. Dadurch soll der Schutzauftrag aus Artikel 1 und 2 Absatz 1 Grundgesetz angemessen erfüllt werden. Die Schwere der Verletzung hängt dabei insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, dem Anlass und Beweggrund des Handelnden und dem Grad des Verschuldens ab. Der Anspruch soll - so das OLG - nur gewährt werden, wenn über die Persönlichkeit an ihrer Basis verfügt wird. Umfasst sind insbesondere schwere Eingriffe in die Intim- oder Privatsphäre, unwahre Tatsachenbehauptungen von besonderem Gewicht oder gewichtige Diffamierungen in der Öffentlichkeit.
Das Gericht entschied, dass die Verletzung in diesem Fall nicht schwerwiegend genug sei, um eine Geldentschädigung zu rechtfertigen. Es liegt allerdings ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrechts des Klägers vor, den dieser nicht hinnehmen muss.
In diesem Fall ist nur die Sozialsphäre, die die Persönlichkeit in den Beziehungen zur Umwelt und die öffentlichen, wirtschaftlichen, beruflichen und parteipolitischen Beziehungen schützt, berührt. Sie ist allerdings, insbesonde hinsichtlich der Betätigung im öffentlichen, wirtschaftlichen oder politischen Leben, nur eingeschränkt geschützt. Daher sind nur besonders schwerwiegende Eingriffe, insbesondere in Verbindung mit Stigmatisierung oder Ausgrenzung, verboten.
Der Ausgangspunkt des Verfahrens liegt darin, dass es durch den Werbeflyer der Beklagten so wirkt, als würde der Kläger mit ihr zusammenarbeiten. Eine derartige Aussage ist zwar nicht explizit auf dem Flyer aufgeführt, kann allerdings aus dem Gesamtkontext für unvoreingenommene Leser als verdeckte Aussage erkannt werden. Objektive Dritte würden zwar nicht zwingend denken, der Kläger wäre aktiv auf die Beklagte zugegangen, aber zu dem Schluss kommen, dass der Kläger sich die Zusammenarbeit mit der Beklagten zumindest gefallen lässt und deshalb "gemeinsam auf die Straße" geht. Zwar spricht der Slogan "getrennt marschieren, gemeinsam schlagen!" aus dem Flyer für getrennt stattfindende Demonstrationen, der Gesamtkontext legt jedoch trotzdem eine Zusammenarbeit nahe. Insbesondere die Aufzählung der Politiker von bekannten Rechtsextremen bis zum ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Bundestag kann der Leser nur so verstehen, dass die Demos "gemeinsam" stattfinden.
Die verdeckte Behauptung einer Kooperation ist unstreitig unwahr, weil die Bereitschaft des Klägers zu einer solchen Unterstützung zu keinem Zeitpunkt gegeben war. Zwar besteht kein Anspruch darauf, nur so gestellt zu werden, wie man sich selbst sieht oder gesehen werden will und das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch nicht vor "Applaus von der falschen Seite", aber das Persönlichkeitsrecht ist bei Aussagen, die für die Persönlichkeitsentwicklung nicht ganz unerheblich sind, dennoch betroffen.
Der Flyer beeinträchtigt den Kläger in seinem sozialen Geltungsbereich, indem er in der breiten Öffentlichkeit und bei der potenziellen Wählerschaft der LINKEN in ein negatives Licht gerückt wird. Die Behauptung der Beklagten erweckt den Eindruck, der Kläger stünde der Beklagten zumindest so nah, dasss er gemeinsam mit ihr auf einer Demonstration auftritt. Dabei kann bereits der bloße Anschein einer solchen Annäherung das Ansehen des Klägers und dessen Integrität als Politiker erheblich beschädigen.
Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts erreicht allerdings nicht den Erheblichkeitsgrad, der für eine Geldentschädigung erforderlich wäre. Zwar kann bereits die Nähe zum rechtsnationalen Spektrum zu einem Image-Schaden führen, der Flyer erweckt jedoch nicht den Eindruck, der Kläger hätte selbst aktiv die Nähe zum gegnerischen Politiker gesucht. Stattdessen wirkt er "nur" wie jemand, der deren Unterstützung im Interesse der gemeinsamen Sachen duldet. Diese Auffassung muss nicht geduldet werden, reicht jedoch nicht aus, um zusätzlich zur Unterlassungsverfügung eine Geldentschädigung zu rechtfertigen.
Zudem ergibt sich auch keine besondere Schwere aus der Dauer der Inszenierung und der Größe des erreichten Empfängerkreises. Der Werbeflyer war nur rund zwei Tage lang in der Telegramm-Gruppe sichtbar, deren Mitglieder hauptsächlich Anhänger der Freien Sachsen sind. Es erscheint daher unwahrscheinlich, dass Anhänger der LINKEN dem Kanal folgen oder deren Inhalte überhaupt ernst nehmen. Ein Image-Schaden müsste daher nicht ernsthaft befürchtet werden.
Anders als vom Kläger angenommen wiegt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht besonders schwer, weil es sich bei ihm um einen Politiker handelt. Auch wenn das OLG Köln in der Vergangenheit eine besondere Schwere angenommen hat, als mit dem Namen eines Betroffenen zu politischen Zwecken geworben wurde, widerspricht das OLG Dresden dem jedoch zumindest in Fällen, in denen der "Vereinnahmte" selbst Politiker ist. Der politische Meinungskampf neigt in der Regel zu Zu- und Überspitzungen politischer Positionen, wozu häufig auch die Vereinnahmung gegnerischer Politiker zu eigenen Zwecken gehört. Die Grenzen zulässiger Aussagen müssen im politischen Meinungskampf somit weiter gestreckt werden, um die ansonsten drogende Verrechtlichung des politischen Raumes zu verhindern. Im politischen Meinungskampf bleibt die Geldentschädigung daher regelmäßig Eingriffen in die Privat- oder Intimsphäre oder Fällen der Schmähkritik vorbehalten.
Darüber hinaus kann sich der Kläger auch nicht auf Artikel 21 Grundgesetz für eine besondere Schwere berufen, da davon Parteien und nicht einzelne Politiker geschützt werden.
Durch die Nutzung seines Namens in dem Werbeflyer kann der Kläger auch keine fiktive Lizenzgebühr nach §§ 812 Absatz 1 Satz 1 Alternative 2, 818 Bürgerliches Gesetzbuch geltend machen. Die Beklagte hat laut dem OLG Dresden nicht in den - soweit vorhandenen - vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Namen eingegriffen. Zwar wird wegen der Schwierigkeit der Feststellung des Schadens bei Immaterialgütern auf die angemessene Vergütung, die üblicherweise bei vertraglicher Gestaltung des Eingriffs gezahlt wird, abgestellt, das allgemeine Persönlichkeitsrechts wird jedoch nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der Person gewährleistet. Der Ausgleich beschränkt sich somit auf die Verletzung von Befugnissen zur kommerziellen Verwertung vermögenswerter Bestandteilen. Die Grenze der Anwendbarkeit befindet sich an der Stelle, an der der Ersatzanspruch eines materiellen Schadens nicht in Betracht kommt, das Entschädigungsverlangen somit allein auf den Ausgleich immaterieller Beeinträchtigungen gerichtet ist und es ausgeschlossen erscheint, dass der Betroffene die Lizenz erteilt hätte. Der Kläger verlangt hier keinen materiellen Schadensersatz, sondern eine Geldentschädigung, für die die Grundsätze der Lizenzanalogie genutzt werden.
Die vom Kläger geltend gemachten Grundsätze zur Lizenzanalogie sind jedoch nicht auf diesen konkreten Fall übertragbar. In einer solchen Analogie wegen eines Image-Transfers geht es darum, den materiellen Gewinn abzuschöpfen, der infolge der Verwendung eines Bildnisses oder Namens durch den damit einhergehenden Image-Transfer entsteht. Zentral ist somit die unentgeltliche und ungefragte Nutzung der Prominenz einer Person für kommerzielle Zwecke. In diesem Fall ist die Situation allerdings nicht dadurch gekennzeichnet, die Beklagte sich den vermögenswerten Namenswert des Klägers zu eigen gemacht hat, um daraus "kommerzielles Kapital zu schlagen". Zwar wirbt die Beklagte mit dem Bekanntheitsgrad von Gregor Gysi und dem - abseits politisch interessierter Kreise beschränkten - des Klägers für die eigene Veranstaltung und versucht, sie dadurch seriöser aussehen zu lassen, sie hat allerdings nicht versucht, sich diesen Werbewert im Geschäftsverkehr zunutze zu machen.
Der Werbeaspekt steht bei der geltend gemachten Beeinträchtigung zudem gar nicht im Vordergrund. Stattdessen geht es dem Kläger um den befürchteten Imageschaden, sodass es sich um eine rein immaterielle Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts handelt. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die einwilligungslose Aufnahme des Namens in den Werbeflyer tritt gegenüber der Schädigung der politischen Glaubwürdigkeit so weit in den Hintergrund, dass ihr kein eigenständiger Wert in der Gesamtwürdigung beizumessen ist.
Auch wenn der Name ein "Datum" im Sinne des Artikel 4 Nummer 1 der Datenschutzgrundverordnung und dessen Verwendung für einen Werbeflyer eine "Verarbeitung" im Sinne der Nummer 2 ist und im Ergebnis kein Rechtfertigungsgrund nach Artikel 6 DSGVO erkennbar ist, ist jedenfalls der Schutzbereich der Vorschrift nicht betroffen. Artikel 82 Absatz 1 der Verordnung gewährt einen Ersatzanspruch wegen Schäden aus Verstößen gegen die DSGVO, der allerdings nicht uferlos für alle denkbaren Verstöße anwendbar ist. Der Schadensersatzanspruch wird allerdings nur gewährt, wenn der geltend gemachte Schaden nach seiner Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt. Die Verarbeitung personenbezogener Daten als Teil der öffentlichen Kommunikation in der äußerungsrechtlichen Dimension fällt in den Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und nicht in die informationelle Selbstbestimmung der DSGVO. Knüpft die Beeinträchtigung wie in diesem Fall an das Ergebnis eines Kommunikationsprozesses an, ist allein der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts betroffen.
Der eigene Ruf ist sowohl für Unternehmen als auch Privatpersonen von höchster Bedeutung. Um ihn im Ernstfall optimal schützen zu können, ist ein erfahrener Rechtsbeistand wichtig. Unsere Anwälte von SBS LEGAL helfen Ihnen, sich und Ihr Unternehmen bestmöglich abzusichern.
Zögern Sie nicht, sich bei uns zu melden! Das Team von SBS LEGAL steht Ihnen jederzeit mit seiner jahrelangen Expertise zur Seite.