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Besteht der Verdacht, dass Lebensmittel zu einer Gefahr für die Gesundheit werden können, haben Behörden das Recht, die Allgemeinheit darüber in Kenntnis zu setzen. Auch dann, wenn kein hinreichender Verdacht vorliegt. So zumindest entschied das EuGH in einem aktuellen Urteil. Grund genug, sich näher mit dem Lebensmittelrecht, den Lebensmittelkontrollen und dem Verbraucherschutz zu beschäftigen. Wann informieren Behörden über Gesundheitsgefahren?
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Handel mit Lebensmitteln innerhalb der Europäischen Union sind weitgehend vereinheitlicht. Zentrale Grundlage bildet die sogenannte Basisverordnung, konkret (EG) Nr. 178/2002. Die Verordnung definiert umfassende Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit und stellt klar: Produkte, die potenziell gesundheitsgefährdend sind, dürfen nicht in den Verkehr gelangen. Artikel 14 der Verordnung legt fest, dass Unternehmen in der Lebensmittelbranche eine besondere Verantwortung tragen, um mögliche Risiken für Verbraucher auszuschließen.
Darüber hinaus werden wesentliche Prinzipien formuliert, die beim Inverkehrbringen von Lebens- und Futtermitteln beachtet werden müssen. Dazu gehören:
Neben der zentralen Basisverordnung regeln zahlreiche weitere EU-Verordnungen und Richtlinien die Lebensmittelsicherheit in den Mitgliedstaaten. Eine zentrale Rolle spielt die Verordnung (EU) 2017/625 („EU-Kontrollverordnung“), die amtliche Kontrollen und Maßnahmen zur Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorgaben sicherstellt. Auf nationaler Ebene konkretisiert die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur amtlichen Überwachung (AVV RÜb) die Vorgaben und sorgt für eine bundesweit einheitliche Kontrolle. Sie dient zugleich als Steuerungsinstrument für Prüfungsintervalle.
Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter führen auf Landesebene gezielte Untersuchungen durch, die von bundesweiten Kontrollprogrammen wie dem Lebensmittel-Monitoring, dem Bundesweiten Überwachungsplan (BÜP) und dem Mehrjährigen Nationalen Kontrollplan (MNKP) ergänzt werden.
Die Kontrollen erstrecken sich über die gesamte Produktions- und Lieferkette – von der Landwirtschaft über die Verarbeitung und den Einzelhandel bis hin zu Grenzkontrollstellen. Auch Gastronomiebetriebe und Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung unterliegen regelmäßigen, risikobasierten Prüfungen.
Institution |
Aufgaben |
Die Bundesländer |
Zuständig für die amtliche Lebensmittelüberwachung, koordiniert durch die Landesministerien oder Senatsverwaltungen. Kontrolle aller Stufen der Lebensmittelherstellung, einschließlich Lagerung, Transport und Gastronomie. |
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft |
Verantwortlich für Verbraucherschutz, Qualitätssicherung und umwelt- sowie tiergerechte Erzeugung. Aufsicht über verschiedene Bundesbehörden wie BfR und BVL. |
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) |
Koordination der Lebens- und Futtermittelüberwachung in Deutschland, nationale Kontaktstelle des europäischen Schnellwarnsystems, Entwicklung von Maßnahmen zur Krisenvermeidung. |
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) |
Erarbeitet wissenschaftliche Gutachten zur Lebensmittelsicherheit, erstellt Risikobewertungen und entwickelt Strategien zur Risikominderung. |
Der Zoll |
Überprüfung importierter Lebensmittel an den Grenzen. Bei Verstößen werden Produkte vernichtet oder zurückgeschickt. Untersteht dem Bundesministerium für Finanzen. |
EU-Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit |
Teil der Europäischen Kommission, zuständig für Gesundheit, Lebensmittelsicherheit und Verbraucherangelegenheiten. Entwickelt Rechtsvorschriften und Maßnahmen. |
Europäisches Lebensmittel- und Veterinäramt |
Überprüfung der Einhaltung von EU-Recht in Mitgliedstaaten durch Inspektionen. BVL fungiert als nationale Koordinierungsstelle für diese Inspektionen. |
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) |
Berät die Europäische Kommission in allen Fragen der Lebensmittelsicherheit, erstellt wissenschaftliche Gutachten und bietet Entscheidern wissenschaftlich fundierte Analysen. |
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist als eigenständige Bundesoberbehörde dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstellt. Seine Befugnis, vor gesundheitsgefährdenden Produkten zu warnen, ist gesetzlich im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) geregelt.
Eine offizielle Warnung durch das BVL erfolgt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Bis zur Einführung von lebensmittelwarnung.de im Jahr 2011 mussten Verbraucher Warnmeldungen auf den einzelnen Webseiten der 16 Landesministerien oder Senatsverwaltungen suchen. Um eine zentrale Informationsquelle zu schaffen, wurde das Portal auf Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz ins Leben gerufen.
Seitdem werden hier Produkte veröffentlicht, die aufgrund möglicher Gesundheitsrisiken entweder von Unternehmen zurückgerufen oder von Behörden als bedenklich eingestuft wurden.
Die Warnungen beziehen sich auf:
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied jüngst, dass nationale Regelungen zur Verbraucherinformation im Lebensmittelbereich nicht zwingend an eine konkrete Gesundheitsgefahr geknüpft sein müssen (Urt. v. 11.07.2013, Az. C-636/11). Behörden dürfen demnach auch dann über Qualitätsmängel von Lebensmitteln informieren, wenn diese zwar nicht gesundheitsschädlich, aber dennoch ungenießbar sind.
Allerdings betonte das Gericht zugleich, dass Geheimhaltungspflichten gewahrt bleiben müssen – insbesondere bei laufenden Verfahren. Dies könnte bedeuten, dass eine Veröffentlichung von Informationen über genussuntaugliche, aber ungefährliche Lebensmittel regelmäßig unzulässig ist.
Ausgangspunkt des Verfahrens war eine Vorlage des Landgerichts München, das sich mit der Klage eines bayerischen Wildfleischverarbeiters befasste. Dieser hatte die Behörde per Amtshaftungsklage verklagt, nachdem das Verbraucherschutzministerium des Freistaats Bayern seine Produkte in drei Pressemitteilungen als „ranzig, stickig, muffig und sauer“ bezeichnet hatte.
Die Konsequenzen für das Unternehmen waren gravierend: Die öffentliche Warnung führte zur Insolvenz, obwohl die betroffenen Lebensmittel zwar genussuntauglich, jedoch nicht gesundheitsschädlich waren.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte entschieden, dass das Unionsrecht nationalen Vorschriften zur Verbraucherinformation im Lebensmittelbereich nichts entgegensteht. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob § 40 Abs. 1 Nr. 4 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) mit EU-Recht vereinbar wäre. Die Vorschrift erlaubt es den Behörden, die Öffentlichkeit auch über zum Verzehr ungeeigneter, aber nicht gesundheitsgefährdender Lebensmittel zu informieren.
Die Regelung des LFGB stützt sich auf Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (BasisVO), welche die Warnung der Öffentlichkeit bei hinreichendem Verdacht einer Gesundheitsgefahr erlaubt. Der klagende bayerische Unternehmer sah darin einen Konflikt: Er argumentierte, dass die deutsche Regelung über die europäische Vorschrift hinausgeht und daher gegen Unionsrecht verstößt.
Das Landgericht München legte dem EuGH die Frage vor, ob Artikel 10 der BasisVO abschließend regelt, unter welchen Voraussetzungen Behörden öffentliche Warnungen aussprechen dürfen – und damit nationale Vorschriften einschränkt.
Der EuGH verneinte eine solche Sperrwirkung: Die Mitgliedstaaten dürfen weiterhin eigene Vorschriften zur Verbraucherinformation erlassen, auch wenn diese über die EU-Vorgaben hinausgehen. Damit bleibt es deutschen Behörden erlaubt, auch dann über Unternehmen und Produkte zu informieren, wenn keine unmittelbare Gesundheitsgefahr besteht.
Mit dieser Entscheidung stärkt der EuGH die Möglichkeit nationaler Behörden, Verbraucher frühzeitig über qualitative Mängel von Lebensmitteln zu informieren – auch dann, wenn keine unmittelbare Gesundheitsgefahr besteht.
Bei einem Rückruf wird die Öffentlichkeit aktiv gewarnt: Verbraucher sollen das betroffene Produkt nicht mehr nutzen oder konsumieren und es zurückgeben. Der Kaufpreis wird erstattet – auch ohne Kassenbon und in jeder Verkaufsstelle, die das Produkt führt. Ein Rückruf erfolgt, wenn keine andere Maßnahme ausreicht, um die Gesundheitsgefahr abzuwenden. Unternehmen sind verpflichtet, diese öffentlich zu kommunizieren, während Behörden die Warnung über lebensmittelwarnung.de verbreiten.
Die Rücknahme hingegen erfolgt innerhalb der Lieferkette, bevor das Produkt den Verbraucher erreicht. Hierbei informieren sich Händler und Unternehmen gegenseitig, um den weiteren Verkauf zu verhindern.
Ein gesetzlich vorgeschriebener Ablauf für Rückrufe existiert nicht. Wichtig ist, dass die Maßnahmen effektiv sein müssen und Verbraucher zielgerichtet erreichen. Unternehmen setzen dabei in der Regel auf Pressemitteilungen, die an relevante Medien versendet werden. Zusätzlich sollten weitere Kommunikationskanäle wie Webseiten, Newsletter und Social Media genutzt werden. Im Einzelhandel informieren oft Aushänge in den Märkten über den Rückruf.
Alle deutschlandweiten Rückrufe werden zudem auf der Plattform www.lebensmittelwarnung.de sowie in der dazugehörigen App veröffentlicht.
Welche Informationen muss ein Rückruf enthalten?
Damit Verbraucher die betroffenen Produkte eindeutig identifizieren können, muss ein Rückruf folgende Angaben enthalten:
Durch die Transparenz können betroffene Verbraucher schnell reagieren, bevor es zu gesundheitlichen Risiken kommt.
Wenn ein Lebensmittel mangelhaft oder gesundheitsgefährdend ist, haben Verbraucher verschiedene Rechte und Handlungsmöglichkeiten.
Wird oder wurde ein fehlerhaftes Produkt bereits verzehrt, haftet in der Regel der Hersteller. Befindet sich dieser außerhalb der EU, tritt der Importeur oder Händler ein. Verbraucher müssen Sachschäden bis 500 Euro selbst tragen. Höhere Schäden sowie Schmerzensgeld bei gesundheitlichen Folgen sind erstattungsfähig – vorausgesetzt, der Zusammenhang zwischen Schaden und Produkt ist nachweisbar.
Nach einer Rückrufaktion kann der Hersteller sein Risiko reduzieren: Wer über den Rückruf informiert war, kann nur einen Teil des Schadens ersetzt bekommen.
Grundsätzlich haben Verbraucher das Recht auf einwandfreie Produkte. Bei verdorbenen oder fehlerhaften Lebensmitteln ist der Einzelhändler der erste Ansprechpartner. Mit Kassenbon kann das Produkt umgetauscht oder der Kaufpreis erstattet werden. Ist ein Umtausch nicht möglich, besteht Anspruch auf Rückerstattung.
Wer ein mangelhaftes oder verdorbenes Lebensmittel meldet, kann sich an die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde wenden – persönlich, schriftlich oder telefonisch. Beschwerden können auch anonym erfolgen.
Die Behörde geht dann bei der Lebensmittelkontrolle folgendermaßen vor:
Je nach Befund folgen weitere Schritte:
Verbraucher werden über die Ergebnisse der Kontrolle in der Regel nicht informiert, können aber nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) Einsicht in behördliche Berichte beantragen.
Welche Regelungen gelten für Produktrückrufe und Verbraucherschutz? Wer haftet für Schäden, wenn ein fehlerhaftes Lebensmittel bereits verzehrt wurde?
Das Lebensmittelrecht ist ein vielschichtiges Rechtsgebiet, das Hersteller, Händler und Importeure vor zahlreiche regulatorische Herausforderungen stellt. Neben nationalen Vorschriften sind auch europarechtliche Vorgaben zu beachten.
Unsere erfahrenen Rechtsanwälte beraten Unternehmen umfassend zu allen Fragen des Lebensmittelrechts. Dazu gehören:
Ob Auseinandersetzungen mit Überwachungsbehörden, Wettbewerbsstreitigkeiten oder gerichtliche Verfahren, wir verteidigen Ihre Interessen konsequent. Als Fachanwälte für gewerblichen Rechtsschutz und erfahrene Prozessvertreter setzen wir uns für Ihre Rechtsposition und Reputation ein.
Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne auch telefonisch zur Verfügung. Wünschen Sie eine Rechtsberatung von dem erfahrenen Team aus Fachanwälten und Spezialisten von SBS LEGAL?