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| Wettbewerbsrecht

Wann darf ein Unternehmen mit langjähriger Tradition werben?


Ausschlaggebend ist bloß die wirtschaftliche Kontinuität – egal ob Gesellschaftsform, Inhaber oder Firmenname gewechselt wurde

Ein Unternehmen, das 1900 gegründet wurde, in Familienhand ist und noch immer genau den gleichen Namen wie damals trägt, gilt wohl ganz eindeutig als „traditionsreich“. Andersrum ist auch klar, dass ein Unternehmen, das erst letztes Jahr ganz frisch gegründet wurde, nun wirklich nicht als „traditionsreich“ bezeichnet werden kann. Aber wie verhält es sich eigentlich, wenn es einen neuen Inhaber gibt, die Firma umbenannt oder die Gesellschaftsform geändert wird? Darf dann trotzdem weiterhin mit „langjähriger Unternehmenstradition“ geworben werden?

Das Landgericht (LG) Hamburg und in zweiter Instanz das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg haben sich mit dieser Frage befasst. Zugrunde lag der Antrag auf einstweilige Verfügung gegen ein werbendes Unternehmen. Ein Konkurrent wollte erwirken, dass die Werbung unterlassen werden muss – hatte damit aber keinen Erfolg. Maßgeblich sei nach Ansicht der Hamburger Richter nämlich nicht die Gesellschaftsform oder Ähnliches, sondern die wirtschaftliche Kontinuität des Unternehmens. Ist diese gegeben, ist eine Traditionswerbung wettbewerbsrechtlich erlaubt (OLG Hamburg 3. Zivilsenat, Beschluss vom 19.02.2020, Az. 3 W 16/20). Es liege keine Irreführung vor (§3 und §5 (UWG)).


Der Fall: „Tätig seit 1997“ vs. Gründung der GmbH erst 2016

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Ein Unternehmen hatte damit geworben, im Bereich der Erbenermittlung tätig zu sein – und zwar schon „seit 1997“. Ein Konkurrent fand, das sei eine irreführende Werbung. Denn: Laut Handelsregister sei die Gesellschaft doch erst 2016 gegründet worden. Es bestehe also gar keine langjährige Unternehmenstradition „seit 1997“. Deswegen beantragte der Konkurrent eine einstweilige Verfügung: Die Werbung müsse unterlassen werden, weil sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine falsche Vorstellung hervorrufe.

Das werbende Unternehmen hielt mit einer Schutzschrift dagegen. Ja, die GmbH bestehe zwar erst seit 2016. Aber 2016 sei eben das Jahr des Betriebsübergangs gewesen. Das Unternehmen habe also schon vorher bestanden – nur da eben noch in einer anderen Gesellschaftsform.

Sowohl das LG als auch das OLG Hamburg, bei dem der Antragsteller/Konkurrent Berufung einlegte, entschieden, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um irreführende Werbung handele.


Der OLG-Beschluss: Es geht nicht darum, wann die GmbH gegründet wurde!

Wenn man mit einer langjährigen Tradition wirbt, sei bloß die wirtschaftliche Kontinuität wichtig. Dabei sei egal, ob es einen Inhaberwechsel, Rechtsnachfolgen, einen neuen Firmennamen oder eine veränderte Rechtsform gegeben hat. Im vorliegenden Fall habe das Erbenermittlungs-Unternehmen für die Werbung also durchaus an seine Tätigkeit seit 1997 anknüpfen können. Der Verkehr sei dadurch auch nicht getäuscht worden.

Trotz Betriebsübergang gibt es wirtschaftliche Kontinuität

Die Antragstellerin hätte beweisen müssen, dass es beim werbenden Unternehmen wegen des Betriebsübergangs (zur GmbH 2016) keine wirtschaftliche Kontinuität gegeben habe. Doch das Argument, das sie hervorgebracht hatte, war bloß, dass dessen GmbH ja erst seit 2016 besteht. Die Hamburger Richter befanden: Das allein sage gar nichts über die wirtschaftliche Kontinuität aus. Es belege eben nur die Gründung der GmbH im Jahre 2016 – und nicht mehr.

Das Personalpronomen „Wir“ in der Werbung

In seiner Werbung hatte das Unternehmen das Wort „Wir“ verwendet. Das OLG Hamburg befasste sich damit, wie Leute, die diese Werbung rezipieren, diese im Normalfall verstehen würden. Die Richter meinen auch bei diesem Aspekt: Es werde der Eindruck erweckt, dass eine wirtschaftliche Kontinuität besteht – und zwar nicht bloß auf die GmbH bezogen, die ja erst seit 2016 besteht. Denn die Rechtsform des Unternehmens (also die GmbH) werde ja gar nicht in der Werbung thematisiert. Und der normale Verbraucher mache sich bei der Werbung ja auch gar keine Gedanken dazu, welche Rechtsform das Unternehmen denn hat. Insofern ist auch hier klar geworden: Wichtig ist nur die wirtschaftliche Kontinuität – unabhängig von veränderter Rechtsform, Inhaberwechsel, Rechtsnachfolgen oder neuem Firmennamen.


Trotzdem aufpassen: Traditionswerbung kann abgemahnt werden!

Auch wenn im vorliegenden Fall die Werbung mit der Unternehmenstradition („seit 1997“) für rechtmäßig befunden wurde: Generell sollte man vorsichtig sein, mit Tradition bzw. Alter zu bewerben. Diese Attribute suggerieren Beständigkeit und Zuverlässigkeit. Es besteht der Eindruck, dass ein „traditionsreiches Unternehmen“ vertrauenswürdig ist. Und das kann natürlich auch alles so stimmen, wenn man sein Unternehmen wirklich schon seit Jahrzehnten erfolgreich führt. Aber wenn nicht, kann man schnell eine Abmahnung wegen wettbewerbswidriger Irreführung nach §5 (UWG) am Hals haben – weil man fälschlicherweise mit Unternehmenstradition geworben hat…


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