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Die Präsidentin des baden-württembergischen Landtags Muhterem Aras hat in zweiter Instanz vor dem OLG Stuttgart gegen Google und Facebook auf Herausgabe von Nutzerdaten nach §14 Absatz 3 Telemediengesetz (TMG) wegen beleidigender Äußerungen im Sinne des §185 Strafgesetzbuch (StGB) geklagt.
Die Landtagspräsidentin hatte am 24.06.2020 nach einem Ordnungsruf den Abgeordneten Fiechtner von der Sitzung ausgeschlossen und ihr Hausrecht mit Hilfe der Polizei durchgesetzt.
Kurz darauf hat sich der Abgeordnete Fiechtner über sein Facebook-Profil zu Wort gemeldet und angekündigt, dass er „Klage gegen Aras und den Landtag vor dem Verfassungsgerichtshof eingereicht habe“. Eine Facebook-Nutzerin kommentierte diese Aussage damit, dass „diese islamische Sprechpuppe schonmal gar nicht in ein deutsches Parlament gehört“.
Heinrich E. Fiechtner ist ( ...) Politiker der Allianz Liberaler und Libertärer Europäer, früher Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD), davor auch Mitglied der CDU und FDP und Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg.
Seinen Partei- und Fraktionsaustritt aus der AfD im November 2017 begründete er mit der trotz Skandal fortgesetzten Zusammenarbeit seiner Fraktion mit dem zunächst nicht von der Partei ausgeschlossenen Abgeordneten Wolfgang Gedeon, dem Antisemitismus vorgeworfen wird.
Im Februar 2018 wurde bekannt, dass die Stuttgarter AfD-Gemeinderatsfraktion Fiechtner einen fünfstelligen Betrag (laut Fiechtner ca 30.000,- €) anbot, wenn er dafür sein Mandat im Gemeinderat von Stuttgart aufgebe, was Fiechtner damals abgelehnt habe.
Quelle: wikipedia.de
Das OLG hat die Auskunftsansprüche der Landtagspräsidentin zurückgewiesen und somit die Entscheidung des LG bestätigt.
Als Grund wurde angeführt, dass der Ausdruck „islamische Sprechpuppe“ zwar das Persönlichkeitsrecht verletze, allerdings nicht die Grenzen der Schmähkritik, Formalbeleidigung oder Verletzung der Menschenwürde überschreitet.
Grundsätzlich gibt die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Grundgesetz (GG) jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Darunter fällt auch das Recht eine Meinung in Form von Kommentaren im Internet kund zu tun. Um festzustellen, ob es sich bei der Bezeichnung „islamische Sprechpuppe“ um eine zulässige Meinungsäußerung handelt, bedarf es einer Güterabwägung, die der Bedeutung der Meinungsfreiheit gerecht wird. Grenzen findet die Meinungsfreiheit insbesondere, wenn die Äußerung kein Thema von allgemeiner, öffentlicher Bedeutung zum Gegenstand hat, die Menschenwürde angreift oder eine Formalbeleidigung im Sinne des §185 StGB darstellt. In diesen Fällen ist keine Einzelfallabwägung erforderlich, so das BVerfG in der Entscheidung 1 BvR. Zu der Entscheidung: >>H I E R klicken für die Entscheidung<<
Unter einer Formalbeleidigung ist eine Ehrverletzung zu verstehen, die sich gerade aus der Form oder den äußeren Umständen ergibt. Das OLG Stuttgart sieht in der Bezeichnung „islamische Sprechpuppe“ keine Formalbeleidigung und auch keine Menschenwürdeverletzung.
Auch tritt die Meinungsfreiheit gegenüber sogenannter „Schmähkritik“ zurück. Diese zielt lediglich auf die Diffamierung einer Person und das grundlose Verächtlichmachen derselben ab, ohne einen irgendwie nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung herzustellen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jedoch bereits in mehreren Urteilen klargestellt, dass Schmähkritik in öffentlichen Angelegenheiten nur in Ausnahmefällen angenommen werden kann. Die Aussage „islamische Sprechpuppe“ weist laut den Richtern des OLG einen eindeutigen Bezug zu der Auseinandersetzung mit dem Landtagsabgeordneten auf und ist daher nicht als Schmähkritik zu qualifizieren.
Nach einer ausführlichen Abwägung zwischen dem Schutz der Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht waren die Richter der Ansicht, dass der Schutz der Meinungsfreiheit den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts überwiegt. Das OLG führte unter anderem aus, dass eine Verrohung der Sprache in den sozialen Medien und der Verfall politischer Sitten zu verurteilen sei. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit nicht verschoben werden dürften. Anstands- und Ehrvorstellungen seien nicht geeignet die Meinungsfreiheit einzugrenzen, auch wenn die Vorstellungen einer deutlichen Mehrheit der Gesellschaft entsprechen. Die Bezeichnung ist nach Ansicht der Richter als zulässige Meinungsäußerung hinzunehmen.
Nach dem Sitzungsausschluss des Abgeordneten Fiechtner hatte dieser ein Video über seinen Auftritt im Landtag online über die Plattform YouTube veröffentlicht. In verschiedenen Kommentaren wurde die Präsidentin des Landtags als „Gestapo-Chefin“, „Nazi“, „Faschistin“ und „staatsfeindliche Verbrecherin“ bezeichnet.
In dem Verfahren gegen Google bejahte das Oberlandesgericht (OLG) anders als im Verfahren gegen Facebook das Vorliegen von Schmähkritik und Formalbeleidigung. Die Aussagen sind grob Ehre verletzend und nur auf die Diffamierung der Landtagspräsidentin gerichtet. Bei diesen Aussagen handelt es sich daher nicht um zulässige Meinungsäußerungen. Entsprechend hat das OLG Stuttgart Google nach §14 Absatz 3 TMG zur Auskunft der Nutzerdaten der Kommentatoren verpflichtet.
Google hatte eine Anschlussbeschwerde gegen die Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzerdaten angestrengt. Diese wurde vom OLG Stuttgart überwiegend zurückgewiesen und der Landtagspräsidentin auch insoweit Recht gegeben.
Gegen diese Entscheidungen sind keine Rechtsmittel mehr möglich.
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