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Ja, ich will! - Zustimmungsfiktion bei AGB-Änderung unwirksam


BGH Urteil: AGB-Änderungen benötigen ausdrückliche Zustimmung

In seinem Urteil vom 27.04.2021 (XI ZR 26209) entschied der BGH, dass verwendete Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken unwirksam sind, wenn sie nach dem Wortlaut eine Zustimmung der Kunden zu einer AGB-Änderung fingieren, obwohl hierzu eigentlich eine explizite Zustimmung notwendig wäre. Daher sind die AGB zukünftig so anzupassen, dass sie bei entscheidenden Änderungen der AGB zwei Monate vor dem Wirksamwerden dem Kunden angeboten werden müssen. Dann haben die Kunden die Möglichkeit ihre Zustimmung entweder ausdrücklich zu erteilen oder aber fristlos zu kündigen. Stimmt der Kunde nicht zu, so wird die Bank oft von selbst die Kündigung aussprechen, da sie meist wenig Interesse daran hat, die Geschäftsverbindung ohne Entgeltanpassung fortzusetzen.

Das Urteil wird dafür sorgen, dass AGB, die seit 2018 in Verträgen aufgenommen worden sind, eine weitläufige Überprüfung erfahren werden. Solange reichen nämlich mögliche Rückforderungsansprüche zurück und sind nicht verjährt.

Damit hat das BGH Urteil auch Auswirkungen auf die Vertragsbeziehungen von Händlern. Worauf Sie jetzt bei der Änderung Ihrer AGB achten sollten, zeigen wir Ihnen nun!


Bundesverband der Verbraucherzentralen: Bank nutzt unwirksame Klauseln

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände verklagte eine Bank wegen der Unwirksamkeit von Klauseln, welche die Änderung der AGB regelten. Aus der Sicht des Klägers, machten sie weder den Grund der Änderung, noch die Grenzen der Änderung deutlich. So könnte ein kostenloses Konto sehr schnell in ein kostenpflichtiges Konto umgewandelt werden. Damit fehle die nötige Transparenz solcher Klauseln. Daher müsse die Verwendung dieser Klauseln in Verträgen mit Verbrauchern untersagt werden und die Bank dürfe sich nicht länger drauf berufen, so der Kläger. Die Vorinstanzen widersprachen dieser Ansicht.

BGH urteilt zugunsten der Verbraucher

Die Revision zum BGH wurde aufgrund der Bedeutung der Fragestellung zugelassen. Dem Verbraucherschutz kommt nämlich ein hoher Stellenwert zu.

In einem früheren BGH Urteil wurde allerdings entschieden, dass bei einem Hypothekendarlehen eine Zustimmungsfikition wirksam sei, um ein Hypothekendarlehen zu verlängern. Jedoch nur wenn in der Klausel eine angemessene Widerspruchsfrist festgehalten wurde und man sich selbst zur Aufklärung gegenüber dem Kunden verpflichtete, was sein Schweigen für Folgen habe (BGHNJW 1985, 617, 618). Der BGH akzeptierte zudem eine Zustimmungsfiktion im Lastschriftverfahren (BGHZ 186, 269).

Schließlich wurde 2008 jedoch vom BGH ein Wesentlichkeitsvorbehalt bei Zustimmungsfiktionserklärungen etabliert. So sah der BGH es als unwirksam an, wenn die Essentialia durch Klauseln abgeändert wurden.

Der BGH folgt nun mit seinem Urteil vom 27.04.2021 dieser vorangegangen Entscheidung und führt sie weiter aus. Laut BGH, benachteilige es die Kunden, wenn ihr Stillschweigen als Zustimmung zur Änderung der AGB fingiert werde. Stattdessen sei vor allem bei weitreichenden Änderungen eine ausdrückliche Zustimmung der Kunden zu fordern. agb, zustimmungsfiktion, klauseln

Inhaltskontrolle der AGB

So führte der BGH aus, dass Klauseln, die von dem Beklagten auf Grundlage des § 675 g Absatz 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in den Vertrag aufgenommen wurden, einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB unterzogen werden müssen. Der § 675 g Absatz 2 Satz 1 BGB stelle zwar die Möglichkeit einer Zustimmungsfiktion des Verbrauchers auf, jedoch bedeute dies nicht, dass die Vereinbarungen bedenkenlos an Wirksamkeit erlangen würden.

Die Inhaltskontrolle ergebe, dass die verwendeten Klauseln in den AGB durch die Inhaltskontrolle gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1, 2 Nummer 1 BGB fallen würden. Auch der EUGH sah in der Deniz Entscheidung keine AGB rechtliche Erlaubniswirkung des § 675 g Absatz 2 BGB.

Dadurch, dass mit dem Schweigen des Vertragsgegners eine Zustimmung des Veränderungsantrags fingiert werde, stellen die verwendeten Klausel eine deutliche Abweichung vom Grundgedanken des § 305 Absatz 2 , § 311 Absatz 1, §§145 ff. BGB dar, was wiederum zu einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden führe. Anders wäre dies nur, wenn eine Interessenabwägung die Abweichung vom Grundgedanken rechtfertigen und die Sicherung des gesetzlichen Schutzzwecks auf anderem Wege ermöglichen würde. Dies sei hier aber nicht der Fall.

Laut BGH, seien zudem die AGB Klauseln zu grenzenlos gefasst. So umfassen die Klauseln sowohl die Änderung einzelner Bestandteile, als auch jedwede Änderungsvereinbarung, ohne  gegenständliche oder inhaltliche Beschränkung. Abgesehen davon, ob solche grenzenlosen Klauseln mit § 312 a Absatz 3 Satz 1 BGB vereinbar seien, falle die Klausel schon aufgrund allgemeiner vertragsrechtlicher Maßstäbe ebenfalls bei der Inhaltskontrolle nach § 307 Absatz 1 Satz 1, 2 Nummer 1 BGB durch. Weitreichende Änderungen, die vergleichbar mit dem Abschluss eines neuen Vertrages seien, benötigen das ausdrückliche Einverständnis der Kunden.

Keine Besserstellung der Kunden

Werden AGB geändert, möchte der Verwender aufgrund seines Verlangens nach Rechtssicherheit oft möglichst schnell von seinen Kunden erfahren, ob diese hiermit einverstanden sind. Eine Zustimmungsfiktion sei jedoch nicht die einzige Möglichkeit die Rechtssicherheit zu stärken, so der BGH. Vielmehr stehe es dem Verwender frei, weitreichende Vertragsänderungen, bei denen eine Zustimmungsfiktion ausgeschlossen ist, mittels eines Anfangstermins dem Kunden anzubieten. Somit würde er sowohl in seinem, als auch im Interesse des Kunden die Gewissheit und Rechtssicherheit für den Beginn des Wirksamwerdens der Vertragsverhandlungen erhalten.  

Von Seiten des Beklagten könne man sich auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, wenn Klauseln wegen der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung plötzlich als unwirksam gelten. Höchstrichterliche Urteile sind nämlich kein Gesetzesrecht. Folglich werde keine vergleichbare Rechtsbindung erzeugt.

Der Verwender von Klauseln trägt stets das Risiko, dass diese zunächst als wirksam geltenden AGB bei einer nachfolgenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nun als Benachteiligung des Vertragspartners angesehen und damit als unwirksam ausgelegt werden.

Was bedeutet das Urteil für Händler?

Das Urteil hat nicht nur Auswirkungen für Banken und Finanzdienstleister, sondern genauso auch für Händler. Zwar haben Händler bei einer nachträglichen Änderung von AGB bisher stets den Kunden gesondert informiert, jedoch wurde es auch hier oft so gehandhabt, dass ein Schweigen automatisch als Zustimmung ausgelegt wurde. Von dieser Praxis müssen Händler jetzt Abstand nehmen. Eine Zustimmungsfiktion, die vor allem bei Massengeschäften Anwendung fand, ist nach dem BGH Urteil nicht länger wirksam. Daher müsse nun eine Überprüfung und Anpassung der bisher verwendeten Klauseln erfolgen. Der BGH ließ zwar offen, wie diese Klauseln zukünftig formuliert sein sollten. Man könne sich aber gut an den vom BGH für unwirksam erklärten Klauseln orientieren und den dort verwendeten Wortlaut vermeiden. Man sollte zumindest davon absehen, Klauseln mit sofortiger Handlungswirkung einzusetzen und stattdessen dem Kunden mindestens zwei Monate Reaktionszeit einräumen. Allerdings wurde vom BGH noch nicht der Fall geklärt, ob eine AGB-rechtliche Zustimmungsfiktion bezüglich der Essentialia Negotii möglicherweise doch zulässig wäre, wenn die Selbstbestimmung der Kunden durch ein bestehendes Widerrufsrecht eine Absicherung erfahren hätte. Ist man dennoch gegen die Aufrechterhaltung der Zustimmungsfiktion mittels eines Widerspruchsrechts, so müsse man sich in der Zukunft eine individuelle Zustimmung der Kunden einholen, was im Massenverkehr unglaublich viel Bürokratie bedeute und die Kosten letztendlich von den Kunden getragen werden müssen.


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