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Die meisten Menschen gehen arbeiten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nicht wenige arbeiten dabei nicht ein Leben lang in nur einer Firma, sondern wechseln diese im Laufe der Zeit. Manchmal trennt sich möglicherweise auch das Unternehmen aus den verschiedensten Gründen mittels einer Kündigung. Was passiert aber, wenn man nichts von der Kündigung erfährt, weil diese per Einwurf-Einschreiben geschickt wurde, aber keine Zustellung erfolgt ist? Darum geht es im folgenden Artikel.
In vielen Bereichen und auch im Arbeitsrecht ist der Zugang wichtiger Schreiben wie beispielsweise einer Kündigung oder Abmahnung von entscheidender Bedeutung. Dabei ist die Zustellung insbesondere zur Einhaltung von gesetzlichen Fristen entscheidend, denn von diesen hängt die Wirksamkeit der Schreiben ab. Eine Fristsetzung wird dabei rechtlich erst wirksam und fängt damit an zu laufen, wenn sie den Empfänger erreicht hat. Wann dies der Fall ist, ist allerdings nicht immer ganz klar.
In Deutschland gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein Schreiben zu verschicken: sei es die Zustellung durch einen Boten, der Versand als einfacher Brief oder auch als Einwurf-Einschreiben. Bei einem Einwurf-Einschreiben erhält der Absender keinen Nachweis über die persönliche Übergabe, sondern nur den Nachweis des Einwurfes des Schreibens in den Briefkasten des Empfängers: dies bestätigt der Zusteller mit seiner Unterschrift auf dem Auslieferungsbeleg. Das Einwurf-Einschreiben war bisher eine sehr beliebte Möglichkeit, um wichtige Schreiben zu verschicken mit dem Nachweis, dass das Schreiben beim Empfänger eingetroffen ist. Doch reicht das Eintreffen als Nachweis der Zustellung? Damit hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun auseinandergesetzt.
Anfang des Jahres hat das BAG ein Urteil gefällt (Urteil vom 30.01.25 Az.: 2 AZR 68/24). Im Mittelpunkt stand dabei eine Arzthelferin, welche in einer Praxis beschäftigt war. Während der Beschäftigung soll diese drei Corona-Impfungen, die nie stattgefunden haben, im Impfpass ihres Mannes eingetragen zu haben. Zusätzlich wurde festgestellt, dass sie sich nachts per Fernzugriff in das Praxissystem eingeloggt und an 28 Stellen die Patientenakte ihres Mannes manipuliert hat. Weil das Vertrauensverhältnis aufgrunddessen zwischen ihr und ihrem Arbeitgeber tiefgreifend gestört war, entschied sich der Arbeitgeber, eine Kündigung auszusprechen. Die erste Kündigung wurde im März 2022 in Form einer ordentlichen Kündigung ausgesprochen. Da die Angestellte allerdings zu dem Zeitpunkt schwanger war und unter Schwangerschaftsschutz stand, wehrte sich die Arzthelferin erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung. Nachdem die zuständige Behörde dem Arbeitgeber im Juli 2022 die erforderliche Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte, kündigte dieser mit Schreiben vom 26. Juli 2022 das Arbeitsverhältnis erneut außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich und schickte dieses per Einwurf-Einschreiben an die Adresse der Arzthelferin.
Im vorliegenden Fall bestritt die Arzthelferin jedoch, dieses zweite Kündigungsschreiben jemals erhalten zu haben. Der Arbeitgeber legte als Beweis für den Zugang den Einlieferungsbeleg des Einwurf-Einschreibens vor, ebenso wie die Online-Sendungsverfolgung. Der Arbeitgeber hoffte vor Gericht, dass dies auf den sogenannten Anscheinsbeweis schließen lässt. Ein Anscheinsbeweis ist ein juristisches Konstrukt, welches besagt, dass ein bestimmter Ablauf typischerweise zu einem bestimmten Ergebnis führt. Man geht aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung davon aus, dass, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, auch das erwartete Ergebnis eintritt. Der Anscheinsbeweis im vorliegenden lautet daher: ist der Brief im Briefkasten, so wird er der Person auch zugestellt worden sein.
Das BAG stellte jedoch klar, dass es bei einem einfachen Brief keinen solchen Anscheinsbeweis für den Zugang gibt und auch ein Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens die Wahrscheinlichkeit des Zugangs gegenüber einem einfachen Brief nicht signifikant genug erhöht, um solch einen Anscheinsbeweis zu begründen. Der Einlieferungsbeleg beweist nur die Aufgabe bei der Post, nicht den Einwurf in den richtigen Briefkasten.
Der Bundesgerichtshof (BGH), hatte in früheren Entscheidungen (Urteil vom 27.09.2016 Az.: II ZR 299/15) ausgeführt, dass von einem Anscheinsbeweis für den Zugang eines Einwurf-Einschreibens dann ausgegangen werden kann, wenn der Absender sowohl den Einlieferungsbeleg als auch eine Reproduktion des Auslieferungsbelegs vorlegt. Dieser Auslieferungsbeleg muss idealerweise dokumentieren, dass der Zusteller ein bestimmtes Verfahren eingehalten hat (z.B. Abziehen eines Etiketts vom Brief, Aufkleben auf den Beleg, Bestätigung des Einwurfs mit Unterschrift und Datum). Dieser dokumentierte Vorgang soll sicherstellen, dass der Zusteller seine Aufmerksamkeit besonders auf diese Sendung gerichtet hat und der Einwurf korrekt erfolgt ist. Im vorliegenden Fall spielte das aber keine Rolle, denn der Arbeitgeber konnte den entscheidenden Auslieferungsbeleg nicht vorlegen, sondern lediglich den Ausdruck der Online-Sendungsverfolgung. Dieser reicht unter anderem aufgrund seiner Anonymität und der fehlenden Details nicht aus.
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