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| Datenschutzrecht, Sonstige Rechtsgebiete

Kommissionsentwurf: Chatkontrolle stellt „Massenkontrolle“ dar


Die Europäische Kommission (EU-Kommission) hat die Aufgabe, die Europäischen Verträge zu gewährleisten und die Interessen der EU zu vertreten. Sie hat ein sogenanntes Initiativrecht, wodurch sie dem EU-Parlament und dem EU-Rat Vorschläge zu neuen Rechtsvorschriften machen darf. Ein Kommissionsentwurf enthielt den Vorschlag, sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu bekämpfen, indem eine umfassende Chatkontrolle eingeführt werden solle. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) und der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) haben diesen Vorschlag stark kritisiert und halten dieses Vorgehen für eine „anlasslose Massenüberwachung“. Was hinter diesem Vorgehen steckt, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Inhalt des Kommissionsentwurfs

Datenschutz DSGVO Europa FlaggeNach dem Kommissionsentwurf sollen Anbieter elektronischer Kommunikation (beispielsweise Telekom, Vodafone etc.) verpflichtet werden können, private Inhalte der Nutzer zu beobachten. Das habe den Sinn, vermeintliche Hinweise auf sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige aufzudecken.

Die Datenschutzbehörden unterstützen dieses Vorgehen und halten es für ein „sehr wichtiges und gemeinsames Ziel der EU“. Jedoch sind die Regelungen zu unbestimmt. Es sei beispielsweise nicht eindeutig genug, unter welchen Bedingungen die Anbieter zur Chatkontrolle verpflichtet werden können. Solche Rechtsvorschriften sorgen für Rechtsunsicherheit und sorgen für eine uneinheitliche Anwendung der Maßnahmen. Folgende Grundrechte werden außerdem sehr stark beeinträchtigt:

  • Recht auf Privatsphäre (Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 7 der Europäischen Grundrechtscharta)
  • Recht auf Meinungsfreiheit (Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes, Artikel 11 der Europäischen Grundrechtscharta)
  • Schutz der persönlichen Daten (Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit der Datenschutzgrundverordnung und Artikel 8 der Europäischen Grundrechtscharta)

Wenn man in diese Bereiche durch eine automatisierte Nachrichtenerfassung eingreifen würde, dann verliert die private Kommunikation erheblich ihren Wert und das Vertrauen der Menschen würde stark beeinträchtigt. Dies wäre nicht mehr verhältnismäßig. Eine Chatkontrolle wäre also auch eine Massenkontrolle.

Kommunikationstechnologie: Was ist vom Kommissionsentwurf betroffen?

Die Datenschutzbehörden sind auch im Hinblick auf die im automatisierten Scanvorgang verwendeten Technologien und die zwangsläufig bestehende Fehlerquote besorgt. Man könne nicht mehr zwischen „harmloser“ Kommunikation und strafbaren Handlungen unterscheiden. Bisher sei die Zuverlässigkeit der bestehenden Instrumente unzureichend getestet und deswegen ist die Konsequenz einer falschen Verdächtigung nicht hinnehmbar. EDSA und EDSB befürchten, dass die personenbezogenen Daten vieler Unschuldiger an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden könnten.

Auch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist für die Datenschutzbehörden besorgniserregend. Nachrichten sollen nach dieser Technologie nur von Sender und Empfänger entschlüsselt werden können. Das bedeutet, dass die Nachrichten beim Sender verschlüsselt werden und erst nach allen Stationen und Servern beim Empfänger wieder entschlüsselt werden können. Dieses System benutzt beispielsweise auch die Kommunikations-Plattform WhatsApp. Wenn nun Dritte (also die Anbieter) diese Nachrichten erfassen können, existiere praktisch kein Schutz mehr. Anbieter könnten dann aufgrund des Kommissionsentwurfs komplett auf eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verzichten. Das wäre ein sehr starker Rückschritt in der Sicherheit der Kommunikationstechnologie.

Schließlich ist die Frage, ob auch Audiodateien in die Chatkontrolle fallen sollen. Der Kommissionsentwurf sagt hierzu nichts, jedoch sind sich die Datenschutzbehörden einig, dass dies einen ebenso starken Eingriff in die Rechte der Nutzer darstellt und somit ausgeschlossen werden soll.

Einbeziehung der Datenschutzbehörden bei Chatkontrolle

Der Kommissionsentwurf sieht vor, dass bei einem Einsatz die Datenschutzbehörden einbezogen werden sollen. Jedoch stellt sich auch hier wieder die Frage, wie das genau geschehen soll und welchen Einfluss die Datenschutzbehörde auf das Verfahren hätte. Diese auslegungsbedürftigen Fragen sind keine Basis für eine rechtssichere Grundlage.

Letztendlich sei auch der Aspekt der Verhältnismäßigkeit von großer Bedeutung. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, dass eine Einsicht in riesige Datenmengen für die Ermittlung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder überhaupt zielführend wäre. Einerseits sei davon auszugehen, dass Täter schnell neue Wege fänden, die bestehenden Probleme zu umgehen, andererseits sei ohnehin fraglich, ob ein Mehr an Hinweisen in Anbetracht der begrenzten Ressourcen von Strafverfolgungsbehörden hilfreich wäre.

Auch der Datenschutzbeauftragte der BRD kritisiert den Entwurf der Kommission und sagt in einer Pressemitteilung, dass die Chatkontrolle kaum mehr Schutz für die Kinder biete, aber dagegen eine anlasslose und flächendeckende Überwachung der privaten Kommunikation in der Europäischen Union ermögliche.



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