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LAG Köln Urteil zu Überwachung von Arbeitnehmern


Dass Arbeitgeber in bestimmten Fällen für Überwachungen auf Detektive zurückgreifen, um das Verhalten ihrer Arbeitnehmer außerhalb des direkten Sichtfelds zu überprüfen, ist grundsätzlich nichts Neues. Und doch haftet solchen Maßnahmen immer ein gewisses Unbehagen an, nicht zuletzt, weil sie einen sensiblen Boden betreten: jene zwischen betrieblichem Interesse an Kontrolle und dem rechtlich geschützten Anspruch auf persönliche Freiheit. Wo diese Grenze genau verläuft, lässt sich zwar nicht pauschalisieren, klar ist aber, dass die gewonnenen Informationen zum Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens werden. Dieser Umstand rückt eine zentrale Frage in den Vordergrund, nämlich die nach der rechtlichen Verwertbarkeit solcher Erkenntnisse. Gerade weil in den letzten Jahren Technologien wie GPS-Tracking, digitale Zeiterfassung und datenbasierte Verhaltensanalysen tief in den Alltag vieler Betriebe eingesickert sind, hat diese Diskussion erheblich an Schärfe gewonnen. Vor diesem Hintergrund kommt einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. Februar 2025 (Az. 7 Sa 635/23) besonderes Gewicht zu. Was das Gericht dort abwägt, ist mehr als eine bloße Tatsachenfrage, denn es geht um das Verhältnis von Kontrolle und Vertrauen, von betrieblicher Ordnung und verfassungsrechtlicher Schranke. Und um die Frage, wie viel Eingriff in die Persönlichkeit eines Arbeitnehmers ein Verfahren tatsächlich zulassen darf, ohne das rechtliche Fundament zu unterspülen.

Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt: Was war passiert?

Ausgangspunkt der Entscheidung war ein Fall, wie er sich mit kleinen Abweichungen wohl auch in vielen anderen Betrieben hätte zutragen können: Ein erfahrener Fahrausweisprüfer, der seit Jahren bei einem kommunalen Verkehrsunternehmen beschäftigt war, geriet in den Verdacht, während der regulären Dienstzeiten wiederholt privaten Beschäftigungen nachzugehen. Ein Vorwurf, der im betrieblichen Alltag zwar nicht ungewöhnlich, in seiner arbeitsrechtlichen Relevanz jedoch alles andere als banal ist.

Hinweise auf entsprechende Unregelmäßigkeiten stammten ursprünglich nicht aus einer gezielten Überwachung, sondern wurden im Rahmen informeller Rückmeldungen eines Sicherheitsdienstes thematisiert. Die Rede war von Fitnessstudiobesuchen, privaten Fotoshootings, Aufenthalten in Cafés und der Wohnung seiner Freundin, allesamt mutmaßlich innerhalb seiner offiziell dokumentierten Arbeitszeit. Die Geschäftsführung des Unternehmens entschloss sich, eine Detektei einzuschalten, um die Vorwürfe aufzuklären.

Detektivische Maßnahmen und Ergebnisse: Observation, Dokumentation, GPS-Tracker

Was darauf folgte, war eine dokumentierte Überwachung über mehrere Tage hinweg. Die Detektive beobachteten den Arbeitnehmer im öffentlichen Raum, fotografierten ihn, hielten Aufenthaltsorte fest und statteten das vom Kläger dienstlich genutzte Fahrzeug temporär mit einem GPS-Sender aus.

Die Auswertung der gewonnenen Daten ergab, dass der Kläger in zahlreichen Fällen erhebliche Zeiträume mit privaten Erledigungen verbrachte, ohne diese als Pausenzeiten im digitalen Zeiterfassungssystem zu erfassen. Die Abweichungen zwischen tatsächlichem Verhalten und dokumentierter Arbeitszeit summierten sich auf Stunden. Besonders auffällig war, dass die festgestellten Aktivitäten regelmäßig am Vormittag und Nachmittag stattfanden, also zu Zeiten, in denen nach allgemeiner Lebenserfahrung mit aktiver Tätigkeit zu rechnen gewesen wäre. Weder schriftlich noch mündlich konnte der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung plausible Erklärungen liefern, warum er an diesen Orten war und inwiefern seine Anwesenheit dienstlich motiviert gewesen sein sollte.

Die Reaktion des Arbeitgebers: Kündigung und Widerklage auf Kostenersatz

Die Reaktion des Arbeitgebers auf dieses Fehlverhalten des Beschäftigten: Eine außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. In dem Kündigungsschreiben wurde ausdrücklich auf die Ergebnisse der Observation Bezug genommen. Parallel dazu forderte der Arbeitgeber die Erstattung der durch die Detektei entstandenen Kosten, die sich auf über 21.000 Euro beliefen.

Der Arbeitnehmer reichte hierauf eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Köln ein und widersprach auch gegen die Ersatzkosten für den Einsatz des Detektivs. Er argumentierte damit, dass die Überwachung auf rechtswidrige Weise erfolgt und es dadurch zu einer Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte gekommen sei. Des weiteren verstoße die Überwachung nicht nur gegen die Datenschutz-Verordnung, sondern auch gegen § 26 Absatz 1 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes. Die aus der Überwachung gewonnen Materialien können daher nicht für die Kündigung verwertet werden, was zur Folge habe, dass weder die Kündigung noch eine Kostenerstattung auf diese Tatsachen gestützt werden könne.

Abweisung der Berufung durch das Landesarbeitsgericht Köln

Das Landesarbeitsgericht Köln wies in zweiter Instanz die Berufung des Klägers ab. Es bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln, das bereits erstinstanzlich die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung bejaht und die Klage weitgehend abgewiesen hatte. Die Begründung der Berufungsinstanz fiel dabei in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert deutlich aus. Zunächst wurde klargestellt, dass die Nichtdokumentation von Pausen und die vorsätzliche Falschbedienung eines Zeiterfassungssystems grundsätzlich geeignet sind, das Vertrauen des Arbeitgebers nachhaltig zu zerstören.

Was das Gericht dann letztlich festgestellt hat, ging über einen bloßen Regelverstoß im betrieblichen Sinn deutlich hinaus. Es war, aus Sicht der Kammer, nicht nur irgendeine Formabweichung oder ein technischer Fehler bei der Zeiterfassung, wie man ihn vielleicht noch als Nachlässigkeit hätte verstehen können. Vielmehr stellte die Kammer fest, dass eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die die Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses nachhaltig zerstöre, vorliegt. Eine Untermauerung dieses Umstands war jedoch, dass die Pflichtverletzung des Klägers über einen langen Zeitraum hinweg andauerte und somit nicht von einem einzelnen Vorfall gesprochen werden konnte. Vielmehr konnte davon ausgegangen werden, dass eine systematische Umgehung der betrieblichen Ordnung vorliegt, die sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als ein fortgesetzter Vertrauensbruch darstellte. Dies führte dazu, dass die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als gerechtfertigt bewertet werden kann. Einer vorherigen Abmahnung des Beschäftigten sei aufgrund der Schwere und Häufigkeit der Verletzungen entbehrlich.

Verhältnismäßigkeit als Maßstab für die Zulässigkeit von Beweisen

Die zentrale Frage nach dem Beweisverwertungsverbot beantwortete das Gericht mit einer klaren Absage an pauschale Lösungen. Zwar erkannte das Landesarbeitsgericht an, dass jede Observation durch Dritte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift. Jedoch könne eine solche Maßnahme nicht automatisch unzulässig sein, nur weil sie in das Persönlichkeitsrecht eingreift. Vielmehr komme es immer darauf an, wie konkret der Einzelfall gelagert ist und ob die Maßnahme in ihrer Intensität überhaupt eine Schwelle überschreitet, die nicht mehr hinnehmbar wäre.


Im konkreten Fall sei die Überwachung nicht ins Blaue hinein erfolgt, sondern durch einen greifbaren Verdacht veranlasst worden. Auch der Umfang sei, so die Bewertung, überschaubar gewesen: Es ging um einen begrenzten Zeitraum, beschränkt auf reguläre Schichtzeiten. Die Maßnahme habe sich ausschließlich auf das Verhalten im öffentlichen Raum bezogen. Ein substantieller Eingriff in die Intimsphäre oder in besonders schützenswerte Lebensbereiche sei nicht erkennbar gewesen.

Auch die Anbringung eines GPS-Senders am Dienstfahrzeug stufte das Gericht unter den gegebenen Umständen nicht als rechtswidrig ein. Maßgeblich sei, dass das Fahrzeug ausschließlich dienstlich genutzt werde und die Ortung auf den Zeitraum der Dienstschichten begrenzt gewesen sei. Die gesammelten Informationen beträfen daher ausschließlich dienstlich relevante Sachverhalte, deren Aufklärung im berechtigten Interesse des Arbeitgebers liege. Selbst wenn man eine Datenschutzverletzung annehmen würde, folge daraus kein zwingendes Verwertungsverbot. Ein solches sei im deutschen Arbeitsrecht nur in extremen Ausnahmefällen anzunehmen, etwa wenn das Gericht durch die Verwertung selbst eine Grundrechtsverletzung perpetuieren würde. Die Rechtsprechung, insbesondere die des Bundesarbeitsgerichts, stelle zu Recht hohe Anforderungen an die Annahme eines solchen Verbots.

Maßstab für die Zulässigkeit gerichtlicher Verwertung

Das Landesarbeitsgericht verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29. Juni 2023 (2 AZR 297/22), das eine vergleichbare Konstellation betraf und in dem das Gericht ausführlich darlegte, dass allein die Unzulässigkeit einer Datenerhebung nicht automatisch die Unverwertbarkeit nach sich ziehe. Vielmehr sei eine Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter erforderlich, bei der insbesondere auch das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Verwertung der Information zu berücksichtigen sei. Im vorliegenden Fall sei weder die Eingriffsintensität besonders hoch noch die Schutzwürdigkeit der Daten besonders sensibel gewesen. Das Gericht stellte daher fest, dass auch bei unterstellter Rechtswidrigkeit der Erhebung keine Verwertungsgrenze überschritten worden sei.

Voraussetzungen für Schadensersatz bei Überwachungskosten

Im Hinblick auf die Ersatzpflicht für die Detektivkosten bestätigte das Landesarbeitsgericht die Linie der bisherigen Rechtsprechung. Danach besteht ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, wenn dieser durch vorsätzliche Vertragspflichtverletzung eine Überwachungsmaßnahme veranlasst hat und sich der Verdacht anschließend bestätigt. Die Kosten der Maßnahme müssen dabei angemessen, erforderlich und aus ex-ante-Sicht zweckmäßig gewesen sein.

Nach Einschätzung des Gerichts hatte die Beklagte gute Gründe, die Detektei einzuschalten. Die Entscheidung beruhte auf konkreten Hinweisen aus dem Betrieb, deren Gehalt sich im Verlauf der Observation in weiten Teilen bestätigte. Dass die Maßnahme zur Aufklärung des vermuteten Fehlverhaltens geeignet und erforderlich war, zeigte sich nicht zuletzt daran, dass die festgestellten Abläufe mit den dokumentierten Unstimmigkeiten im Zeiterfassungssystem in auffälliger Weise korrespondierten. Was die Höhe der geltend gemachten Kosten betrifft, so blieb eine substanziierte Einlassung des Klägers aus.

Gesamtwürdigung: Verhältnismäßigkeit, Transparenz und rechtliche Konsequenz

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln verdient besondere Beachtung, weil sie sich mit Präzision, aber ohne Pathos auf die Grundlinien des geltenden Rechts stützt. Sie nimmt datenschutzrechtliche Argumente ernst, ohne sie überzugewichten, und erinnert daran, dass auch Arbeitnehmer nicht schrankenlos vor Kontrolle geschützt sind. Die Schwelle zur Unverwertbarkeit wird dort gezogen, wo sich die Kontrollmaßnahme zu einer systematischen, tief eingreifenden Überwachung auswächst. Solange sich ein Arbeitgeber an konkrete Verdachtsmomente hält, die Maßnahme in Umfang und Dauer beschränkt und ausschließlich dienstliches Verhalten betrifft, kann eine solche Observation rechtlich zulässig und deren Ergebnis im Verfahren verwertbar sein.

Im Ergebnis stärkt die Entscheidung nicht einseitig die Position der Arbeitgeberseite, sondern trägt der berechtigten Erwartung an rechtskonforme Aufklärung betrieblicher Pflichtverletzungen Rechnung. Sie formuliert eine rechtlich tragfähige Grenze zwischen dem Schutz vor übergriffiger Kontrolle und der Pflicht, berechtigte Interessen durch transparente Maßnahmen zu wahren. Für die arbeitsrechtliche Praxis bedeutet das Urteil nicht die Freigabe lückenloser Mitarbeiterüberwachung, wohl aber eine differenzierte Bestätigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Zweckbindung.


Mit Blick auf künftige Fälle lässt sich sagen: Wer als Arbeitgeber eine Detektei beauftragt, muss vorbereitet sein, im Streitfall darzulegen, dass ein konkreter Verdacht bestand, mildere Mittel ausgeschöpft wurden und die Maßnahme selbst maßvoll war. Arbeitnehmer wiederum müssen wissen, dass der Vertrauensbruch durch vorsätzliche Zeiterfassungsmanipulation nicht nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet, sondern auch empfindliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann.


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