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Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie sind auf dem gesamten Globus spürbar. Viele Lieferbeziehungen leiden unter den Einschränkungen – Rohstoffe können nicht geliefert werden und auch die Be- und Auslieferung von Waren ist stark eingeschränkt. Viele Unternehmen sehen sich aufgrund dessen vor große Herausforderungen gestellt, da ihr Geschäft zusammenzubrechen droht. Wichtige Produktionsstätten sind wegen der Coronakrise geschlossen, sodass die Produktion stillsteht. Auch die zahlreichen Grenzschließungen tragen zu Lieferengpässen oder gar Ausfällen bei. Zudem kann derzeit niemand die weitere Entwicklung der aktuellen Situation abschätzen, da immer wieder neue Maßnahmen ergriffen oder alte verändert werden und diese sich außerdem von Land zu Land unterscheiden.
Diese Lieferschwierigkeiten können insbesondere schuldrechtliche Folgen haben, wobei Startups besonders stark betroffen sind. Im Folgenden möchten wir Ihnen einen Überblick über die rechtlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf Lieferbeziehungen geben und über die wichtigsten (schuld-)rechtlichen Konsequenzen aufklären.
Kaum jemand hat wohl mit einer derartigen Krise gerechnet. Gerade in Europa hatten viele Menschen das Gefühl einer gewissen Immunität gegen Epidemien aufgrund der guten Gesundheitssysteme und der generellen Stabilität der Länder. So hatte das Coronavirus eine unterwartete Macht und riss von heute auf morgen alles aus den Fugen und brachte die Wirtschaft in bedrohliches Wanken. Auch große Unternehmen können sich nicht mehr ausruhen und zurücklehnen – sie sind inzwischen genauso betroffen wie kleine Unternehmen und Start-Ups, auch wenn letztere vor noch größeren Herausforderungen stehen.
In Hinblick auf die Lieferbeziehungen stellen sich besondere Probleme, welche Start-Ups meist am stärksten betreffen. In vielen Fällen hat der Vertragspartner beispielsweise die stärkere Marktmacht, es liegen häufig nur rudimentäre schriftliche Vereinbarungen vor und es bestehen noch keine langjährigen vertrauensvollen Lieferbeziehungen. Zudem können aufgrund der bei Start-Ups oft dünnen Finanzdecke bereits kurze Lieferengpässe existenzbedrohend sein.
Bei Leistungshindernissen haben die vertraglichen Regelungen Vorrang, weswegen sich diese zuerst vor Augen geführt werden sollten. Auch das gesetzliche Leistungsstörungsrecht des deutschen Zivilrechts sollte betrachtet werden, sofern dieses einschlägig ist.
Die meisten Verträge beinhalten Klauseln, welche den Leistungsaustausch und die Folgen von Leistungsstörungen regeln. Oftmals werden hier Vertragsstrafen vorgesehen. Häufig sind diese Klauseln innerhalb der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) zu finden und werden als „Höhere Gewalt“- bzw. „Force majeure“-Klauseln bezeichnet. Nach diesen Regelungen haben die Parteien Leistungsstörungen aufgrund „Höherer Gewalt“ nicht zu vertreten und teilweise besteht sogar die Möglichkeit, sich beim Vorliegen von „Höherer Gewalt“ vom Vertrag lösen zu können oder sich – zumindest vorübergehend – von der jeweiligen Leistungspflicht zu befreien.
„[…] ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist.“
Unter „Höhere Gewalt“ fällt also auch diejenige Situation, in welcher der Vertragspartner wegen Grenzschließungen o.ä. selbst die erforderlichen Rohstoffe oder Ware nicht erhält. Außerdem sind diese Merkmale beispielsweise gegeben, wenn der Vertragspartner von einer behördlichen Schließung betroffen ist. Dies bedeutet, dass sich besonders in Zeiten einer globalen Pandemie, wie wir sie derzeit erleben, in vielen Fällen auf „Höhere Gewalt“ berufen werde kann.
Zu bedenken gilt jedoch, dass auch Fallkonstellationen vorliegen können, in welchen der Vertragspartner die Verantwortung selber trägt. Das heißt, er hätte zum Beispiel entsprechende Vorkehrungen zur Vermeidung der Situation treffen können oder ist selbst für die Schließung seines Betriebes oder für etwaige Lieferengpässe verantwortlich. Hierbei kann sich die Person nicht auf die „Höhere Gewalt“-Klauseln berufen.
Aus diesem Grund sollte immer geprüft werden, ob die Berufung auf „Höhere Gewalt“ denn berechtigt ist. Dies kann unter anderem durch die Anforderung von entsprechenden Nachweisen und Informationen geschehen.
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Das gesetzliche Leistungsstörungsrecht des deutschen Zivilrechts findet dann seine Anwendung, wenn vertragliche Regelungen zum Leistungsstörungsrecht wie beispielsweise die bereits genannten „Höhere Gewalt“-Klauseln fehlen, unwirksam sind oder nur lapidar gefasst sind.
Grundsätzlich gilt hier, dass nur, weil Leistungserschwernisse vorliegen, nicht das Recht besteht, die jeweilige Leistung aufzuschieben oder zu verweigern. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind und ein Schuldner grundsätzlich dafür einzustehen hat, die Leistung zu erbringen und sich darum bemüht, dass die Leistung auch erbracht wird. Ist es ihm jedoch aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht möglich, die Leistung zu erbringen, so können die Unmöglichkeit nach § 275 BGB oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zum Zuge kommen. Die Fälle sind jeweils nach diesen Rechtsinstituten zu beurteilen.
Wenn der Schuldner in Verzug tritt und damit die Voraussetzungen des Verzugs im Sinne von § 286 BGB erfüllt sind, kann der Gläubiger Schadensersatz für die verzögerte Leistung verlangen.
286 Abs. 1 BGB besagt:
„Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug.“
In der Wirtschaft gilt hier für gewöhnlich der vertraglich bestimmte Zeitpunkt als Fälligkeitsdatum, nachdem der Verzug eintritt, wenn die Leistung bis zu diesem Zeitpunkt nicht erbracht wurde. Die Leistung muss allerdings jedenfalls grundsätzlich noch nachholbar und gem. § 286 Abs. 4 BGB nicht durch einen Umstand unterblieben sein, den der Schuldner nicht zu vertreten hat. In Hinblick auf Abs. 4 trägt der Schuldner die Beweislast, dass ein derartiger Umstand gegeben ist.
In Zeiten der Corona-Krise würden hierunter beispielsweise für den Schuldner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbare behördliche Anordnungen fallen, welche die fristgerechte Leistungserbringung nicht ermöglichen. Kann der Schuldner einen solchen Umstand nachweisen, so haftet er nicht aus Verzug. Der Gläubiger hat unterdessen die Möglichkeit, sich nach Mahnung und Nachfristsetzung vom Vertrag zu lösen. Dies ist jedoch für viele nicht sinnvoll, wenn sich das jeweilige Produkt nicht so einfach ersetzen lässt.
Sofern eine vorübergehende Unmöglichkeit vorliegt, welche die Verzögerung der entsprechenden Leistung verursacht, so ist der Schuldner nach § 275 BGB für die Dauer des Hindernisses von seiner primären Leistungspflicht befreit.
In der Zeit dieser Leistungsbefreiung würde eine Klage auf Leistungserbringung als „derzeit unbegründet“ abgewiesen werden. Auch dies geschieht mit Berufung auf § 275 BGB.
Die Unmöglichkeit kann sich sowohl auf jedermann als auch nur auf den Schuldner beziehen. Das bedeutet, dass die Leistung objektiv jedermann unmöglich sein kann oder subjektiv nur dem Schuldner unmöglich ist. Zudem kann sich der Schuldner nach § 275 Abs. 2 BGB bereits auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen, wenn das Leistungsinteresse des Gläubigers und der vom Schuldner zu erbringende Aufwand in einem Missverhältnis stehen.
In Hinblick auf die Corona-Krise führen die Quarantäne und die Betriebsstillegung beispielsweise zu einer (vorübergehenden) Unmöglichkeit. Kommt es jedoch zu Preiserhöhungen oder sonstigen Leistungserschwernissen, so muss in jedem der Fälle einzeln geprüft werden, ob diese Umstände zu einer Leistungsfreiheit führen.
Sollten Unternehmen sich lediglich an behördliche Empfehlungen zur Gesundheitsvorsorge halten und diese umsetzen, wodurch eine Leistungserbringung unmöglich ist, erschwert dies erst einmal den Umgang, da keine verbindlichen behördlichen Maßnahmen vorliegen. In Zeiten einer globalen Pandemie, in der an die Verantwortung jedes einzelnen appelliert wird, ist jedoch davon auszugehen, dass Gerichte bei einer späteren Beurteilung einem Unternehmen, nur weil es klaren behördlichen Empfehlungen gefolgt ist, hieraus keine haftungsrechtlichen Nachteile auferlegen werden.
Unter einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ist ein solcher Fall zu verstehen, in dem die Parteien ausdrücklich gewisse Umstände zur Grundlage ihres Geschäfts gemacht haben und diese Umstände sich nach Vertragsschluss geändert haben. Voraussetzung ist zudem, dass die Parteien in Kenntnis der geänderten Umstände den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten. In solchen Fällen kommt § 313 BGB in Betracht, welcher vom Gesetzgeber nur für diese bestimmten Ausnahmefälle gedacht ist.
Sind solche Umstände gegeben, so kann dies entweder zu einer Aufhebung des Vertrages führen, sofern der bestehende oder veränderte Vertrag für mindestens einen Vertragspartner nicht zumutbar ist oder die Parteien können den Vertrag an die veränderten Umstände anpassen.
In Hinblick auf Ausnahmezustände wie die Corona-Pandemie gilt zu prüfen, ob sich durch diese Krise und die damit verbundenen Schutzmaßnahmen Umstände, die ausdrücklich Grundlage der Lieferbeziehung waren, so stark verändert haben, dass eine solche Aufhebung oder Anpassung des Vertrages geboten ist. Insbesondere geht es hierbei um empfindliche nachträgliche Störungen des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung.
Zu beachten gilt, dass die wirtschaftlichen Folgen aufgrund des veränderten Konsumverhaltens infolge der Corona-Krise wohl keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen dürften.
Auch kurzfristige Betriebsschließungen, die ebenso aus anderen Gründen auftreten können, gelten als allgemeines Unternehmensrisiko, weswegen sie erst einmal keine Aufhebung oder Anpassung des Vertrages rechtfertigen.
Kommt es infolge der Corona-Pandemie zu Preiserhöhungen, wie aktuell etwa bei Rohstoffen wie z.B. Stahl, unter denen Bauunternehmen teilweise leiden, so liegt jedoch auch hier nur in absoluten Ausnahmefällen ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor, sodass eine Anpassung oder Aufhebung des Vertrages gerechtfertigt wäre.
Eine mögliche Konstellation, bei der ein Wegfall der Geschäftsgrundlage zu denken wäre, ist z.B. gegeben, wenn der Käufer das Produkt ausschließlich für eine bestimmte Verwendung kauft, die jedoch aufgrund behördlicher Anordnungen zumindest für einen längeren Zeitraum nicht mehr erlaubt ist. Dass ein solcher Fall vorliegt, muss für den Verkäufer allerdings erkennbar sein.
Grundsätzlich müssen Vertragspartner bloße Verzögerungen von Lieferungen, welche infolge der Corona-Krise auftreten, in vielen Fällen hinnehmen. Für eigene Lieferverpflichtungen und etwaige eigene Lieferverzögerungen sind die Ursachen sorgfältig zu dokumentieren.
Allerdings kommt es bei Leistungsstörungen auch maßgeblich auf die vertraglichen Regelungen an. Insbesondere die sogenannten „Höhere Gewalt“-Klauseln spielen eine wichtige Rolle und dürften diejenigen Leistungsstörungen, welche auf die Corona-Krise zurückzuführen sind, rechtfertigen. Auch wenn derartige vertragliche Regelungen fehlen, sind vom gesetzlichen Leistungsstörungsrecht Mechanismen und Vorgehensweisen vorgesehen, welche zur Klärung von Lieferschwierigkeiten herangezogen werden können.
Die geschilderte Gesetzeslage gilt uneingeschränkt, sofern es keine spezifischen vertraglichen Regelungen gibt. Die Parteien haben jedoch die Möglichkeit, diese Gesetzeslage zu modifizieren oder zu ergänzen.
Eine wichtige Rolle, besonders in Zeiten einer globalen Pandemie, spielt die bereits genannte „Höhere Gewalt“, welche zu einer befristeten Suspendierung von Vertragspflichten für die Parteien führen kann. Allerdings handelt es sich hierbei um keine Formulierung des deutschen Schuldrechts, sondern um die typische sogenannte „Force majeure“-Klausel, welche sich in vielen Verträgen finden lässt. Zu beachten gilt, dass ihre Anwendung jedoch auch in Zeiten des Coronavirus in jedem Fall einzeln zu prüfen ist.
Auch im UN-Kaufrecht findet sich eine „Force-majeure“-Regelung (siehe Art. 79 CISG), welche bei internationalen Lieferbeziehungen auch als Teil des deutschen Rechts Anwendung finden kann, vorausgesetzt, dies wurde nicht ausdrücklich ausgeschlossen.
Für Unternehmen in der Gründungsphase sowie Start-Ups ist die Berufung auf „Höhere Gewalt“, ob von eigener Seite oder seitens des Vertragspartners, jedoch oft existenzgefährdend, da das Aussetzen von Vertragspflichten zum Stillstand in der Geschäftsbeziehung führt.
Besonders Unternehmen in der Gründungsphase ist das Hinauszögern von Neuabschlüssen von Lieferverträgen nicht möglich, da dies sofort die gerade erst aufgebaute Existenz bedrohen würde. In solchen Fällen werden dann trotz der derzeit unsicheren Lage und nicht absehbaren Zukunft neue Geschäftsbeziehungen begründet, bzw. müssen oftmals sogar begründet werden, um die Existenz zu wahren.
Gerade solche Unternehmen sollten im Zuge dessen darauf achten, dass flexible Regelungen geschaffen werden, welche der aktuellen unsicheren Lage Rechnung tragen. Hier kämen beispielsweise Preisanpassungsklauseln, kürzere Laufzeiten, Variabilität bei Abnahmemengen, o.ä. infrage.
Dadurch, dass die Corona-Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Konsequenzen und erschwerten Lieferbedingungen kein Geheimnis mehr ist, kommen bei Neuabschlüssen ein Wegfall der Geschäftsgrundlage oder die Berufung auf „Höhere Gewalt“ allerdings kaum noch infrage, selbst wenn sich die Auswirkungen der Corona-Krise in Zukunft noch vergrößern. Aus diesem Grund sollten Unternehmen in der Gründungsphase oder Start-Ups in diesen Zeiten keinesfalls ausdrückliche Leistungsgarantien abgeben.
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