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| Wettbewerbsrecht

Medizinische Fernbehandlung durch Online-Fragebogen?


Vor Kurzem musste sich das Oberlandesgericht Köln mit der Frage beschäftigen, ob eine medizinische Fernbehandlung durch einen Online-Fragebogen wettbewerbswidrig ist – und es fand eine eindeutige Antwort (Urteil v. 10.06.2022, Az. 6 U 204/21).

Kooperation von Versandapotheke und ausländischen Ärzten – Behandlung von Patienten ohne ärztlichen Kontakt

Im vorliegenden Fall ging eine in den Niederlanden ansässige und in Deutschland sehr bekannte Versandapotheke eine Kooperation mit einer aus Großbritannien heraus betriebenen Online-Plattform für ärztliche Behandlungen ein. Die für die Online-Plattform tätigen Ärzte sind ebenfalls im Ausland ansässig. Verbraucher können auf der Online-Plattform einen Fragebogen ausfüllen, der sodann von den Ärzten ausgewertet wird. Anschließend erhalten sie als Patienten ein Privatrezept, welches sie in dem Online-Shop der Versandapotheke einlösen können.

Werbung für medizinische Fernbehandlung ist gemäß § 9 HWG unzulässig

Das Oberlandesgericht Köln erkannte für Recht, dass die Werbung für eine medizinische Fernbehandlung, bei der die Diagnose und Verschreibung von Medikamenten allein ein Online-Fragebogen ausgefüllt wird, gegen § 9 Satz 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstößt. Eine Zulässigkeit der Werbung ergebe sich auch nicht aus der Ausnahmevorschrift des § 9 Satz 2 HWG.

§ 9 HWG

§ 9 Satz 1 HWG: Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung).

§ 9 Satz 2 HWG: Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.


Die Versandapotheke als Beklagte vertrat die Ansicht, der Ausnahmetatbestand des § 9 Satz 2 HWG greife im vorliegenden Fall ein. Dies verneinte das Oberlandesgericht Köln jedoch eindeutig. Die Anwendung eines Online-Fragebogens entspreche nicht den anerkannten fachlichen Standards in Deutschland, wenn dadurch kein weiterer Kontakt zwischen Ärzten und Patienten vorgesehen ist.

Weiter führte das Oberlandesgericht Köln aus, dass der deutsche anerkannte fachliche Standard gemäß § 9 Satz 2 HWG auch für Fernarztdienstleistungen mit Sitz im Ausland gelten würde. Unter Berücksichtigung der von dem Bundesgerichtshof dargelegten Grundsätze ergebe sich, dass der Anwendung des § 9 HWG kein zwingendes Unionsrecht entgegensteht (vgl. BGH, Urteil v. 09.12.2021, Az. I ZR 146/20). Das ergebe sich auch aus dem Umstand, dass sich die Werbung nicht allein auf die Bewerbung von Arzneimitteln beziehe.

Schließlich führe eine grundsätzliche europarechtliche Zulässigkeit der Fernbehandlung nicht zu einer Ausnahme vom Werbeverbot des § 9 Satz 1 HWG. Zur Begründung stützte sich das Oberlandesgericht Köln wiederum auf die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Leitlinien (vgl. BGH, Urteil v. 09.12.2021, Az. I ZR 146/20). Danach sei die Vorschrift des § 9 HWG nicht einschränkend dahin auszulegen, dass eine berufsrechtlich zulässige Fernbehandlung generell nicht dem Werbeverbot dieser Bestimmung unterläge.

Weglassen der Information über den Sitz der Ärzte im Ausland ist Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG

Darüber hinaus stellte das Oberlandesgericht Köln klar, dass bei dem Anbieten einer medizinischen Fernbehandlung in dem Weglassen der Information über den Sitz des Anbieters im Ausland eine Irreführung durch Unterlassen im Sinne von § 5a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) liegt. Die Versandapotheke hätte auf ihrer Internetseite nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass das Online-Behandlungsportal dem englischen Regulierungsregime unterliegt und ihren Sitz in Großbritannien hat. Dadurch bestehe eine Irreführung hinsichtlich des Behandlungsstandards der Online-Plattform und den Verbrauchern bzw. Patienten würden wesentliche Informationen vorenthalten.


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Im deutschen Recht umfasst das Wettbewerbsrecht zum einen das Recht des unlauteren Wettbewerbs (das Lauterkeitsrecht) und das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen (das Kartellrecht). Das hier besprochenen Urteil des Oberlandesgerichts Köln befasste sich mit dem Lauterkeitsrecht. Hierbei geht es um die Fairness des Handelns bzw. des Wettbewerbs. Die Gesetze sind die Spielregeln, an die sich jedes Unternehmen halten muss. Zweck ist der Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen sowie der Schutz des Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

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