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| Lebensmittelrecht, Nahrungsergänzungsmittelrecht, Sonstige Rechtsgebiete

Nahrungsergänzungsmittel: Risiko durch fehlende Regelung?


Nahrungsergänzungsmittel können eine sinnvolle Ergänzung zur täglichen Ernährung darstellen, jedoch gibt es in Deutschland nur eine begrenzte gesetzliche Regelung. Zwar gibt es eine Positivliste mit erlaubten Vitaminen und Mineralstoffen, jedoch mangelt es an weiteren Regelungen wie zum Beispiel zur Dosierung. Auch für andere Substanzen mangelt es an Regelungen. Wir wollen dem ganzen auf den Grund gehen:

„Positivliste“ mit zugelassenen Vitaminen und Mineralstoffen

Bestimmte Vitamine und Mineralstoffe sind für den Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen. Diese sind in Deutschland in einer „Positivliste“ der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie (Nem-RL, 2002/46/EG) zu finden. Hier sind alle erlaubten Vitamin- und Mineralstoffverbindungen aufgeführt.

Durch den Umkehrschluss lässt sich hieraus ableiten, dass dort nicht gelistete Substanzen nicht zur Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen.

Risikopotential nach 20 Jahren noch immer nicht beseitigt

Regelungen zur Verwendung von Nahrungsergänzungsmittel sind wichtig. Denn wenn dem Körper eine zu hohe Dosis an Vitaminen und Mineralstoffen zugeführt wird, kann dies unerwünschte Nebenwirkungen erzeugen. Die vermeintlichen Helfer werden zur Gefahr, denn eine Überdosierung kann auch gesundheitsschädliche Wirkungen haben. Um dieses Problem wurde sich bis heute nicht umfassend gekümmert, und das obwohl die Nem-RL schon vor 20 Jahren verabschiedet wurde. Im Jahre 2020 wurde die Problematik immerhin ein wenig aufbereitet und es wurde sich der Angelegenheit angenommen.

Besonders hohe Gefahrenquelle bei fettlöslichen Vitaminen

Fettlösliche Vitamine stellen eine besonders hohe Gefahrenquelle dar. Nachteilige Wirkungen sind bei einer zu hohen Dosierung besonders wahrscheinlich. Zu der Risikogruppe gehören die Vitamine A, D, E, und K und Spurenelementen wie Eisen, Selen und Fluorid.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt daher die Einnahme von bestimmten Nahrungsergänzungsmittel nur mit ärztlicher Kontrolle. Für Kinder und Jugendliche sind einige NEMs gänzlich ungeeignet.

„Sonstige Stoffe“ unterliegen keiner Regelung

In der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie (Nem-RL) werden neben Vitaminen und Mineralstoffen auch eine Vielzahl weiterer Stoffe genannt, die in NEM enthalten sein können. Als Beispiele von „sonstigen Stoffen“ nennt die Nem-RL Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren, und Ballaststoffe.

Für diese sonstigen Stoffen gibt es allerdings keine „Positivliste“ wie für Vitamine und Mineralstoffe. Die Verweisung auf nationales Recht nützt Deutschland jedoch nicht viel, denn hier gibt es keine Festlegungen in der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV)

Wenig explizite Verbote

Früher gab es eine nationale Verbotsregelung im deutschen Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB, § 3 Abs. 3 Nr. 1 und 3). Diese wurde 2021 für die sonstigen Stoffe und Aminosäuren aufgehoben. Das generelle Verbot mit Ausnahmevorbehalt gilt seitdem nicht mehr.

Existierende nationale Auflistungen in anderen Mitgliedstaaten sind jedoch auch nicht sehr aussagekräftig:

Das Fehlen einer einheitlichen Systematik und die nur teilweise bestehende Rechtsverbindlichkeit der Listen bringen wenig Rechtssicherheit. Von Expliziten Verboten kann hier kaum die Rede sein. Bei den aufgelisteten Stoffen ist immer eine einzelfallbezogene Prüfung zu machen, ob sie den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen.

Die Beweislast hierbei trägt die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde der Kommune/des Kreises. Deren Aufgabe ist es im Einzelfall die Abgrenzungsfragen zu klären und die Einstufung des Stoffs bzw. die Dosierung zu bewerten. Hieraus folgt eine große Rechtsunsicherheit, da es an Regelungen mangelt. Als Beispiel hierfür können CBD oder Arzneistoffe wie Melatonin sein.

Eine kleine Negativliste gibt es aber doch

Stoffe, die explizit für den Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln verboten sind, gibt es kaum. Es gibt jedoch eine kurze Negativliste mit Stoffen die verboten sind und Stoffen die noch geprüft werden. Zu finden sind diese in der Verordnung über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmter anderer Stoffe zu Lebensmitteln:

Die verbotenen Stoffe (Teil A) umfassen derzeit:

  • Aloe-Emodin, Emodin, Danthron und Aloe-Extrakte, die Hydroxyanthracen-Derivate (Anthrachinone) enthalten
  • Ephedra sowie dessen Zubereitungen
  • Yohimbe sowie dessen Zubereitungen

Stoffe, die eingeschränkt verwendet werden dürfen (Teil B) sind:

  • Monacholine aus Rotschimmelreis
  • Grüntee-Extrakte, die bis zu 800 mg (-)-Epigallocatechin-3-gallat (EGCG) pro Tag enthalten (mit Ausnahme von solchen zur Zubereitung eines normalen grünen Tees)

Einige Stoffe werden derzeit auf ihre möglicherweise gesundheitsschädliche Wirkung geprüft (Teil C). Dazu gehören:

  • Faulbaum-Zubereitungen aus der Rinde (Rhamnus frangula L., Rhamnus purshiana DC.), die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten
  • Rhabarber-Zubereitungen aus Wurzel oder Rhizom (Rheum palmatum L., Rheum officinale Baillon und ihre Hybride), die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten
  • Sennes-Zubereitungen aus Blättern oder Früchten (Cassia senna L.), die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten

Fehlende Vorgaben zur Sicherung der Qualität von „Botanicals“

Besonders wichtig sind auch die Regelungen zur Qualität und Sicherheit bei Nahrungsergänzungsmitteln. Die Zuständigkeit die die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben und der Sicherheit von NEM liegt beim Hersteller, Inverkehrbringer oder Importeur.

Nach Inverkehrbringen der Produkte sind die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden für die amtliche Kontrolle zuständig.

Der Grenzbereich zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln wird immer wieder von Pflanzen und ihren Zubereitungen, den sogenannten Botanicals, herausgefordert. Um eine Übersicht über die Verwendung von Pflanzen und Pflanzenteilen als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat zu schaffen, hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gemeinsam mit den Bundesländern im Jahr 2014 eine Stoffliste erstellt. Im Jahr 2020 wurde die Liste um weitere Pflanzen und Pilze erweitert. Obwohl sie nicht rechtsverbindlich ist, soll sie als Orientierungshilfe für Behörden, Lebensmittelhersteller und Verbraucher dienen.

Die Klassifizierung der Pflanzen und Pflanzenteile in der Stoffliste ist für Zubereitungen wie Extrakte oder Isolate, die in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind, nicht direkt anwendbar. Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung und ernährungsphysiologischen sowie toxikologischen Eigenschaften muss für jede Zubereitung individuell geprüft werden, ob sie der Einstufung der Ausgangspflanze entspricht. Die fehlenden gesetzlichen Vorgaben zur Qualität von Botanicals, wie beispielsweise einheitliche Extraktionsverfahren oder Kennzeichnungsvorschriften, erschweren zudem die Arbeit der Lebensmittelüberwachung und können zu Verbraucherunsicherheit führen.


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