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Die ESMA hat am 17. Dezember 2024 neue Leitlinien zum Thema Reverse Solicitation unter der MiCAR veröffentlicht. Diese Leitlinien sollen Unternehmen und Aufsichtsbehörden helfen, die MiCAR-Regelungen richtig auszulegen. Dabei wird schnell klar, dass die MiCAR Anleger schützen soll. Drittstaatendienstleister müssen künftig noch mehr aufpassen, um ohne MiCAR-Zulassung Leistungen an EU-Kunden erbringen zu dürfen.
Die Leitlinien beziehen sich auf die wichtige MiCAR-Regelung zur Reverse Solicitation. Angesprochen werden natürliche und juristische Personen, die in der EU Krypto-Dienstleistungen anbieten oder Kryptowerte emittieren. Dabei geht es um die Frage, wann Drittstaatendienstleister für ihre Aktivitäten in der EU eine MiCAR-Zulassung benötigen, wenn sie Dienstleistungen auf Kundenwunsch anbieten. Die MiCAR schreibt dazu:
Erbringung von Kryptowerte-Dienstleistungen auf ausschließlich eigenes Betreiben des Kunden
Abs. 1: Beginnt ein Kunde, der in der Union ansässig oder niedergelassen ist, auf ausschließlich eigenes Betreiben durch ein Unternehmen aus einem Drittland damit, eine Kryptowerte-Dienstleistung zu erbringen oder eine Tätigkeit im Zusammenhang mit Kryptowerten auszuüben, so gilt die Anforderung einer Zulassung […] nicht für die Erbringung dieser Kryptowerte-Dienstleistung oder die Ausübung dieser Tätigkeit für diesen Kunden […].
[E]ine Dienstleistung [gilt] nicht als auf ausschließlich eigenes Betreiben des Kunden erbrachte Dienstleistung, wenn ein Unternehmen aus einem Drittland […] Kunden oder potenzielle Kunden in der Union akquiriert.
Dieser Wortlaut der deutschen Vorschrift ist dabei in mehrerer Hinsicht schlecht formuliert. Geregelt werden soll der Fall, dass ein EU-Kunde ausdrücklich von einem Drittland-Unternehmen eine Kryptowerte-Dienstleistung verlangt und dies dann auch genauso erbracht wird. Der deutsche Wortlaut klingt, als würde der Kunde eine Dienstleistung erbringen.
Festzuhalten ist: Unternehmen sollen von der strengen MiCAR-Zulassung privilegiert werden, wenn sie ausschließlich auf ausdrückliches Kundenverlangen tätig werden. Sobald das Unternehmen aber anfängt, selbst Kunden zu bewerben oder von der Kundenanfrage abweicht, braucht es eine Zulassung.
Die MiCAR definiert Kunden als eine natürliche oder juristische Person, für die ein Anbieter Kryptowerte-Dienstleistungen erbringt. Die Zulassungsausnahme für Drittanstaatendienstleister gilt dabei nur bei ausschließlich eigenem Kundenbetreiben.
Wann genau dies der Fall ist, wird nicht positiv festgelegt. Klar ist aber, dass eine Erbringung der Leistung auf ausschließliche Initiative des Kunden ausgeschlossen ist, wenn der Drittstaatendienstleister die Kunden anwirbt oder die Dienstleistungen bewirbt. Die MiCAR legt dabei fest, dass ein Unternehmen vertraglich nicht regeln kann, ob der Kunde die Dienstleistungen erbracht haben wollte – die Beurteilung erfolgt rein faktisch.
Neu ist: Nach Ansicht der ESMA verliert eine Reverse Solicitation ihre Gültigkeit, wenn nach der ersten Kundenanfrage ein längerer Zeitraum vergeht. Als Richtwert wird ein Monat genannt – das Unternehmen darf also nicht lange mit der Dienstleistung warten, ansonsten braucht es eine Zulassung. Es darf einem Kunden auch nicht nachträglich zusätzliche Dienstleistungen vorschlagen – selbst wenn diese der ursprünglich gewünschten Leistung ähneln.
Kernpunkt der neuen ESMA-Leitlinien ist eine weite Auslegung des Anwerbe-Begriffs. Dieser ist zentral, da im Falle des Anwerbens durch das Unternehmen keine Zulassungs-Ausnahme greift. Je weiter dieser Begriff also ausgelegt wird, desto weniger Spielraum haben Drittstaatendienstleister, um von der Ausnahme Gebrauch zu machen.
Laut der ESMA soll die Anwerbung von Kunden durch Firmen aus Drittländern „weit und technologieneutral“ ausgelegt werden. Anwerbung umfasst die Förderung, Werbung oder das Angebot von Kryptowerte-Dienstleistungen oder -tätigkeiten gegenüber Kunden oder potenziellen Kunden in der Union, gleichgültig mit welchen Mitteln.
Als Beispiele werden u.a. aufgezählt:
● Internet-Werbung,
● Broschüren,
● Telefonanrufe,
● Emails,
● Banner, Pop-ups und/oder ähnliche Tools auf Websites und in sozialen Medien
● persönliche Treffen,
● Einladungen zum Ausfüllen eines Antwortformulars oder zur Teilnahme an einem Schulungskurs,
● Messaging-Plattformen,
● Sponsoring-Abkommen.
Dabei soll auch Markenwerbung erfasst werden, die sich mit einer breiten und großen Reichweite an die Öffentlichkeit richtet. Die BaFin wollte solch eine offene Werbung nicht genügen lassen – die ESMA hingegen ist strenger.
Besonders kritisiert wird, dass die ESMA-Leitlinien auch Bildungsmaterial und Branchenveranstaltungen als „Anwerben“ erfassen. Eine Ausnahme wird nur gemacht, wenn allein Zwecke der Wissensvermittlung verfolgt werden. Grundsätzlich geht die ESMA aber davon aus, dass zumindest indirekt Werbezwecke verfolgt werden und deshalb ein Anwerben vorliegt.
Die Drittstaatendienstleister können die weite Auslegung auch nicht dadurch umgehen, dass sie weitere Personen zwischen sich und den Kunden schalten. Egal, ob das ausdrücklich aufgrund eines Vertrags oder stillschweigend durch eine informelle Vereinbarung geschieht – die Handlungen der zwischengeschalteten Akteure werden dem Unternehmen zugerechnet.
Die Leitlinien nennen extra das Beispiel der Influencer. Das Vorhandensein jeglicher Form von (monetären oder nicht-monetären) Vergütungen oder Vorteilen, welche der Drittstaatdienstleister dem Dritten gewährt, sollte ein starkes Indiz dafür sein, dass der Dritte im Namen des Unternehmens handelt. Das Fehlen einer Vergütung oder Vergünstigung sollte aber eine Zurechnung gerade nicht ausschließen.
Hat ein Drittstaatanbieter auf ausdrückliches Betreiben des Kunden hin eine Dienstleistung erbracht, stellt sich die Frage, ob hier weiterer Spielraum besteht. Es soll den Dienstleistern grundsätzlich erlaubt sein, dem Kunden Dienstleistungen gleicher Art anzubieten.
Art. 61 Abs. 2 MiCAR legt aber fest, dass ein Ersuchen eines Kunden auf ausschließlich eigenes Betreiben das Unternehmen nicht berechtigt, diesem Kunden neue Arten von Kryptowerten oder Kryptowerte-Dienstleistungen zu vermarkten. Wann dies der Fall ist, wird aber wieder nicht ausdrücklich geregelt. Grund dafür ist die rasante Entwicklung der Märkte und Dienstleistungen.
Deshalb sieht die ESMA sieht die Verantwortung bei dem Dienstleister selbst. Diese sollen eine genaue Kategorisierung verschiedener Kryptowerte und -dienstleistungen vornehmen und dementsprechend wissen, was noch gleicher Art ist. Als Beispiel für nicht gleichartige Kryptowerte werden u.a. genannt: Utility-Token, vermögenswertereferenzierte Token oder E-Geld-Token und Kryptowerte, die nicht mittels der gleichen Technologie gespeichert oder übertragen werden.
Die neuen Leitlinien erschweren es Drittstaatendienstleistern, ohne Zulassung in der EU tätig zu werden. Um Verstöße gegen die MiCAR zu vermeiden, sollten Unternehmen folgende Maßnahmen ergreifen:
1. Verzicht auf gezieltes Marketing in der EU
Drittstaat-Unternehmen sollten in jedem Fall nicht den EU-Markt bewerben, wenn sie keine Zulassung haben. Geoblocking für EU-Kunden oder eine ausdrückliche Weigerung, EU-Kunden zu bedienen, kann hilfreich sein.
2. Dokumentation der Kundenanfragen
Es sollte nachweisbar sein, dass der Kunde von sich aus Kontakt aufgenommen hat. Dabei empfiehlt sich eine ausdrückliche Dokumentation.
3. Vermeidung langfristiger Geschäftsbeziehungen auf Reverse-Solicitation-Basis
Jede erneute Interaktion könnte als aktive Akquise gewertet werden. Auch hier sollte alles festgehalten werden.
4. Prüfung der ESMA-Richtlinien bei Kooperationen mit Influencern und Drittanbietern
Finanzinfluencer dürfen nicht im Auftrag des Dienstleisters Kunden anwerben. Prüfen Sie jede Einschaltung Dritter unbedingt gründlich ab.
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Sie brauchen eine Beratung im Kryptorecht oder einen Kryptorechtsanwalt, etwa für die Frage, welche neuen ESMA-Leitlinien zur Reverse Solicitation unter der MiCAR wichtig sind? Dann sind Sie bei uns richtig. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!