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| Internetrecht, Wettbewerbsrecht

Neues Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes


Weitere Informationspflichten im Wettbewerbs- und Gewerberecht 

Am 11.06.2021 hat der Bundestag ein neues Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes verabschiedet. Dieses wird am 28.05.2022 in Kraft treten. Ziele dessen sind die Schaffung von Transparenz im Online-Handel, der Schutz der Verbraucher vor unlauterem Geschäftsgebaren im Internet und bei Verkaufsfahrten, die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung sowie die Klärung der Verpflichtungen zur Kennzeichnung von Influencer-Marketing als Werbung. Konkret dienen die Änderungen im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und in der Gewerbeordnung (GewO) formal der Umsetzung der Omnibus-Richtlinie (EU) 2019/2161 zur Modernisierung des Verbraucherschutzrechtes (weiter als Modernisierungs-Richtlinie bezeichnet). Innerhalb der Omnibus-RL allerdings beschränkt auf die Vorschriften zur Novellierung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL). Die UGP-RL wiederum hat den Zweck die Verbraucher innerhalb der EU vor betrügerischen Geschäftspraktiken, unterschiedlichen Qualitätsstandards von Konsumgütern im Binnenmarkt und intransparenten Händlerangaben und Produktbewertungen zu schützen. Im Folgenden wird auf die einzelnen Veränderungen sowohl im UWG als auch in der GewO eingegangen.

Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie im UWG 

Die Umsetzung der Modernisierungs-RL im UWG und die Anpassung des traditionsreichen Gesetzes an die Gegebenheiten zeitgemäßer Geschäftspraktiken erfolgte in mehreren Schritten. Insbesondere gibt es von nun an wesentliche Veränderung was die Informationspflichten für Unternehmen anbelangt. Des weiteren wurde die Kennzeichnungspflicht von Influencern geklärt, sowie ein individueller Schadensersatzanspruch des geschädigten Verbrauchers festgelegt. Außerdem sind Begriffe wie „Online-Marktplatz“ oder „Ranking“ nun legaldefiniert – der Gesetzgeber gibt die Definition mittels Gesetzes vor. Zuletzt bestimmt die Reform eine nationale behördliche Verbraucherrechtsdurchsetzung.

Informationspflichten zum Ranking von Suchergebnissen 

Jeder der im Internet unterwegs ist und ab und an eine Bestellung bei Amazon, eBay oder ähnlichen Online-Markplätzen aufgibt weiß, dass die Rangfolge von Suchergebnissen bei der Kaufentscheidung eine maßgebliche Rolle spielt. Und obwohl wir tagtäglich ebensolche Online-Marktplätze benutzen, weiß man nicht so richtig nach welchen Kriterien die Rangfolge der Suchergebnisse ausgewählt wird. Von nun an soll der Verbraucher durch knappe, verständliche Informationen nachvollziehen können durch welche Hauptparameter die Anordnung der Suchergebnisse festgelegt ist. Unternehmen müssen zudem offenlegen in welchem Verhältnis die Parameter untereinanderstehen; Geschäftsgeheimnisse dürfen dabei selbstverständlich gewahrt bleiben. Hiervon umfasst sind die Trefferlisten eines Online-Marktplatzes – also Amazon, eBay und Co. – sowie eines Vergleichsportals wie zumeBay Verbraucherschutz Beispiel Check24 oder verivox. Nicht umfasst sind die Trefferlisten einer reinen Online-Suchmaschine wie Google oder Bing und die Suchanfragen innerhalb eines Online-Shops. Der bisherige Entwurf einer Digitalen Dienste Verordnung (Digital Service Act, DSA) geht über diese Anforderungen hinaus. Die Regelung der DSA beschränkt sich zwar auf sehr große Online-Plattformen mit einer monatlichen Mindestanzahl an Nutzern von durchschnittlich 45 Millionen, gibt aber konkretere Vorgaben: die wichtigsten Parameter für das Ranking müssen angegeben werden und anstelle einer Offenlegung ihrer voreingestellten Gewichtung wie es die UWG vorsieht, sind dem Nutzer verschiedene Steuerungsmöglichkeiten für die individuelle Modifizierung der Parameter anzubieten. Diese Anforderung wird von § 5 b Abs. 4 UWG eingeschlossen. Der Rechtsanwender darf also die neue UWG-Regelung zur Offenlegung der Ranking-Parameter als eine Art Aufwärmtraining zur DSA verstehen. Auch konkrete Angaben für die Nachvollziehbarkeit von Rangfolgen in Suchergebnissen sind im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG – der sogenannten Black List – vorgegeben. Inhaltlich wurden die Vorgaben allerdings nur richtlinienbedingt durch einige neue Tatbestände ergänzt: Nr. 11a verbietet zum Beispiel ungekennzeichnete Werbung oder verdeckte Zahlungen (also mittelbare Beeinflussung der Suchergebnisse) für eine Steuerung des Rankings bei Suchergebnissen.

Informationspflichten zu Nutzerbewertungen 

Neben dem Ranking von Suchergebnissen sind auch die Nutzerbewertungen von Produkten oder Dienstleistungen erwiesenermaßen für die Kaufentscheidung ausschlaggebend. Doch nicht jede Bewertung, ist das was sie zu sein scheint. Der Wert einer Empfehlung steht und fällt nämlich mit der Wahrhaftigkeit und der Glaubhaftigkeit der Bewertung. Die Empfehlungen kommen allerdings auf unterschiedlichste Weise zustande. Am glaubhaftesten ist die Bewertung durch authentische Kunden, die das bewertete Produkt tatsächlich erworben haben. Aber auch nicht authentische Bewertungen, bei denen der Nutzer das Produkt mitunter gar nicht kennt und üblicherweise eine Gegenleistung für seine Empfehlung nimmt, sind nicht selten. Zudem werden Nutzer auch teilweise online „angestupst“, um eine Bewertung abzugeben (sogenanntes „Nudging“). Durch Geldleistungen oder kleinen Vergünstigungen wie die Teilnahme an einem Gewinnspiel soll der Nutzer offen oder verdeckt zu der Abgabe einer Bewertung motiviert werden (offene bzw. verborgene incentivierte Bewertung). Das neue Gesetz verpflichtet nun die Unternehmer transparent zu machen, ob sichergestellt wird, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen, die die Produkte wirklich erworben oder verwendet haben. Falls der Unternehmer vor Veröffentlichung einer Bewertung Vorkehrungen trifft, um die Echtheit der Bewertung festzustellen, muss er erklären welche Verfahren dabei angewandt werden. Insbesondere muss transparent gemacht werden, ob sämtliche Bewertungen (ungefiltert) veröffentlicht werden oder nach welchen Regeln bestimmte (meist negative) Bewertungen aussortiert werden. Denn jedes asymmetrische Aussortieren negativer Bewertungen verfälscht den Gesamteindruck und lässt jede positive Bewertung stärker ins Gewicht fallen. Und obwohl solche Sachverhalte bereits von den bisher vorhandenen Grundtatbeständen der Irreführung erfasst wurden, wird die Pflicht zur Offenlegung durch einen neuen Tatbestand im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG flankiert: Unlauter ist die vom Unternehmer nicht verifizierte Behauptung es handele sich um eine authentische Bewertung ebenso wie die Übermittlung oder Beauftragung gefälschter Bewertung und die falsche Darstellung von Kaufempfehlungen in sozialen Medien.

Informationspflichten bei Produktvarianten 

Tenor der Informationspflichten bei Produktvarianten ist das Verbot des „dual-quality“-Vertriebs. Dadurch werden die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet in den „Katalog irreführender Handlungen“ solche Geschäftspraktiken aufzunehmen bei denen eine Ware auf unterschiedlichen geografischen Märkten „als identisch“ vermarktet wird, obwohl sich die Ware in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheidet. Diese Geschäftspraxis ist nun nur noch zugelassen, wenn es durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist. Der deutsche Gesetzgeber hat dieses Verbot durch eine Ergänzung der bisherigen Vorschrift zur Irreführung durch Verwechslungsgefahr umgesetzt, welche im engen Zusammenhang mit den markenrechtlichen Grundfesten (insbesondere der Herkunftsfunktion der Marke und dem Schutz des Verbrauchervertrauens aufgrund betrieblicher Herkunft) steht. Nicht ganz klar scheint zu sein, welches Verbrauchervertrauen bei einer so breiten Auslegung genau gemeint ist. In jedem Fall sollen die zuständigen Behörden die Beschwer im Einzelfall beurteilen und dagegen vorgehen. Es müssen zudem besondere Umstände hinzutreten, um eine markenrechtlich zulässige „dual-quality“-Markenstrategie lauterkeitsrechtlich als irreführend und deshalb sanktionswürdig auszuhebeln.

Informationspflichten über Unternehmereigenschaft 

Eine weitere Änderung stellt die Verpflichtung zur Transparenz dar, ob es sich bei einem Anbieter von Waren oder Dienstleistungen nach dessen eigener Erklärung gegenüber dem Betreiber des Online-Marktplatzes um einen Unternehmer handelt. Der Entwurf der DSA geht wieder über diese nationalen Vorschriften hinaus: Betreiber einer Online-Plattform treffen eigenständige angemessene Überprüfungspflichten hinsichtlich der auf seiner Plattform vertretenden Händler (das Gegenteil regelt bisher der § 7 Abs. 2 Telemediengesetz, der die Betreiber von Online-Marktplätzen gerade von dieser Pflicht befreit).

Praktikabilitätserwägungen 

Zu Recht ist die Frage nach der Praktikabilität laut. Schon die Anzahl dieser neuen Transparenz- und Informationspflichten zeigt, dass die Anforderungen an Verbraucher weiterwachsen. Es wird mittlerweile nicht mehr nur gesunder Menschenverstand in der Online-Welt erwartet, sondern auch das Anlesen von immer mehr Expertise, um informierte Entscheidungen treffen zu können. Die Realität sieht jedoch oft anders aus: ohne eine vereinfachte Darstellung der Informationen wird sich selbst der interessierte Verbraucher immer weniger in der Flut an Informationen zurechtfinden. Zudem wäre es auch den Unternehmern gedient, wenn sie sich an rechtssicheren und konsumfreundlichen Standards für werthaltige Informationen orientieren könnten.

Kennzeichnungspflichten von Influencern 

Bisher herrschte bezüglich der Kennzeichnungspflichten von Influencern und Bloggern große Rechtsunsicherheit durch unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe in der Rechtsprechung. Klare Kriterien für eine verpflichtende Kennzeichnung von Beiträgen und Präsentation als Werbung waren bisher nicht erkennbar. Das führte dazu, dass rechtskonformes Verhalten in übertriebener Korrektheit nicht kennzeichnungspflichtiger Inhalte umgeschlagen ist, um sich vor dem Vorwurf der Schleichwerbung oder anderen Rechtsverstößen zu schützen. Das Ziel der neuen Kennzeichnungspflichten ist also das Schaffen eines verlässlichen Rahmens für die Tätigkeit von Influencern und Bloggern. Kommerzieller Zweck einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmers und die darauf begründete Kennzeichnungspflicht als geschäftliche Handlung liegt nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt und keine ähnliche Gegenleistung erhält. Die schlichte Warenpräsentation fällt nicht darunter und wird wie der redaktionelle Inhalt eines Magazins gewertet. Es gilt allerdings die gesetzliche Vermutung einer Gegenleistung; der Influencer/ Blogger hat also mittels Kaufbeleg oder eidesstaatlicher Versicherung als geeignetes Mittel der Glaubhaftmachung das Gegenteil zu beweisen. Die Art der Gegenleistung war bisher auch umstritten. Von nun an wird dies weit ausgelegt und meint zum Beispiel Provisionen, zur Verfügung gestellte Produkte, Pressereisen, Ausrüstung oder Kostenübernahmen (jeweils auch bei nur vorübergehendem oder nur mittelbar zeitlichem Zusammenhang). Nicht inkludiert ist die Steigerung der Bekanntheit des Betroffenen. Zudem muss Eigenwerbung gekennzeichnet werden, wenn sie nicht aus den Umständen als solche erkennbar ist. Dies ist jedoch nur anzunehmen, wenn sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Absatzförderung steht.   

Individueller Schadensersatzanspruch im UWG 

Weitere – zumindest aus dogmatischer Sicht – bahnbrechende Änderung ist die Einführung eines individuellen Schadensersatzanspruchs des geschädigten Verbrauchers in das UWG. Neben den Verbraucheransprüchen tritt wahlweise nun der unmittelbar im Lauterkeitsrecht verankerte Ersatzanspruch, der auf Verstoßfälle gegen die UGP-RL beschränkt und auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet ist. Sachlich zuständig sind regelmäßig die Amtsgerichte in der Eingangsinstanz. Ausgeschlossen sind solche anspruchsbegründenden Normen, die dem Marktverhalten oder anderweitigem Mitbewerberschutz dienen. Zudem hat der Verbraucher unmittelbar gegen den Hersteller einen Anspruch auf Ersatz des durch eine schuldhaft irreführende Werbeäußerung des Herstellers entstandenen Schadens.

Behördliche Verbraucherrechtsdurchsetzung

Zuletzt wird die Verbraucherrechtsdurchsetzung in die Hände der zuständigen nationalen Behörden gegeben. In Art. 21 der CPC-Verordnung ist für Verstöße gegen das EU-Verbraucherschutzrecht die Befugnis der zuständigen Behörde vorgesehen, vom rechtsverletzenden Unternehmer auf dessen Initiative zusätzliche Abhilfezusagen zugunsten der vom Verstoß betroffenen Verbraucher entgegenzunehmen oder auf solche Zusagen hinzuwirken. Erweiterte behördliche Sanktionsbefugnisse sind unmittelbar im UWG verankert.

Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie in der GewO 

Der Europäische Gesetzgeber hat an sich mit der Modernisierungs-RL auf die Wirkung der Vollharmonisierung festgelegt. Art. 3 Nr. 2 eröffnet allerdings Mitgliedstaaten für Haustürgeschäfte und Verkaufsfahrten einen eigenen Gestaltungsspielraum zum Schutz der Verbraucher vor aggressiven oder irreführenden Geschäftspraktiken. Der deutsche Gesetzgeber hat dazu die GewO angepasst: bei Kaffeefahrten dürfen die Anbieter Verbrauchern von nun an keine Medizinprodukte oder Nahrungsergänzungsmittel mehr feilbieten. Der Grund dafür ist, dass die Vergangenheit zeigte, dass diese Produktkategorien besonders häufig angepriesen aber mit nichtzutreffenden Wirkungen beworben und zu überhöhten Preisen abgegeben wurden. Aus formeller Hinsicht erweitert sich die Anzeigepflicht für Anbieter von Kaffeefahrten. Zudem gelten verschärfte Informationspflichten für in- oder ausländische Veranstalter und ein neuer Bußgeldrahmen für mehr Rechtstreue.  

Fazit

Inwieweit die Transparenzpflichten den Verbraucher zu einem informierteren, zufriedeneren Kunden machen, steht dahin. Wenn das REFIT (Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung) ergeben hat, dass die Wirksamkeit der EU-Verbraucherschutzrechts an einer mangelnden Informiertheit der Verbraucher krankt, ist das kein quantitatives Problem. Die Anwendung der neuen Vorschriften wird in Zukunft zeigen, ob sie tatsächlich die nächste Meile zum vollkommen urteilsfähigen Verbraucher darstellt oder ob der Internetnutzer künftig nur noch mehr klicken und ungeprüfte Haken setzen muss. Im Sinne des Schutzes der Werbeträger, Blogger und Influencer ist allerdings eine erste befriedende Wirkung durch klarere Vorgaben für eine Kennzeichnungspflicht zu erwarten. Was einzelnen Geschäftsmodellen blüht zeigt eindrücklich das Verbot Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel bei Kaffeefahrten zu verkaufen. Vielleicht sollte sich also jede Branche glücklich schätzen, wenn sie – bloß – weitere Auskünfte zu erteilen hat.

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