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Nutzerkonto deaktiviert? Betreiber hat angemessene Prüffrist


Das Saarländische Oberlandesgericht Saarbrücken hat entschieden: Für die Entscheidung, ob ein deaktiviertes Nutzerkonto reaktiviert wird, steht dem Plattform-Betreiber eine angemessene Prüffrist zu.

Der Betreiber eines sozialen Netzwerkes wurde aufgefordert das Nutzerkonto des Antragstellers wiederherzustellen, alle Daten zu speichern und eine endgültige und unwiderrufliche Löschung des Kontos zu unterlassen. Das OLG entschied daraufhin, dass dem Betreiber eine angemessene Prüffrist zusteht.

Löschung des Kontos – geht das so einfach?

Die Antragstellerin hat eine einstweilige Verfügung beantragt, mit der Sie die Unterlassung der Löschung ihres zwischenzeitlich deaktivierten Nutzerkontos bei Facebook.com begehrt. Des weiteren begehrte sie auch die Sicherung der gespeicherten Daten.

Doch eine Löschung des Kontos ist ein starker Eingriff in die Privatsphäre eines Nutzers – geht das so einfach?

Die Betreiberin des sozialen Netzwerks hat Regelungen zur Sperrung und Deaktivierung von Nutzerkonten bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen integriert. Nach einer gewissen Zeit werden nach der Deaktivierung die Informationen dann unwiderruflich gelöscht. Nach der Einleitung des Löschvorgangs bleiben nur noch 90 Tage Zeit, um diesen zu stoppen. Damit die Widerherstellung nach einem Einspruch vorgenommen werden kann werden die Daten nach der Kontodeaktivierung allerdings noch für einige Zeit aufbewahrt. Auch wird nicht jedes Nutzerkonto automatisch nach sechs Monaten gelöscht. 

Was ist passiert?

Doch was ist im vorliegenden Fall eigentlich genau passiert? Das Konto der Antragstellerin wurde am 27. Mai 2022 deaktiviert. Sie erhielt daraufhin eine Nachricht dass sie „Facebook oder den Messenger nicht verwenden“ kann. Denn das mit dem Messenger verknüpfte Instagram Konto ist mit der Begründung deaktiviert worden, dass die dortigen Aktivitäten der Nutzerin gegen die Gemeinschaftsrichtlinien von Instagram verstoßen. Sie könne bei Instagram jedoch eine Überprüfung der Entscheidung beantragen.

Fehlende Anhörung

Die Antragstellerin wurde weder über die beabsichtigte Kontodeaktivierung informiert, noch vor der Deaktivierung angehört. Durch die durchgeführte Deaktivierung hatte die Antragstellerin keinen Zugriff mehr auf die gespeicherten Daten, worunter Bilder, Chats und Verknüpfungen zu „Facebook-Freunden“ zählen.

Zunächst versuchte die Nutzerin selbst ihr Konto von der Betreiberin wiederherstellen zu lassen. Als dies jedoch ohne Erfolg blieb ließ sie durch ein anwaltliches Schreiben eine Frist setzen, in der ihr Konto wiederhergestellt werden soll und forderte die Betreiberin dazu auf sich schriftlich dazu zu verpflichten das Nutzerkonto und alle Daten zu Speichern und eine Löschung zu unterlassen.

Rechtswidrige Deaktivierung des Nutzerkontos?

Die Antragstellerin hält die Deaktivierung ihres Nutzerkontos für rechtswidrig und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die es der Betreiberin untersagt das Konto zu löschen, bis eine endgültige Entscheidung des Gerichts getroffen wurde.

Einstweilige Verfügung – was ist das?

Die Antragstellerin wollte eine einstweilige Verfügung erreichen. Doch was ist das eigentlich?

Eine einstweilige Verfügung ist eine vorläufige Entscheidung eines Gerichts in einem Eilverfahren. Dies ist besonders in den Fällen relevant, in denen ein Abwarten auf das endgültige Ergebnis des Gerichts unzumutbar wäre und die Rechte des Antragsstellers unwiderruflich beeinträchtigen würde. Der Anspruch der Klägerin soll damit gesichert werden.

Vorliegend wollte die Klägerin schon vor der endgültigen Entscheidung des Gerichts die Speicherung der Daten gesichert haben. Denn wenn sie abwarten würde, wie das Verfahren ausgeht, könnte in der Zwischenzeit eine endgültige Löschung vorgenommen werden und die Daten wären unwiederbringlich verloren gegangen. Somit würde dann auch eine Entscheidung in ihrem Sinne ihren Anspruch nicht mehr sichern können, denn die Daten sind bereits gelöscht.


Hierauf entgegnete die Betreiberin, dass es an der Dringlichkeit fehle. Denn sie hat das Konto der Nutzerin bereits am 19. Juli 2022 wiederhergestellt.

Die Hauptsache wurde von der Antragstellerin dann als erledigt erklärt und es wurde ein gegenseitiger Kostenantrag gestellt.

Ende gut alles gut?

Nein, denn nun stritten die Parteien darüber, wem die Kosten des Verfahrens auferlegt werden sollen. Das Landgericht hat die Kosten der Antragsgegnerin auferlegt, denn es entschied die Kosten auf Grundlage der Erfolgsaussichten zu verteilen, vgl. § 91a Zivilprozessordnung. Die summarische Prüfung dessen ergab, dass die Wahrscheinlichkeit des Erfolges der Klage hoch war und somit die Klagegegnerin die Kosten übernehmen müsse.

Hiergegen legte diese aber sofortige Beschwerde ein mit dem Verweis darauf, dass es der Antragstellerin am Verfügungsgrund fehlte.


§ 91a ZPO
Kosten bei Erledigung der Hauptsache

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. 2Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in §511 genannten Betrag nicht übersteigt

Grundsätze der allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen

Zwar hat das Landgericht die Norm korrekt angewandt. Jedoch hat es nicht beachtet, dass darüber hinaus die Grundsätze der allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen gelten (§§ 91 ff. ZPO)


§ 93 ZPO
Kosten bei sofortigem Anerkenntnis

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.


93 ZPO besagt, dass die Kosten vom Kläger zu tragen sind, wenn die Klage ohne Veranlassung erhoben wurde. Der Grundsatz, dass die im Prozess unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens trägt, wird hier durchbrochen. Dies ist, um den Beklagten vor übereilten Klagen zu schützen und unnötige Prozesse zu vermeiden.

Veranlassung zur Klageerhebung

Doch hat die Betreiberin die Klägerin zur Klageerhebung veranlasst?

"Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen" - BGH, Beschluss vom 30. Mai 2006

Für die Beurteilung ist auf den Zeitpunkt der des Eingangs der Klage abzustellen, da hier die Kosten des Verfahrens entstehen.

Zwar hat die Antragstellerin schon vorher versucht die Betreiberin der Plattform dazu zu bewegen das Konto wiederherzustellen und hat im Anschluss mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Juni 2022 eine Frist bis zum 16. Juni 2022 gesetzt, die zu dem Zeitpunkt bereits verstrichen war, allerdings kann es sich hierbei in Anbetracht der Umstände nicht um eine angemessene Frist handeln.

Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, dass von der Antragsgegnerin eine Entscheidung abverlangt wird, die eine inhaltlichen Prüfung und eine vertiefte Befassung mit dem Sachverhalt erforderte. Eine solche Einzelfallprüfung ist innerhalb einer Frist von 11 Tagen nicht zu schaffen.

Zudem gibt es für ein deaktiviertes Konto eine unstreitige 90 tägige Löschungsfrist, in der der Verlust der Daten nicht zu befürchten ist.

Auch zeigte das kooperative Verhalten der Betreiberin die Sache schnellstmöglich zu erledigen, dass nicht zu befürchten war, dass die Klägerin ohne Hilfe des Gerichts nicht zu ihrem Recht gekommen wäre.


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