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Mit Urteil vom 12.05.2021 hat das Landgericht München entschieden, dass deutsche Gerichte international zuständig sind, wenn ein im EU-Mitgliedsstaat Luxemburg ansässiger Online-Marktplatzbetreiber (Amazon) das Verkäuferkonto eines deutschen Händlers (Amazon Verkäufer) sperrt und es um den Vorwurf einer marktbeherrschenden Stellung geht. Der Amazon-Marketplace-Händler hatte die in einer Amazon-Richtlinie festgelegte Rate an Bestellmängeln von einem Prozent überschritten. Er wurde sodann von Amazon auf die Überschreitung der Rate hingewiesen. Zudem gab Amazon dem Verkäufer die Gelegenheit zur Abhilfe, um eine drohende vorübergehende Deaktivierung des Kontos von 72 Stunden zu verhindern. Die darauffolgende Eingabe des Verkäufers führte allerdings nicht zur Reaktivierung des Kontos, sondern zwei Tage nach dem Hinweis zur Deaktivierung. Daraufhin begehrte der Verkäufer vor Gericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Der Unterlassungsanspruch wurde auf § 33 Abs.1, Abs.3 in Verbindung mit §§ 19 Abs.2 Nr.1, 20 Abs.3 S.1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und auf §§ 3, 4 Nr.1, 8 Abs.1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gestützt. Die Zuständigkeit von deutschen Gerichten ist hier also erstmal geregelt.
Rechtliche Grundlage für das Eingreifen ergebe sich – so das LG München – aus Art.7 Nr.2 der EU-Verordnung 1215/2012 (Brüssel-la-Verordnung) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Danach kann eine „Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.“ Nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit findet rechtliche Grundlage in Art.7 Nr.2 der Brüssel-la-VO, soweit der Händler seinen Geschäftssitz in Deutschland hat. Etwas anderes gilt nur, wenn aus anderen Gründen eine engere Verbindung zu einem anderen Gerichtsstandort gegeben ist (zum Beispiel wenn der Händler außerhalb der EU ansässig ist und daher innerhalb des international zuständigen Mitgliedstaates keine besonders enge Verbindung zu einem bestimmten Gerichtsort besteht).
Die verfügungsklägerische Seite argumentierte, dass ein Missbrauch von Marktmacht und eine Diskriminierung gegenüber der Amazon Europe S.a.r.l. vorläge, da letztere von Verbrauchern nicht bewertet werden könne und daher keine Sanktionen zu befürchten habe. Zudem entspräche das Beschwerdemanagement nicht den Vorgaben der EU-Verordnung 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und sei damit untauglich. Schließlich könnte daraus geschlossen werden, dass es der Verfügungsbeklagten – also Amazon – nur um den Ausschluss des Vertragspartners in Kenntnis von dessen wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Verkauf über die Plattform gehe.
Das LG München urteilte sodann, dass es für die Kartellrechtswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens allein darauf ankommt, ob der Verfügungsbeklagten eine marktbeherrschende Stellung zukommt und sie diese missbräuchlich ausgenutzt hat. Es käme demnach nicht auf den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages oder sonstigen dem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden Bestimmungen an. So sei es im Sinne der Abgrenzungsformel des Europäischen Gerichtshofes zur Beurteilung der Begründetheit der Klage nicht unerlässlich, den Vertrag zwischen den Parteien auszulegen.
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