SBS Firmengruppe Logos

| Lebensmittelrecht, Nahrungsergänzungsmittelrecht

OLG Hamburg: Cannabisblüten sind keine Arzneimittel


Die Kennzeichnungspflichten müssen beim Inverkehrbringen von medizinischen Cannabisblüten beachtet werden

Medizinisches Cannabis ist nicht erst seit kurzem als Arzneimittel im Gespräch. Das im März 2017 in Kraft getretene Gesetz „Cannabis als Medizin“ hat medizinisches Cannabis verkehrs- und verschreibungsfähig gemacht. Nun soll Cannabis für diesen Zweck erstmals in Deutschland geerntet werden. Zuvor hatte man das medizinische Cannabis nur aus dem Ausland, wie beispielsweise Kanada oder den Niederlanden bezogen.

Bezüglich des Imports von Cannabisblüten aus den Niederlanden hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg in einem Urteil vom 22.12.2020 (Az. 3 W 38/20) u.a. mit den Kennzeichnungsvorgaben beschäftigt. Zudem entschied das OLG darüber, inwiefern  Cannabisblüten als Arzneimittel oder als bloße Zwischenprodukte bei der Herstellung eines Arzneimittels  zu verstehen sind. Aus Sicht des OLG handelt es sich bei den reinen Cannabisblüten noch um kein Rezepturarzneimittel, da in der Apotheke noch eine Reihe von Verarbeitungsungschritten zur Herstellung der Arzneimittel durchlaufen werden müssen.


Ein Wettbewerbsverband sah einen Verstoß gegen Kennzeichnungspflichten 

Ein Wettbewerbsverband beanstandete die Kennzeichnung eines niederländischen pharmazeutischen Großhandelunternehmens, mit der sie Cannabisblüten in den Verkehr brachten  und in Behältnissen von 5 Gramm an deutsche Apotheken versendeten. Die Apotheken stellen aus den Cannabisblüten Rezepturarzneimittel her. Nach Ansicht des Wettbewerbsverbandes, entsprachen die niederländischen Etikettangaben auf den Behältnissen für die Blüten nicht den gesetzlichen Anforderungen aus § 15 Absatz 1 bzw. § 24 Absatz 2 Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV). Auch das OLG stimmte dem Verstoß gegen die Kennzeichnungsvorschriften zu.

OLG Hamburg: Bei Cannabisblüten handelt es sich um bloße Ausgangsstoffe 

Ob es sich bei den Cannabisblüten um einen Ausgangsstoff oder ein Arzneimittel handelt, ist entscheidend für die Kennzeichnungspflichten. Nationale Behörden waren sich vor kurzem noch uneinig, ob es sich bei medizinischen Cannabis um ein Arzneimittel handle. Das OLG Hamburg positionierte sich nun dahingehend, dass es medizinisches Cannabis als bloßen Ausgangsstoff für die Herstellung von Rezepturarzneimitteln einstufte. Als Arzneimittel werden Stoffe sowie Zubereitungen aus Stoffen angesehen, die im oder am menschlichen Körper angewendet werden können, um Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten (sogenannte Präsentationsarzneimittel). Arzneimittel können ebenso Menschen verabreicht oder am menschlichen Körper angewendet werden, um die physiologischen Funktionen mit Hilfe einer immunologischen, metabolischen oder pharmakologischen Wirkung zu regenerieren, zu korrigieren oder zu erzielen (sogenanntes Funktionsarzneimittel). Pflanzliche Arzneimittel können auch als Arzneimittel verstanden werden. Dabei sind die Wirkstoffe zu differenzieren, die nach § 4 Absatz 19 Arzneimittelgesetz (AMG)  dazu gedacht sind, bei der Fabrikation von Rezepturarzneimitteln als arzneiliche wirksame Bestandteile zu dienen. Die subjektive Zweckbestimmung des Herstellers ist dabei entscheidend. Auch pflanzliche Stoffe werden nach § 3 Nummer 2 AMG von dem Arzneimittelgesetz umfasst.

Die Cannabisblüten durchlaufen wesentliche Verarbeitungsschritte bis zum fertigen Arzneimittel

Ab welchen Verarbeitungsschritt von einem fertigen Arzneimittel die Rede ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Wenn es um einen mehrstufigen Herstellungsprozess geht, sei entscheidend, wie viele Verarbeitungsschritte noch bis zum fertigen Arzneimittel benötigt werden, so das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung am 03.03.2011 (3 C 8. 10).

Die Apotheken müssen bei der Verarbeitung von medizinischen Cannabisblüten hin zum Rezepturarzneimittel gemäß § 6 Apothekenbetriebsordnung die Qualität und Reinheit der Blüten überprüfen. Im Anschluss müssen zusätzlich anerkannte pharmazeutische Regeln - im besonderen bestimmte Rezepturformeln - bei der Herstellung beachtet werden. Hiernach erfolgt beispielsweise eine grobe Mahlung, Siebung und die ärztlich vorgeschriebene Dosierung. Bei verordneten Einzeldosen müssen diese jeweils abgewogen, portioniert und in einem Behälter verstaut werden.

Daher urteilte das Oberlandesgericht Hamburg, dass bei den legalen Verwendungsmöglichkeiten von medizinisch Cannabisblüten in Deutschland noch wesentliche Verarbeitungsschritte bei der Herstellung von Arzneimitteln notwendig seien. Die Cannabisblüten seien als Ausgansstoff gemäß § 3 Nummer 2 AMG zu verstehen.

OLG Entscheidung ist für erste deutsche Ernte von Relevanz 

Die Entscheidung des OLG Hamburg wird auch für die erste Ernte aus Deutschland von Relevanz sein. So sollten die Hersteller vor dem Inverkehrbringen die Kennzeichnungspflichten der Cannabisblüten beachten. Mithilfe der OLG Entscheidung ist es möglich, die Cannabisblüten nach dem Arzneimittelgesetz rechtlich einzuordnen. Ebenfalls regionale Behörden werden von der Entscheidung des OLG profitieren, wenn es um die Abgrenzung von Arzneimitteln und Ausgangssstoffen geht. So können sie sich fortan an der Entscheidung des OLG zu orientieren, dass Cannabisblüten keine Arzneimittel sind.


SBS LEGAL - Anwalt für Medizinrecht

Lebensmittelrecht, Kosmetikrecht, Nahrungsergänzungsmittelrecht und Medizinrecht liegen relativ nah beieinander. SBS LEGAL ist durch die Expertise in diesen Bereichen Ihr optimaler Ansprechnpartner in Sachen Bestimmung von Lebensmitteln, der Etikettierung von Waren und in Sachen Funktionsarzneimitteln.

Ihr SBS LEGAL Team

Haben Sie Fragen zum Thema Rezepturarzneimittel oder Medizinrecht?
Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne auch telefonisch zur Verfügung. Wünschen Sie die Rechtsberatung von dem erfahrenen Team aus Fachanwälten und Spezialisten der SBS LEGAL?

Der Erstkontakt zu SBS LEGAL ist immer kostenlos.

SBS Direktkontakt

telefonisch unter (+49) 040 / 7344086-0 oder
per E-Mail unter mail@sbs-legal.de oder
per unten angebotenem SBS Direktkontakt.

Ich habe die Datenschutz-Richtlinien gelesen und stimmen diesen hiermit zu.

Zurück zur Blog-Übersicht