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| Vetriebs- und Handelsrecht

OLG München: Selbstständiger Handelsvertreter oder Angestellter


Umstände entscheiden über Arbeitsverhältnis

Im Vertrieb eines Unternehmers kann eine Person als Angestellter beschäftigt werden oder als selbstständiger Handelsvertreter auftreten. Welches Arbeitsverhältnis vorliegt ist nicht immer eindeutig zu erkennen. Die Unterscheidung ist allerdings sehr wichtig für die Folgefragen hinsichtlich einer Kündigung oder eines Handelsvertreterausgleiches.

Welche Unterscheidungsmerkmale gibt es?

Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zur Frage, ob ein Arbeiter ein selbstständiger Handelsvertreter oder ein Angestellter ist, sind insbesondere die Weisungsgebundenheit. Selbstständige Handelsvertreter sind nicht weisungsgebunden und sind frei in der Gestaltung ihrer Tätigkeit. Sie können ihre Arbeitszeit und auch den Arbeitsort frei wählen. Außerdem erhält der selbstständige Handelsvertreter meist lediglich eine Provision als Vergütung, während ein Angestellter ein festes Gehalt erhält. Ein Angestellter ist viel mehr an die Weisungen des Arbeitsgebers gebunden, sodass seine Arbeitszeit und sein Arbeitsort ebenfalls von dem Unternehmer vorgegeben wird. Er ist außerdem fest in den Betrieb des Unternehmers eingegliedert.  

Außerordentliche Kündigung durch den Unternehmer 

In einem vor dem OLG München entschiedenen Fall ging es um einen Unternehmer, der seinen Handelsvertreter außerordentlich gekündigt hatte. Der Handelsvertreter klagte daraufhin auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs und Schadensersatz. Die erste Instanz und das OLG haben die Klage abgewiesen. Entscheidend war neben der Wirksamkeit der Kündigung, auch die Abgrenzung von selbständigen Handelsvertretern zu Angestellten.

Viele Freiheiten und keine Weisungsgebundenheit

Die Abgrenzung ist wichtig, weil lediglich der selbstständige Handelsvertreter einen Anspruch auf einen Handelsvertreterausgleich hätte und für den selbstständigen Handelsvertreter z.B. nicht das KSchG gilt.

Der Handelsvertreter in dem vor dem OLG München entschiedenen Fall hatte viele Freiheiten. Er konnte entscheiden, ob er die Aufgaben persönlich oder durch Dritte erfüllen lässt. Weiterhin war er frei in der Wahl seines Arbeitsortes. Diese beiden Aspekte sprachen für eine selbstständige Tätigkeit. Gegen ein Angestelltenverhältnis sprach, dass es an der typischen Weisungsgebundenheit fehlte. Zwar hatte der Unternehmer Vorgaben zu dem Vertrieb seiner Produkte gegeben, allerdings ändern diese nichts an der Beurteilung der Weisungsgebundenheit. Es handelt sich also um einen selbstständigen Handelsvertreter. 

Abgrenzung nicht immer eindeutig - so wurde vor anderen Gerichten entschieden

Die Abgrenzung ist oftmals nicht so eindeutig. Insbesondere, wenn der Vertrag, der geschlossen wurde auf ein Angestelltenverhältnis deutet, die tatsächliche Gestaltung der Arbeit dann aber in der freien Gestaltung des Arbeiters liegt und dieser überhaupt nicht an Weisungen gebunden ist. In einem solchen Fall ist das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung entscheidend. Diesen Maßstab hat auch das LAG Köln in seinem Urteil vom 13.02.2019, Az. 9 Ta 229/18 herangezogen. Die Gesamtumstände sprachen in dem Fall für ein Arbeitsverhältnis, auch wenn einige Umstände für eine Selbstständigkeit sprachen, deuteten die überwiegenden Gegebenheiten doch auf ein Angestelltenverhältnis hin. 

Auch die Bezeichnung im Vertrag als „Vertriebspartner“ ist nicht ausreichend, um auf eine Selbstständigkeit zu schließen. Trotz dieser Bezeichnung, kann ein Angestelltenverhältnis bestehen, wenn die tatsächlichen Umstände, etwa keine freie Einteilung der Arbeitszeit und Zahlung eines Gehalts, statt einer Provision, dafür sprechen (so auch in einem Beschluss des OLG München vom 20.03.2014, Az. 7-W-315/14). Auch in diesem Fall sind die Gesamtumstände entscheidend.


Verluste rechtfertigten außerordentliche Kündigung

In dem Kündigungsfall war neben der Abgrenzung noch entscheidend, ob die außerordentliche Kündigung rechtmäßig war. Der Unternehmer hatte außerordentlich gekündigt, weil der Geschäftsbereich nicht mehr gewinnbringend war. Das OLG erklärte, dass ein Handelsvertreter tatsächlich damit rechnen muss, dass ein Unternehmen gewisse Geschäftsbereiche einstellt, wenn dieser Bereich langfristig nur Verluste macht. Ein Unternehmer muss die Möglichkeit haben gewisse Geschäftsbereiche aufzugeben, wenn diese keinen Gewinn bringen. Der Unternehmer hat eine gewisse Entscheidungsmacht über die Organisation in seinem Vertrieb. Eine außerordentliche Kündigung gegenüber dem Handelsvertreter ist durchaus möglich, wenn es sachlich gerechtfertigt ist. Die schutzwürdigen Interessen des Handelsvertreters dürfen nicht willkürlich ignoriert werden. Eine solche Willkür lag hier laut dem Gericht allerdings in dem Fall nicht vor. Schließlich hatte der Unternehmer bereits über einen längeren Zeitraum Verluste gemacht, sodass keine willkürliche Kündigung vorliegt. 

Handelsvertreter wurde ausreichend informiert 

Dementsprechend hat das OLG entschieden, dass  die außerordentliche Kündigung des Unternehmers wirksam war. Außerdem war der Handelsvertreter in dem Fall bereits sechs Monate vor dem Vertragsende über das Ende aufgrund der Kündigung informiert. Damit wurden auch die Interessen des Handelsvertreter ausreichend berücksichtigt.


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