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Private E-Mail in CC begründet außerordentliche Kündigung!



Das OLG München hat entschieden: Die Weiterleitung geschäftlicher E-Mails an einen privaten E-Mail-Account verstößt gegen die DSGVO und begründet eine außerordentliche Kündigung!

Denn Datenschutz ist besonders für Gesellschafter, die mit sensiblen Daten eines Unternehmens arbeiten, von enormer Wichtigkeit. Wenn sensible Daten wie geldwäscherechtliche Bankanfragen, Gehaltsabrechnungen und Provisionsansprüche in die falschen Hände geraten, kann dies dem Unternehmen schaden.

Das OLG München entschied: Die Weiterleitung geschäftlicher E-Mails an einen privaten E-Mail-Account kann eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen.

Was ist passiert?

Ein Unternehmen, welches im Vertrieb und der Durchführung von Internetdienstleistungen sowie der Beratung in internetrelevanten Bereichen tätig ist, kündigte seinen Vorstandsmitglied aufgrund von Weiterleitungen von geschäftlichen E-Mails an seinen privaten E-Mail-Account. Dieser war seit mehreren Jahren Vorstandsmitglied der Beklagten und leitete zentrale Geschäftsbereiche. Die Beklagte schloss den Kläger daraufhin mit sofortiger Wirkung aus dem Vorstand aus.

Hiergegen wehrte sich das Vorstandsmitglied gerichtlich und strebte seine Wiedereinsetzung an. Die Beklagte hielt an der Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB fest, da das Verhalten des Klägers Verstöße gegen die DSGVO darstellen.

Voraussetzung der fristlosen Kündigung nach § 626 BGB

1) Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungsfrist § 626 Abs. 2 BGB

2) Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB

3) Abmahnung/Nichterforderlichkeit der Abmahnung


Verschwiegenheitspflicht nach § 93 AktG

Gem. § 93 AktG sind Vorstandsmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet. Eine erweiterte Pflicht besteht im Umgang mit sensiblen Daten.


Ansichten der Parteien

Der Kläger (Vorstandsmitglied) beteuerte, dass durch die Weiterleitung an seine private E-Mail keine Weitergabe an Dritte stattgefunden habe, demnach auch kein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht vorliege, und die Weiterleitung lediglich aus Sicherheitsgründen und zu persönlichen Beweiserhebungszwecken für mögliche zukünftige Haftungsansprüche gegen ihn erfolgt ist. Dabei verwies dieser auch auf eine interne Absprache zwischen ihm und einem ehemaligen Vorstandsmitglied.

Die Beklagte hingegen verwies auf den Verstoß gegen die Unternehmensrichtlinien zur Datensicherheit. Dabei habe der Kläger das Unternehmen in ein erhebliches Risiko gebracht, da es einer mangelnden Datensicherheit und DSGVO-Verstößen ausgesetzt wurde.

Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB

Ein großer Streitpunkt zwischen den Parteien lag in der Einhaltung der zweiwöchigen Frist des § 626 II BGB.

Streitig war der Beginn der Frist. Gemäß § 626 Abs. 2 BGB beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, zu laufen.

Der Kläger sah den Beginn der Frist in der erstmaligen Verwendung seines privaten E-Mail-Accounts. Denn ab da hätten die anderen Vorstandsmitglieder Kenntnis von seinem Vorgehen haben müssen.

Die Beklagte verwies jedoch darauf, dass es auf die Kenntnis der Gesellschaftsversammlung ankommt, nicht auf das Kennenmüssen eines einzelnen Mitglieds.

Fristbeginn des § 626 Abs. 2 BGB setzt Kenntnis der Gesellschaftsversammlung voraus

Der BGH hat bereits in Vergangenheit entschieden, dass für eine GmbH die Kenntnis des zur Kündigung berechtigten Organs, der Gesellschaftsversammlung, entscheidend ist.

Die Gesellschafterversammlung stellt dabei ein Kollegialorgan dar, welchem Wissen erst dann zugerechnet werden kann, wenn sie die Möglichkeit einer Entschlussfassung hat.

Dies ergibt sich auch aus dem Sinn des § 626 Abs. 2 BGB: Der Berechtigte soll zwei Wochen Zeit haben, um zu agieren.

Die Grundsätze, die für die GmbH entwickelt wurden, sind auf die AG anwendbar.

Daher ist vorliegend für den Fristbeginn ausschlaggebend, wann der Kündigungsberechtigte, mithin die Gesellschaftsversammlung, von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Dies war vorliegend hinsichtlich aller streitgegenständlichen E-Mails in seiner Sitzung vom 11.10.2021.

Da die Kündigung dem Kläger direkt am nächsten Tag zuging, wurde die Frist eingehalten.

Aufgepasst: Frist kann jedoch durch Verzögerung der Einberufung verstreichen!

Um einen Interessenausgleich zu schaffen und eine künstliche Verzögerung der knappen Kündigungsfrist zu vermeiden darf die Einberufung des Aufsichtsrates jedoch nicht unangemessen verzögert werden.

Hat ein zur Einberufung befugtes Mitglied von dem Kündigungssachverhalt erfahren und die Einberufung nach Kenntniserlangung unangemessen verzögert, so muss sich der Aufsichtsrat so behandeln lassen, als wäre die Aufsichtsratssitzung mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden.

Dabei müssen dem Mitglied alle maßgebenden Tatsachen bekannt sein, die als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über Fortbestand oder Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen ist.

Ein Kennenmüssen oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht!

Exkurs: Sich verschließen

Bei einem Sich-Verschließen könnte es jedoch anders liegen:

Sich-Verschließen liegt vor, wenn der Geschädigte es versäumt hat, eine auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen, und deshalb letztlich das Sich berufen auf Unkenntnis als Formerei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis gehabt hätte.

Weiterleitung vertraulicher E-Mails stellt wichtigen Grund dar!

Das OLG München stellte weiterhin fest, dass die Weiterleitung von vertraulichen E-Mails einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Dabei muss zunächst „an sich“, also typischerweise ein wichtiger Grund vorliegen.

Kläger verstieß gegen Sorgfaltspflichten

Zwar verletzte der Kläger nicht seine Verschwiegenheitspflicht, doch das OLG München stellte fest, dass der Kläger durch das Setzen seiner privater E-Mail in CC gegen Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Diese ergeben sich aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG und fordert in Gestalt einer Legalitätspflicht vom Vorstand, dass er selbst strikt regeltreu handelt.

Die Weiterleitung des Klägers an einen privaten E-Mail-Account und die dortige Speicherung stellt eine Verarbeitung i.S.d. Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar, die nicht durch eine Einwilligung der betroffenen Personen gedeckt war. Dies stellt eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht dar.

Fortführung des Arbeitsverhältnisses trotz wichtigen Grundes?

Auch wenn festgestellt wurde, dass der streitgegenständliche Sachverhalt „typischerweise“ als wichtiger Grund geeignet ist, muss zusätzlich geprüft werden, ob der Gesellschaft die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, jedenfalls bis zum Ende der Kündigungsfrist, zuzumuten ist.

Dabei ist konkret das Interesse der Gesellschaft an der sofortigen Beendigung des Vorstandsanstellungsvertrages gegen das Interesse des Vorstands an dessen Fortbestand abzuwägen.

Dabei ist eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen.


Abwägung im gezielten Fall:

Im vorliegenden Fall wurde in die Abwägung zu Gunsten des Klägers mit einbezogen, dass dieser bis zur Kündigung über acht Jahre beanstandungslos als Vorstand tätig war. Auch wurde zu seinen Gunsten erwägt, dass die weitergeleiteten Daten keinen konkreten Schaden angerichtet haben, also weder zur Kenntnis an Dritte gelangten, noch eine Sanktionierung des Unternehmen stattfand. Auch liegt kein heimliches Verhalten vor, der Kläger ging vielmehr davon aus zur Weiterleitung befugt zu sein, denn diese wurde öffentlich gezeigt (Setzung in CC). Die Absprache konnte jedoch nicht zu seinen Gunsten ausgelegt werden, denn eine solche entlaste den Kläger nicht.

Gegen den Beklagten wurde erwägt, dass es sich bei den weitergeleiteten Daten um äußerst sensible Daten handele. Dabei handelt es sich insbesondere nicht um ein singuläres Fehlverhalten, sondern um einen mehrfachen Verstoß.

Des weiteren spricht gegen ihn, dass der Kläger dies tat, um Beweise in einem etwaigen Haftungsprozess gegen die Beklagte zu sammeln. Dies zeige nicht nur eine feindliche Willensrichtung gegen den Kläger, sondern war darüber hinaus nicht einmal nötig, da ein einem etwaigen Prozess Zugang zu den zu Beweiszwecken nötigen Daten besteht.

Damit liegt ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber dem Unternehmen vor.

Die Abwägung wurde zu Gunsten des Unternehmens entschieden.


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Ich habe die Datenschutz-Richtlinien gelesen und stimmen diesen hiermit zu.

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