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Prospektpflichten bei öffentlichem Angebot nach VermAnlG


Das Kammergericht Berlin (KG Berlin) hat am 28.11.2024 einen wegweisenden Hinweisbeschluss zum Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) erlassen (Az. 2 U 157/21). So wurde klargestellt, was ein öffentliches Angebot an einen begrenzten Personenkreis i.S.d. §§ 6, 2 Nr. 6 Var. 1 VermAnlG bedeutet. Auch wurden wichtige Fragen zur Verjährung von Ansprüchen wegen Fehlens des erforderlichen Prospektes geklärt.

So kam es zur Klage

Mehrere Kläger hatten vor dem LG Berlin  auf Rücknahme von Kommanditbeteiligungen geklagt. Die Beklagten hatten ein Beteiligungsangebot an einen begrenzten Personenkreis gestellt, zu dem auch die Kläger gehörten. Tatsächlich geworben wurden insgesamt 24 Anleger mit einer durchschnittlichen Beteiligungssumme von 120.000 EUR.

Jedoch schien nicht alles so zu laufen, wie die Beworbenen es sich vorgestellt hatten. Sie erhoben Klage vor dem LG Berlin und begehrten die Rücknahme der Kommanditbeteiligungen von den Bekl. wegen Fehlens eines Prospektes. Diese Klage wurde abgewiesen, weshalb die Berufung nun vor dem KG Berlin stattfand.

Prospekt bei öffentlichem Angebot

Der erste Anspruch der Kläger stützte sich auf Rücknahme nach § 21 I 1 VermAnlG. Demnach kann der Erwerber von Vermögensanlagen nur dann zurückverlangen, wenn ein Verkaufsprospekt entgegen § 6 VermAnlG nicht veröffentlicht wurde. Damit eine solche Prospektpflicht überhaupt entsteht, braucht es ein öffentliches Angebot von Vermögensanlagen.

Das KG definiert das öffentliche Angebot als „eine Mitteilung an die Öffentlichkeit in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietende Vermögensanlage enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung zu entscheiden.“ Und öffentlich wird genauer definiert als „jedes Anbieten oder jede Werbung, die sich über ein beliebiges Medium an einen unbestimmten Personenkreis wendet, ein Kaufangebot abzugeben.“


Angebot an Kommanditisten reichte nicht aus

Im vorliegenden Fall lag nach dem KG kein solches öffentliches Angebot vor. Denn bei den beigetretenen Kommanditisten handelte es sich um solche, die den Beklagten schon vorher bekannt gewesen sind. Sie wurden gezielt auf die Beteiligung angesprochen wurden.

Dafür spricht, dass sie ja durchschnittlich 120.000 EUR aufgewendet haben. Sie wurden also vermutlich im Hinblick auf ihre bereits bekannten wirtschaftlichen Verhältnisse gezielt angesprochen – diese Vermutung konnten sie im Prozess auch nicht widerlegen. Dabei ist unerheblich, ob sie sich auch untereinander kannten.

Ausnahme: Angebot an begrenzten Personenkreis

Selbst wenn ein öffentliches Angebot vorgelegen hätte, so lösen Angebote keine Prospektpflicht aus, bei denen Vermögensanlagen einem begrenzten Personenkreis angeboten werden (§ 2 Nr. 6 Var. 1 VermAnlG). Doch was bedeutet das genau?

Nach dem KG Berlin hat Art. 1IV Buchst. b EU-Prospektverordnung (ProspVO) Indizwirkung: Ein begrenzter Personenkreis liegt also grundsätzlich bei weniger als 150 natürlichen oder juristischen Personen pro Mitgliedstaat, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt, vor. Vorliegend war die Erwartung auf maximal 30 Anleger gerichtet. Selbst wenn es sich dabei um qualifizierte Anleger handelte, wären es zu wenig nach Wertung der ProspVO. 

Verjährungsbeginn bei VermAnlG-Anspruch

Wichtig war in dem Fall auch der genaue Beginn der Verjährungsfrist für den Anspruch aus § 21 I 1 VermAnlG. Zum Verjährungsbeginn reichte laut KG Berlin allein die Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten, aus denen sich die Prospektpflicht des Angebots ergibt, sowie der Umstand, dass es keinen Prospekt gab. Nicht erforderlich ist für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. 

Die Frist hatte bei den Anlegern also schon lange zu laufen begonnen. Das Gericht hatte den gesamten Kostenvorschuss von einem von ihnen gefordert. Die Zustellung hatte sich aber mangels ausreichenden Vorschusseingangs erheblich verzögert und erfolgte deshalb zu spät. Insbesondere bleibt dabei unerheblich, wessen Anteil nicht eingezahlt worden ist.

Auch kein Anspruch aus Kapitalanlagegesetzbuch

Die Kläger versuchten auch, einen Anspruch auf Haftung für ein fehlendes Emissionsprospekt nach Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) geltend zu machen. Das KAGB trat aber in Kraft, nachdem sie die Geschäfte schon abgeschlossen hatten. Trotzdem führte das KG Berlin aus, dass ohnehin kein Anspruch bestehen würde.

Die Beklagte war nicht gem. §§ 164 I, 268 I, 299 I KAGB prospektpflichtig, weil sie kein Investmentvermögen iSd § 1 I KAGB ist. Denn darunter sind nur Organismen für gemeinsame Anlagen zu verstehen, die kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors sind (§ 1 I 1 KAGB). Operativ tätig ist ein Investmentvermögen aber schon dann, wenn es eine Geschäftsstrategie verfolgt, die sich u. a. durch Merkmale auszeichnet wie die überwiegende Ausübung einer kommerziellen Tätigkeit einschließlich Kauf, Verkauf und/oder Austausch von Gütern oder einer industriellen Tätigkeit einschließlich der Errichtung von Immobilien oder einer Kombination daraus.

Nach der Verwaltungspraxis der BaFin ist damit die Projektentwicklung (Konzeption, Ankauf, Entwicklung der Immobilie und anschließender Verkauf der selbst entwickelten Immobilie) eine operative Tätigkeit. Dem hat sich das KG Berlin angeschlossen.

Sonstige Haftung ausgeschlossen

Eine mögliche allgemeine bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne der Beklagten war ebenfalls ausgeschlossen. Denn sie war durch die spezialgesetzliche Regelung in § 21 VermAnlG gesperrt. Selbst wenn nicht, bräuchte es dafür fehlerhafte oder unvollständige Angaben eines Emissionsprospekts einer Kapitalanlage – hier lag ja gerade kein Prospekt vor. Das Nichtvorhandensein eines Prospekts ist aber nur bei typisiertem Vertrauen solch ein Prospektfehler.

Auch eine Haftung aus vorvertraglichem Verhandlungsverschulden gem. §§ 280 I, 311 II BGB scheiterte. Diese würde nur die Vertragspartnerin der beitretenden Kläger treffen. Eine Haftung für etwaige Prospektfehler scheidet aus, da nach Klägervortrag ja kein Prospekt genutzt wurde.

Ein Betracht kam noch eine Verletzung von allgemeinen Aufklärungspflichten. Der Anleger darf erwarten, dass über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichtet wird. Dies wurde vorliegend nicht verletzt - insbesondere reicht hierfür die Leerformel, die Beklagten hätten die Kapitalanlage als sicher, schnell und rentabel beworben, ersichtlich nicht aus. Ein mögliches Veräußerungsrisiko war den Klägern wohl durchaus bekannt.

Gesellschaftsvertrag als fehlerhaftes Prospekt

Die Kläger versuchten im Berufungsverfahren erstmalig, den Gesellschaftsvertrag der Beklagten als fehlerhaftes Prospekt einzustufen. Ein Anspruch aus § 20 I VermAnlG konnte daraus aber nicht folgen, weil sich die Haftung nach § 20 VermAnlG nur auf von der BaFin aufgrund von § 8 VermAnlG gebilligte und aufgrund von § 6 VermAnlG veröffentlichte Verkaufsprospekte bezieht – dies erfüllte der Gesellschaftsvertrag nicht.

Auch im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung war der Gesellschaftsvertrag kein Prospekt. Darunter fällt eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthält oder den Anschein eines solchen Inhalts erweckt. Sie muss dabei tatsächlich oder zumindest dem von ihr vermittelten Eindruck nach den Anspruch erheben, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein.

Der Gesellschaftsvertrag vermittelte aber gar nicht den Eindruck, alle für die Anlageentscheidung maßgeblichen Informationen zu beinhalten. Unabhängig davon war nicht ausreichend vorgetragen, warum der Gesellschaftsvertrag haftungserheblich fehlerhaft gewesen sein soll. Ein Investitions- und Finanzplan ist nämlich nicht ohne Weiteres falsch, wenn in der Realität hiervon abgewichen werden muss.


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