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Der Einsatz von KI-Technologie ist längst auch im juristischen Umfeld angekommen und verspricht effiziente Arbeitsprozesse. Jedoch nicht ohne rechtliche Fallstricke. Gerade bei KI-gestützten Rechtsrechercheanwendungen besteht die Gefahr, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte, etwa sogenannte „Headnotes“, unberechtigt verwendet werden. Wer fremde Headnotes ohne entsprechende Lizenz nutzt, um eine KI-Anwendung zu trainieren, riskiert dabei erhebliche Haftungsansprüche wegen Urheberrechtsverletzungen.
Headnotes sind knappe Zusammenfassungen oder Orientierungshilfen, die juristischen Entscheidungen vorangestellt werden, um deren wichtigste rechtliche Aussagen schnell erfassbar zu machen.
Sie enthalten zentrale Aspekte und Kernaussagen des jeweiligen Urteils und ermöglichen es Juristen, auf den ersten Blick zu erkennen, ob die Entscheidung für den konkreten Fall relevant ist, ohne die vollständige Urteilsbegründung lesen zu müssen. Da Headnotes speziell formuliert und strukturiert sind, unterliegen sie häufig einem eigenen urheberrechtlichen Schutz.
In Deutschland regelt das Urheberrechtsgesetz (UrhG) den Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Gemäß § 2 Abs. 1 UrhG zählen Sprachwerke, wie Schriftwerke, zu den geschützten Werkkategorien. Für den urheberrechtlichen Schutz ist entscheidend, dass es sich um eine „persönliche geistige Schöpfung“ handelt, die eine gewisse Individualität und Schöpfungshöhe aufweist.
Amtliche Werke, wie Gesetze, Verordnungen und amtliche Erlasse, sind nach § 5 Abs. 1 UrhG vom Urheberrechtsschutz ausgenommen und gemeinfrei. Allerdings gilt dies nicht für von Dritten erstellte Zusammenfassungen oder Leitsätze zu amtlichen Entscheidungen. Solche Headnotes werden in der Regel von Verlagen oder Redakteuren verfasst und erfordern eine kreative Auswahl, Anordnung und Formulierung. Die redaktionelle Leistung kann eine ausreichende Originalität aufweisen, um als persönliche geistige Schöpfung im Sinne des UrhG geschützt zu sein.
Obwohl es keine spezifische gesetzliche Regelung für Headnotes gibt, ergibt sich ihr urheberrechtlicher Schutz aus den allgemeinen Bestimmungen des UrhG. Daher ist bei der Nutzung solcher Headnotes, insbesondere für kommerzielle Zwecke oder das Training von KI-Systemen, Vorsicht geboten. Eine unlizenzierte Verwendung kann eine Urheberrechtsverletzung darstellen, wie der aktuelle Fall zeigt.
Im Februar 2025 entschied das United States District Court for the District of Delaware zugunsten von Thomson Reuters in einem richtungsweisenden Verfahren gegen das Unternehmen ROSS Intelligence. Gegenstand der Auseinandersetzung war die unerlaubte Nutzung juristischer Daten aus der Online-Plattform Westlaw, einer der weltweit führenden Rechtsdatenbanken, die Thomson Reuters betreibt. Dabei ging es insbesondere um Headnotes.
Konkret ging es um die Frage, ob die redaktionell erstellten Zusammenfassungen juristischer Entscheidungen, also die Headnotes, lediglich gemeinfreie Informationen aufbereiten oder eine kreative Eigenleistung darstellen. Das Gericht erkannte in der Auswahl, Struktur und sprachlichen Gestaltung der Headnotes eine hinreichende Originalität, um unter das US-Copyright zu fallen.
Die Entscheidung wurde durch die Analyse von über 2.200 Fällen gestützt, in denen das Unternehmen ROSS Intelligence Inhalte aus Westlaw übernommen hatte. Die Gegenüberstellung der Original-Headnotes mit den Trainingsdaten des KI-gestützten Recherchetools zeigte auffällige Übereinstimmungen, die weit über zufällige Ähnlichkeiten hinausgingen. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass ROSS die Inhalte systematisch und gezielt verwendet hatte und das nicht nur zur Inspiration, sondern als unmittelbare Grundlage für das Training der eigenen Systeme. Damit sei eine direkte Urheberrechtsverletzung gegeben.
Auch das Argument, die Nutzung falle unter die Fair-Use-Doktrin, überzeugte das Gericht nicht. Die gezielte Übernahme fremder Inhalte zur Entwicklung eines konkurrierenden Produkts stelle keinen zulässigen Gebrauch dar, sondern verschaffe einen unlauteren Wettbewerbsvorteil auf Kosten der ursprünglichen Rechteinhaber. Zumal ROSS ein Produkt entwickelt hatte, das direkt mit Westlaw konkurrierte, ohne die übernommenen Inhalte inhaltlich weiterzuentwickeln oder in einen neuen Kontext zu stellen.
Im amerikanischen Urheberrecht hat das Prinzip des Fair Use maßgeblichen Einfluss. Es erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen die Nutzung geschützter Inhalte ohne vorherige Zustimmung der Rechteinhaber. Ziel ist es, eine Balance zwischen dem Schutz kreativer Leistungen und dem öffentlichen Interesse an Meinungsfreiheit, Forschung, Bildung und Innovation zu schaffen.
Fair Use greift immer dann, wenn urheberrechtlich geschütztes Material nicht vollständig ausgeschlossen, sondern in kontrolliertem Rahmen verwendet wird. Das wäre etwa der Fall im Kontext von Kritik, Kommentaren, journalistischer Berichterstattung, Forschung, Lehre oder künstlerischer Parodie. Wichtig dabei: Es soll keineswegs den Weg zur uneingeschränkten Verwertung von fremden Inhalten ebnen, sondern die Grundlage für gezielte, inhaltlich gerechtfertigte Auseinandersetzung schaffen. Ob eine konkrete Nutzung unter Fair Use fällt, muss immer im Einzelfall geprüft werden.
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Bereits im Jahr 2023 hatte das Gericht ähnliche Anträge von Thomson Reuters weitgehend abgelehnt. Doch mit Blick auf den bevorstehenden Jury-Prozess im August 2024 zog Richter Stephanos Bibas seine frühere Einschätzung zurück. Ein Schritt, den er mit bemerkenswerter Offenheit begründete: „Ein kluger Mensch weiß, wann er recht hat; ein weiser erkennt, wann er sich geirrt hat. Weisheit findet mich nicht immer, aber ich versuche, sie zuzulassen, wenn sie mich erreicht. Auch wenn es spät ist, wie hier.“
In einem ungewöhnlichen, aber im US-amerikanischen Zivilverfahren grundsätzlich zulässigen Schritt ließ das Gericht die Parteien erneut in die Phase des „summary judgment“ eintreten. Es forderte ergänzende Schriftsätze an, um die rechtlichen Fragen nochmals umfassend zu prüfen. Mit dem Ergebnis, dass die Entscheidung zugunsten von Thomson Reuters ausfiel.
Die Entscheidung des US-Gerichts unterstreicht drei zentrale Grundsätze.
Erstens: Auch redaktionelle Inhalte wie Headnotes, obwohl sie auf gemeinfreien Urteilen basieren, können durch die Auswahl und sprachliche Gestaltung ein urheberrechtlich relevantes Maß an Schöpfungshöhe erreichen.
Zweitens: Die bloße Nutzung geschützter Inhalte für das Training von KI-Systemen genügt nicht, um eine transformative Verwendung anzunehmen. Entscheidend ist, ob die Nutzung einem grundlegend anderen Zweck dient als das ursprüngliche Werk.
Drittens: Das Gericht erkennt erstmals ausdrücklich einen eigenständigen Markt für KI-Trainingsdaten an. Wird dieser Markt durch ein konkurrierendes Angebot bedient, entfällt der Schutzbereich des Fair Use.
Während das US-Gericht im Fall Thomson Reuters vs. ROSS Intelligence eine Urheberrechtsverletzung beim KI-Training mit geschützten Inhalten feststellte, wählte das Landgericht Hamburg einen anderen Weg. In seinem Urteil vom 27. September 2024 erkannte es die Nutzung einer Fotografie durch den Verein LAION im Rahmen eines KI-Trainingsdatensatzes als zulässig an. Gestützt auf § 60d UrhG.
Das Gericht stellte klar: Die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zum Zweck des Text- und Data-Mining ist erlaubt, sofern sie nicht kommerziellen Interessen dient. Damit öffnet das deutsche Recht, anders als das US-amerikanische, einen klar definierten Raum für KI-Training unter bestimmten Bedingungen.
Der internationale Vergleich zeigt aber auch, dass die Rechtsprechung weltweit vor der Herausforderung steht, den Einsatz von KI mit dem Schutz geistigen Eigentums in Einklang zu bringen. Während in den USA der wirtschaftliche Wettbewerb entscheidend war, stellte das Hamburger Gericht auf die gemeinwohlorientierte Nutzung ab. Beide Urteile machen deutlich, wie dringend ein einheitlicher, technologiegerechter Rechtsrahmen erforderlich ist. National wie international.
Wollen Sie wissen, ob das Training von KI mit urheberrechtlich geschützten Inhalten rechtlich zulässig ist? Fragen Sie sich, ob Sie bei der Nutzung von generativen KI-Modellen besondere Sorgfaltspflichten beachten müssen? Oder ob die Verwendung fremder Inhalte im Rahmen von Machine Learning als Fair Use gelten kann – auch im internationalen Vergleich?
Unser Team berät Sie kompetent in allen Fragen rund um das KI-Recht – von der rechtssicheren Gestaltung Ihrer Trainingsdatensätze über Lizenzmodelle bis hin zur Abgrenzung zwischen wissenschaftlicher Nutzung und kommerziellem Einsatz. Dabei analysieren wir auch länderspezifische Regelungen, wie die Schrankenregelung nach § 60d UrhG in Deutschland oder die Fair-Use-Doktrin im US-Recht, und zeigen Ihnen, wie sich diese rechtlich und strategisch für Ihr Unternehmen einordnen lassen.
Ob Unternehmen, Entwickler oder Plattformbetreiber. Wir unterstützen Sie bei der rechtlichen Absicherung Ihrer KI-Projekte, insbesondere dort, wo bestehende Werke zur Datengenerierung, Inhaltsanalyse oder Weiterverarbeitung herangezogen werden.
Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne auch telefonisch zur Verfügung. Wünschen Sie die Rechtsberatung von dem erfahrenen Team aus Fachanwälten und Spezialisten von SBS LEGAL?