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Wenn einem die Insolvenz droht, ist das ein harter Schicksalsschlag. Allerdings können einem nach einiger Zeit die noch offenen Schulden erlassen werden. Das ist zwar großartig, um wirtschaftlich nochmal von Null (also ohne Schulden) anfangen zu können. Aber wenn sie in der Schufa vermerkt wird, kann diese Restschuldbefreiung einen auch belasten. Denn welche Bank möchte schon einer Person einen Kredit geben; welcher Vermieter einen Mietvertrag schließen, wenn bekannt ist, dass diese Person mal insolvent gewesen ist und ihr ihre Restschuld erlassen wurde?
Zu diesem Thema der Speicherung von Daten aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte (einem öffentlichen Verzeichnis) bei der Schufa (einer privaten Wirtschaftsauskunftei) hat das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einige Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: Darf die Schufa überhaupt Daten aus öffentlichen Registern speichern? Und wenn ja: Gelten für sie die gleichen Löschfristen wie für die öffentlichen Register – oder dürfen die Daten bei der Schufa und anderen privaten Auskunfteien auch länger vorgehalten werden?
Der Kläger im vorliegenden Fall hatte sich 2010 selbstständig gemacht. Doch er geriet in Liquiditätsengpässe, sodass er schließlich ein Insolvenzverfahren eröffnete. Drei Jahre später bewilligte das Insolvenzgericht ihm eine Restschuldbefreiung. Für einen wirtschaftlichen Neustart wurden ihm also alle Schulden, die noch offen waren, erlassen. Diese Information wurde (so ist es üblich) vom Gericht veröffentlicht und (auch das ist üblich) nach sechs Monaten wieder gelöscht. Allerdings war in der Zwischenzeit die Restschuldbefreiung des Klägers bei der Schufa eingegangen. Und dort wird diese Information erst drei Jahre, nachdem sie eingetragen wurde, entfernt. So lange sollte jede Bank etc. in der Auskunft über den Kläger lesen können: „[…] Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung einer Restschuldbefreiung mitgeteilt. […]“. Auch das Aktenzeichen des Vorgangs bei den Insolvenzgerichten stand dabei.
Diese Negativeintragung habe den Kläger sowohl privat als auch beruflich belastet. Es sei ihm faktisch unmöglich gemacht worden, ein normales Leben zu führen. Deswegen forderte er die Löschung des Eintrags aus dem Schufa-Verzeichnis. Dafür wandte er sich an den Hessischen Beauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit. Doch er als Aufsichtsbehörde lehnte das Begehren auf Löschung ab. Dagegen klagte der Betroffene beim VG Wiesbaden: Er habe ein Recht darauf, dass seine Daten (die Restschuldbefreiung) bei der Schufa gelöscht werden!
Restschuldbefreiung in Schufa: Relevant für Kreditgeber oder Hindernis für Betroffene?
Die beklagte Datenschutzbehörde beruft sich auf Artikel 6, Absatz 1b und f (DSGVO) sowie §31 (BDSG): Die Verarbeitung von Daten sei hier zur Vertragserfüllung bzw. zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen sowie zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten erforderlich. Man brauche bestimmte Informationen eben für eine sorgfältige Bonitätsprüfung und auch zur Erstellung von Wahrscheinlichkeiten. Das Widerspruchsrecht aus Artikel 21, Absatz 1 (DSGVO) greife deswegen nicht. Zudem liefere die Schufa ja nur die Information – hier über die Restschuldbefreiung. Es sei reine Sache des jeweiligen Instituts, was es aus dieser Information macht (also ob es deswegen keinen Vertrag mit dem Betroffenen schließt).
Das sah der Kläger anders. Denn die Restschuldbefreiung habe ihn negativ beeinträchtigt. Dabei solle sie ja eigentlich das Gegenteil bezwecken – nämlich, dass er wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen kann. Seiner Ansicht nach sei eine pauschale Speicherung über drei Jahre hinweg europarechtswidrig. Und der Datenschutzbeauftragte habe seinen Einzelfall gar nicht genau geprüft, sondern nur eine aus Textbausteinen bestehende Antwort geliefert.
Die 6. Kammer des VG Wiesbaden beschloss am 31.08.2021, das Verfahren auszusetzen und den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren anzurufen. Die Wiesbadener Richter legten ihren Kollegen in Luxemburg mehrere Fragen zur Klärung vor. Zuerst: Darf ein Gericht sich überhaupt inhaltlich mit der Entscheidung befassen, die der Datenschutzbeauftragte bezüglich der Beschwerde getroffen hat? Oder darf es nur prüfen, ob sich der Datenschutzbeauftragte/eine Aufsichtsbehörde überhaupt mit einer Beschwerde befasst hat?
Dahinter steht die Frage, ob das Beschwerderecht aus Artikel 77, Absatz 1 (DSGVO) im Grunde wie ein Petitionsrecht gestaltet ist. Wenn ja, wäre eine aufsichtsbehördliche Beschwerdeentscheidung nicht voll und ganz gerichtlich kontrollierbar. Die Gerichte könnten dann nämlich nur prüfen, ob sich die Datenschutzbehörde überhaupt mit der Beschwerde befasst, den Bewertungsgegenstand angemessen untersucht und die betroffene Person über das Ergebnis der Prüfung unterrichtet hat – nicht, ob die Entscheidung der Datenschutzbehörde inhaltlich richtig war.
Allerdings könnte das gegen das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde laufen. Dieses ergibt sich aus Artikel 78, Absatz 1 (DSGVO). Demnach würde es nicht ausreichen, dass sich die Behörde einfach nur mit der Beschwerde befasst hat. Denn die Behörden müssen dazu aufgefordert werden können, ihre Aufgaben wahrzunehmen – nämlich bei Datenverarbeitungen die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen zu schützen (Artikel 51, Absatz 1 (DSGVO)). So steht auch in Erwägungsgrund 141: Natürlichen Personen stehe ein wirksamer Rechtsbehelf zu, wenn „die Aufsichtsbehörde auf eine Beschwerde hin nicht tätig wird […] obwohl dies zum Schutz der Rechte der betroffenen Person notwendig ist“. Die Beschwerdeentscheidung wäre also nicht wie eine Petition, sondern als eine behördliche Sachentscheidung zu verstehen – mit der Folge, dass die Sachentscheidung inhaltlich vom Gericht überprüft werden muss. Im Einzelfall kann das Gericht die Aufsichtsbehörde dann auch zu einer konkreten Maßnahme im Sinne des Artikel 58 (DSGVO) verpflichten.
Dürfen private Wirtschaftsauskunfteien einfach Informationen aus öffentlichen Verzeichnissen speichern?
Der EuGH solle auch klären, ob Eintragungen aus öffentlichen Verzeichnissen einfach so, wie sie sind, in private Verzeichnisse übertragen werden dürfen. Denn eigentlich dürfen Daten nur gespeichert werden, wenn es einen konkreten Anlass dazu gibt. Gab es den im vorliegenden Fall? Durfte die Schufa die Information zur Restschuldbefreiung einfach aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte übernehmen? Immerhin speichern Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa Daten, um sie verwenden zu können, falls irgendwann mal bspw. eine Bank nach einer Auskunft fragt. Dabei sei ja aber gar nicht klar, ob es jemals tatsächlich dazu kommt, dass eine Auskunft bei der Schufa erfragt wird.
Zudem werden die Daten bei der Schufa auch dann noch gespeichert, wenn sie im nationalen Register schon gelöscht worden sind. So wie im vorliegenden Fall: Die Restschuldbefreiung musste im öffentlichen Register der Insolvenzbekanntmachung nach sechs Monaten gelöscht werden – bei der Schufa aber erst nach drei Jahren. So könne es sein, dass die Schufa und andere Wirtschaftsauskunfteien Vorratsdatenspeicherung betreiben. Dies wäre unzulässig. Oder haben Wirtschaftsauskunfteien ein berechtigtes Interesse an der Datenspeicherung und – verarbeitung (gemäß Artikel 6, Absatz 1 f (DSGVO)) – auch wenn sie die Daten ohne konkreten Anlass aus öffentlichen Verzeichnissen übernehmen, um sie dann bei einer möglichen Anfrage zu Verfügung zu haben?
Staatliche Register, Schufa und andere Auskunfteien: Ist eine Datenspeicherung an so vielen Stellen gleichzeitig erlaubt?
Außerdem zweifelte das VG Wiesbaden daran, ob eine „Parallelhaltung“ der Daten überhaupt erlaubt ist – also dass bestimmte Informationen nicht nur in den staatlichen Registern, sondern daneben auch noch bei vielen privaten Firmen gespeichert werden. Immerhin sei die Schufa ja nicht die einzige Auskunftei. Heißt: Die entsprechenden Daten würden an zahlreichen Stellen gespeichert werden. So eine „Datenhaltung“ sei gesetzlich nicht geregelt. Sie könne die wirtschaftliche Betätigung einer betroffenen Person stark beeinträchtigen – insbesondere, wenn ihre Daten in den privaten Registern länger gespeichert werden, als es für öffentliche Register erlaubt ist.
Für den Fall, dass private Wirtschaftsauskunfteien überhaupt Daten speichern dürfen (wenn trotz fehlenden konkreten Anlasses keine unzulässige Vorratsdatenspeicherung vorliegt und auch eine Parallelhaltung der Daten erlaubt ist) legte das VG Wiesbaden dem EuGH außerdem eine weitere Frage vor: Gelten für die privaten Wirtschaftsauskunfteien dieselben Speicher- und Löschfristen wie in öffentlichen Registern? Müssten Daten, die im öffentlichen Register schon gelöscht werden müssen, nicht zugleich auch bei allen privaten Wirtschaftsauskunfteien, die diese Daten ebenfalls speichern, gelöscht werden? Was ist aus dem Recht auf Vergessen (Artikel 17, Absatz 1d (DSGVO)) zu schließen: Dass Daten gelöscht werden müssen, wenn sie auch aus öffentlichen Registern gelöscht werden, weil die die Verarbeitungsfrist abgelaufen ist? Oder kann die Speicherdauer auch über die Frist für öffentliche Register hinausgehen?
All diese Fragen müssen nun vom EuGH geklärt werden.
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