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Inwiefern die Standorte der Handelsvertretung ausgestaltet und betrieben werden, wird von den Unternehmen in ihrer Vertriebsstruktur vorgeschrieben. Davon umfasst sind die verwendeten Kassen, die Ausstattung der Räumlichkeiten, die Corporate Identity sowie dem geringsten Hilfsmittel der Vertreter. Aus der Handelsvertreterrichtlinie in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a und § 86a Handelsgesetzbuch (HGB) sind die erforderlichen Unterlagen der Handelsvertretung zu entnehmen. In § 86a Absatz 1 HGB liest man, dass der Unternehmer dem Handelsvertreter Zeichnungen, Preislisten, Geschäftsbedingungen und Werbedrucksachen kostenlos zur Verfügung zu stellen habe. Diese Liste ist jedoch längst nicht abschließend, sondern dient vielmehr nur der Orientierung. Das Unternehmen muss dem Handelsvertreter derartige Unterlagen unentgeltlich überlassen. Allgemeine Hilfsmittel müssen hingegen vom Handelsvertreter übernommen werden und werden nur vom Unternehmen übernommen, wenn eine Kostentragung durch das Unternehmen handelsüblich wäre, gemäß § 87d HGB. Dies ist selten der Fall. Daher wird die Frage aufgeworfen, welche Unterlagen unentgeltlich überlassen werden müssen. Wer muss zahlen?
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in seinem Urteil vom 04.05.2011 (Az. VIII ZR 11/10), dass hiervon solche Hilfsmittel umfasst sind, die typischerweise aus der Sphäre des Unternehmens benötigt werden, damit der Handelsvertreter seine Tätigkeit reibungslos ausführen kann. Eine umfassendere Differenzierung kann auch bezüglich eines einheitlichen Hilfsmittels, wie einem Kassensystem vorgenommen werden. In seinem Urteil vom 17.06.2016 (Az. VIII ZR 6/16) entschied der BGH nämlich, dass ein Kassensystem einem Tankstellenpächter kostenlos überlassen werden müsse, wenn eine Übermittlung von Preisdaten stattfindet. Dies falle unter erforderliche Unterlagen, gemäß § 86a Absatz 1 HGB. Inwieweit die Anmietung des Kassensystems kostenfrei ist, sei jedoch vertraglich auszulegen, da das Kassensystem auch für andere Zwecke, wie die Steuererklärung genutzt werden könne. Das OLG Hamm teilte in seinen neueren Urteilen die Ansicht des BGH.
Am 23.02.2022 entschied das Landgericht Bonn (LG Bonn) in gleich zwei Gerichtsverfahren zum Vorteil der Handelsvertreter. Hierbei ging es um die Konstruktion des Unternehmens. Nach Ansicht des Unternehmens treffe den Handelsvertreter eine Kostenbeteiligungspflicht, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu finden sei, bezüglich verschiedenster Leistungen des Unternehmens. So müsse der Handelsvertreter für EDV-Systeme inklusive Anschlüssen und Kasse, Ausstattung der Räumlichkeiten, Reinigung, Unternehmenskleidung und eine Mülltonne sorgen. Ebenso seien auch zu beschaffende Hilfsmittel von dieser Pflicht umfasst. Die Preisübermittlung der Kasse würde nur einen nicht nennenswerten Teil ausmachen. Folglich hätte man dieselbe Vereinbarung über die Kostenbeteiligung des Vertreters getroffen, wenn alle Aufschlüsselungsmöglichkeiten zuvor bekannt gewesen wären, so das Unternehmen. Diese Ansicht teilte das LG Bonn jedoch nicht. Der Handelsvertreter habe einen Anspruch auf vollständige Rückzahlung der Gebühren, welche von ihm in den vergangenen 4 Jahren als „Shoppauschale“ an das Unternehmen überwiesen worden waren. Pro Monat und Shop belaufen sich die Gebühren auf 1000 Euro. Sowohl der Vortrag des Unternehmens als auch das System schließen eine Aufteilung der zu tragenden Kosten zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmen aus. Die Pauschale umfasste nämlich auch Leistungen und Gegenstände, die das Unternehmen nach § 86a dem Handelsvertreter kostenlos zur Verfügung stellen muss.
Die Entscheidung des LG Bonn wurde nun in einem Hinweisbeschluss nach § 522 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) vom Oberlandesgericht Köln (OLG Köln) bestätigt. Damit wurde die vom Unternehmen eingelegte Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Die Shoppauschale umfasste nämlich auch das Kassensystem und den Anschluss ans EDV-System, obwohl beides durchaus erforderlich und vertriebsnotwendig sei, gemäß § 86a I HGB. Andernfalls könnten keine Verträge vermittelt werden. Die Systeme wurden auch nur für die Vermittlungstätigkeit genutzt und dienten in keinster Weise den Interessen des Handelsvertreters. Das OLG verneinte auch eine ergänzende Vertragsauslegung, die eine Aufteilung in allgemeine und für den Vertrieb notwendige Kosten vorsah. Im Quellcode der Programmierung befänden sich auch keine Anteile verschiedener Komponenten, wie es von der Beklagten vorgetragen wurde. Dem Unternehmen war auch nicht möglich Vorteile des Vertreters zu nennen, die sich außerhalb der notwendigen Vertriebsunterstützung beliefen. Somit deutete auch nichts darauf hin, den Vertrag derartig ergänzend auszulegen. Die Entgeltklausel sei daher gemäß § 86a Absatz 3 HGB unwirksam. Die Shoppauschale sei vollständig zurückzuzahlen.
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