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Die strafrechtliche Einordnung von Handlungen in sozialen Medien entwickelt sich nicht so schnell, wie es die Medien selbst tun. Man wird im Strafgesetzbuch (StGB) keine Paragrafen finden, die sich direkt mit dem „Liken“ eines rechtswidrigen Beitrags bei Facebook befassen, denn das Medienstrafrecht ist ein relativ junges Teilrechtsgebiet. Auf der anderen Seite steigt die Zahl der Straftaten im Internet immer weiter an, denn in der (nur gefühlten) Anonymität des World Wide Webs ist die Hemmschwelle deutlich geringer, als wenn man Menschen in der Realität gegenüberstehen würde. Die Folge: Gerichte müssen die bestehenden Normen des Strafrechts auslegen und schauen, inwieweit sie auf den medienbezogenen Sachverhalt anwendbar sind – so hat es auch das Landgericht Meiningen getan (Beschluss vom 05.08.2022, Az. 6 Qs 146/22).
In Folge des zweifachen Polizistenmords im Landkreis Kusel gab es eine Welle der Reaktionen in sozialen Medien. Diese waren allerdings bei weitem nicht alle trauerbekundend. Auch eine Reihe hämischer, gar pietätloser Kommentare kam zum Vorschein. „Keine einzige Sekunde Schweigen für diese Kreaturen“ – dies schrieb ein Facebook-Nutzer als Reaktion auf die Anberaumung der Gedenkstunde für die beiden getöteten Polizisten. Der Angeklagte, um den es in dem Fall des Landgerichts Meiningen ging, verfasste diesen Beitrag jedoch nicht selbst, sondern gab ihm lediglich ein „Like“, also ein „Daumenhoch“. Nun muss er sich vor Gericht wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) und Billigung von Straftaten (§ 140 Nummer 2 StGB) verantworten. Sogar zu einer Hausdurchsuchung kam es, um Beweismittel sicherzustellen. Es wurden Smartphones sowie Speichermedien beschlagnahmt und Online-Speicher untersucht – dem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft kam das Amtsgericht Meiningen nach. Dagegen hatte sich der „Liker“ bisher erfolglos gewehrt, denn das Landgericht Meiningen wies seine Beschwerde mit folgender Begründung zurück.
In Bezug auf den ursprünglichen Beitrag stellte das Landgericht folgende Erwägungen an: Die Bezeichnung der beiden ermordeten Polizisten als (bloße) Kreaturen sei nicht mit dem Grundrecht der Menschenwürde vereinbar. Darüber hinaus stelle der Ausspruch „keine einzige Sekunde Schweigen“ eine Aufforderung dar, den Opfern nicht zu gedenken und ihnen damit nicht einmal einen Bruchteil der Totenehre zu überlassen. Dies sei als schwere Ehrkränkung aufzufassen und insofern eine Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener.
Weiter führte das Gericht dann aus: Der Beschwerdeführer würde sich diesen rechtswidrigen Beitrag durch das „Liken“ zu eigen machen. Die von einer anderen Person getätigte Aussage könne ihm daher zugerechnet werden. Grund dafür sei, dass der eigentliche Sinn hinter der „Like“-Funktion bei Facebook und ähnlichen Plattformen gerade in dem Zurschaustellen der Befürwortung nach außen liegt. Dies ergebe sich allein schon aus dem Symbolgehalt des nach ob gerecktem Daumen, welcher im Sinne einer Zustimmung und Gutheißung interpretiert wird. Das „Liken“ des rechtswidrigen Beitrags könne insofern zu einer Strafbarkeit nach § 189 StGB führen. Es droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.
Der Verfasser des ursprünglichen Beitrags spreche nach Ansicht des Gerichts den Opfern des Tötungsdeliktes jede Würde ab und billige somit die Ermordung der beiden Polizisten. Denn wer den Opfern eines Verbrechens jeden Respekt und Würde verweigert, befürworte eindeutig auch das Verbrechen selbst. Zudem sei die Aussage in dem Facebook-Beitrag durch dessen unkontrollierte Verbreitung geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Daran anknüpfend stellte das Landgericht klar, dass durch das Zueigenmachen des Beitrags auch der „Liker“ die Ermordung der Polizisten billige. Damit sei auch eine Strafbarkeit nach § 140 Nummer 2 StGB möglich. In diesem Fall droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.
Achtung: Der Beschluss des LG Meiningen führte noch nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung des „Likers“. Es wird nur die grundsätzliche strafrechtliche Relevanz des „Likens“ bestätigt. Das „Liken“ strafbarer Inhalte kann also auch strafbar sein. Es wird damit lediglich klargestellt, dass die Möglichkeit der Verurteilung des „Likers“ im Raum steht. Aus diesem Grund sah das Landgericht Meiningen die Hausdurchsuchung als rechtmäßig an.
Mit dieser Argumentation des LG Meiningen wollte sich der Beschwerdeführer, also der „Liker“, jedoch nicht zufriedengeben und beschreitet nun den Weg nach „ganz oben“. Gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts und Landgerichts Meiningen wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt. Es ist nun also am Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, ob man sich durch ein einfaches „Liken“ eines rechtswidrigen Inhalts strafbar machen kann und ob in diesem Fall eine Hausdurchsuchung gerechtfertigt ist.
Sie haben in den neuen Medien einen Inhalt geteilt oder „geliked“, der möglicherweise nicht in Ordnung war und fragen sich, was jetzt passieren wird? Sollte tatsächlich die Staatsanwaltschaft oder die Polizei auf Sie aufmerksam werden, werden Sie als Beschuldigter in ein Ermittlungsverfahren geführt. Sie haben dabei das Recht, sich zur Sache zu äußern oder zu schweigen und einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Kommen Sie bei jeglicher Problematik gern auf uns zu!
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