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Swatting: Wenn plötzlich die Polizei vor der Tür steht


Es klingelt und plötzlich stehen Polizei- und Feuerwehrwagen, Notärzte oder sogar Spezialeinheiten wegen eines vermeintlichen Notfalls vor der Tür- was wie das Horrorszenario der meisten Menschen klingt, ist für einige Personen, insbesondere Prominente, Influencer und bekannte Streamer, zur Realität geworden. Derartige Einsätze entstehen durch das sogenannte Swatting, ein zunehmend verbreitetes Phänomen, bei dem anonyme Notrufe abgesetzt werden, um dem Opfer schaden zu können.

Swatting: Missbrauch von Notrufen führt zu unnötigen Einsätzen

Genauer gesagt handelt es sich bei Swatting um fiktive Notsituationen, wegen denen ein Notruf getätigt wird, der dazu führen soll, dass die gerufenen Einsatzkräfte zu der Zielperson fahren und ihr so ein Schaden entsteht. Der Name leitet sich von den sogenannten SWAT-Teams aus den USA ab, die dort als Spezialeinheit für besonders risikoreiche Situationen wie Amokläufe oder Geiselnahmen eingesetzt werden. Bereits 2012 warnte das LAPD in den USA, dass Swatting Einsatzkräfte und Bürger gefährden würde. Diese Gefahr erreichte 2017 einen neuen Höhepunkt, als in Kalifornien eine vollkommen unbeteiligte Person bei einem Einsatz wegen eines gefälschten Notfalls getötet wurde. In Deutschland ist Swatting, wie in den meisten anderen Staaten auch, strafbar. Die Straftat des Missbrauchs von Notrufen und der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln steht in § 145 des Strafgesetzbuchs und wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Zusätzlich können die Täter je nach Fall auch noch eine Strafe wegen Vortäuschens einer Straftat und den Ersatz der Kosten des jeweiligen Einsatzes erwarten. Solange es keinen bekannten Täter gibt, bleiben die Kosten für die unnötigen Einsätze allerdings an der Allgemeinheit hängen.

App-Nutzung für Fake-Notrufe?

Die Fake-Notrufe werden nicht nur auf dem herkömmlichen Weg im Rahmen eines Telefonats getätigt, sondern vor allem über die App „Nora“. Dieses 2021 gestartete Programm spielt eine entscheidende Rolle bei der Swatting-Problematik, denn darüber lassen sich Notrufe absetzen, ohne mit einer zuständigen Person sprechen zu müssen. Die App wurde von den Bundesländern entwickelt, um vor allem Menschen mit eingeschränkter Hör- und Sprechfähigkeit in Notsituationen zu unterstützen. Dafür ist sie komplett auf Barrierefreiheit und Anonymität ausgerichtet, um auch beeinträchtigten Personen eine gleichgestellte Möglichkeit für Notrufe bieten zu können. Für die Registrierung ist deshalb lediglich eine funktionierende Handynummer erforderlich, was bisher zu mehr als 410.000 Registrierungen und 15.000 über die App getätigten Notrufen geführt hat.

Was für die beeinträchtigten Nutzer eine große Erleichterung darstellt, wird inzwischen allerdings auch von anderen Nutzergruppen für schädliche Zwecke missbraucht. Für Swatting-Täter stellt die App die ideale Möglichkeit dar, um anonym eine Notsituation bei dem Opfer melden zu können. Mit gefälschten Handynummern oder Ähnlichem können die Täter die Behörden bequem ohne weitere Hürden austricksen und ihre Identität verschleiern, ohne beispielsweise besondere Kenntnisse im Hacken zu haben, was die App besonders attraktiv für das Swatting macht. Dennoch soll es zu keinen verschärften Zugangsbeschränkungen kommen, um die Barrierefreiheit als oberstes Ziel und somit auch die Vergleichbarkeit mit dem herkömmlichen Notruf gewährleisten zu können. Obwohl sich der Kampf gegen Missbrauch für die Betreiber der Nora-App schwieriger gestaltet als bei anderen Apps, wird bisher vor allem auf das Sperren auffälliger Rufnummern und der Unterstützung von Einsatzstellen bei der Erkennung möglicher Fake-Notrufe gesetzt.


Eines der aktuellen Opfer: Der Youtuber Tanzverbot

In jüngster Zeit fanden vor allem die Swatting-Angriffe auf Kilian Heinrich, besser bekannt als Tanzverbot, ihren Weg an die Öffentlichkeit. Der 26-jährige Streamer ist zwar selbst nach eigenen Angaben nicht straffällig geworden und trotzdem polizeibekannt. Der Grund dafür sind mehr als 50 Polizeieinsätze, die durch gefälschte Notrufe seit 2017 von Unbekannten unter falschem Vorwand hervorgerufen wurden, darunter unter anderem Behauptungen von  Gaslecks, bewusstlosen Personen oder sogar Axt-Angriffen. Das Ausmaß des Swattings ist bei jedem Einsatz für die gesamte Nachbarschaft erkennbar, denn vor dem Haus Heinrichs treffen immer wieder Polizei-, Feuerwehr oder Rettungswagen ein – teilweise auch alle auf einmal. Auch wenn den zuständigen Beamten inzwischen bekannt ist, dass Tanzverbot in den Swatting-Fällen kein Täter, sondern Opfer geworden ist, müssen sie doch jeden Notruf ernst nehmen und in voller Zugstärke an den Einsatzort fahren. Die unnötigen Einsätze belasten dadurch nicht nur die Zielpersonen selbst, sondern auch die zuständigen Einsatzkräfte stark. Sie müssen abends ihre Familien allein lassen, obwohl sie oft bereits ahnen, dass es sich nicht wirklich um einen Notfall handelt. Selbst an Silvester gab es bei dem Streamer einen Einsatz wegen Swattings, obwohl die Polizei und Rettungskräfte an diesem Feiertag ohnehin besonders überlastet sind.

Streamerszene in Deutschland besonders betroffen

In Deutschland sind Streamer und sonstige Videoproduzenten vermutlich am stärksten von Swatting betroffen. Immer wieder kommt es zu gezielten Störungen von Livestreams; besonders betroffen waren neben Tanzverbot auch der polarisierende Streamer Drachenlord im Jahr 2015 und Chefstrobel im Oktober 2022. Anders als bei Kilian Heinrich (Tanzverbot) wurde im Fall Drachenlord der Täter erfolgreich durch die Polizei ermittelt. Der Täter, Alexander S., sagte, er hätte zu der Zeit schlechte Laune gehabt und der Angriff auf den Streamer habe ihm in der Situation gutgetan. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte den als ersten bekannten Swatting-Täter geltenden S. zu insgesamt 3,5 Jahren Freiheitsstrafe wegen Missbrauchs des Notrufs, Hacking-Straftaten und der Verbreitung von Kindesmissbrauchsdarstellungen.

Bei den gegen Streamer gerichteten Swatting-Tätern handelt es sich in der Regel um eine Szene organisierter Cybermobber, die teilweise sogar versuchen, durch Hackerangriffe an die privaten Informationen bekannter Videoproduzenten zu kommen und diese anschließend zu verbreiten. Dabei bleibt es oft nicht nur beim Swatting, sondern viele Täter greifen auch zu Stalking oder Morddrohungen, um den Streamern zu schaden. Im Fall von Chefstrobel schickten die bisher unbekannten Täter sogar Leichenwagen an seine Privatadresse, sodass er inzwischen in eine andere Stadt umziehen musste. Die Täter handeln häufig aus Rache, Neid oder schlichter Langeweile und haben vermutlich das Ziel, einen Einsatz während des laufenden Streams herbeizuführen und somit selbst verfolgen zu können, oder einen unliebsamen Content Creator dazu zu bewegen, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Dabei projezieren viele der Täter ihre eigene Unzufriedenheit auf die erfolgreicheren oder prominenteren Personen und wollen so möglicherweise ein Machtgefühl erleben und Freude am Leid anderer verspüren.

Eine Vielzahl der großen Streamer im deutschsprachigen Raum wurde bereits zum Opfer der „Swatter“, so auch Größen wie Knossi, MontanaBlack oder Anni The Duck. Viele Opfer wollen sich aus Angst vor Trittbrettfahrern oder weiteren Angriffen nicht öffentlich über die eigenen Vorfälle äußern. Laut Tanzverbot ist es in der Streamerszene verpönt, Angriffe öffentlich zu machen. Die Betroffenen hoffen stattdessen, dass das Problem von allein nachlässt und die Täter das Interesse daran verlieren, wodurch das genaue Ausmaß unklar bleibt.

Unzureichende Informationslage der Ermittler

Auch die Polizei und Landeskriminalämter führen keine spezielle Swatting-Statistik. Stattdessen werden nur die allgemeinen Fallzahlen des Missbrauchs von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln gesammelt. Davon wurden 2022 13.361 Taten bekannt, was einen Anstieg von 9% gegenüber dem Vorjahr darstellt. Zwar macht Swatting vermutlich nur einen Bruchteil dieser Fälle aus, es handelt sich dennoch nicht um bloße Einzelfälle. Trotzdem sind die Ermittlungsbehörden bisher nicht konkret für dieses Phänomen gewappnet und es gibt bisher weder bei konkreten Staatsanwaltschaften noch beim Bundeskriminalamt speziell eingerichteten Ermittlungsgruppen, wodurch sich sowohl die Betroffenen als auch die zuständigen Behörden alleingelassen fühlen. Viele Swatting-Täter können aufgrund der leichten Identitätsverschleierung und den unzureichend ausgestatteten Ermittlungsstellen nicht ermittelt und somit nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Selbst bei dem allgemeinen Notrufmissbrauch wurden 2022 nur rund 60% der Fälle aufgeklärt.

Veröffentlichung der persönlichen Informationen über Datenlecks

Alle genannten Fälle zeigen, wie leicht die eigene Adresse – auch bei Prominenten – in falsche Hände gelangen kann. Sobald die persönlichen Informationen zugänglich gemacht wurden, ist es schwierig, die Situation hinsichtlich der Swatting-Angriffe wieder beenden zu können. Die Ursache der Veröffentlichung dieser Informationen war bei vielen Swatting-Fällen gegen Influencer und Streamer ein Datenabgriff bei Paypal, bei dem der Verantwortliche für oder bei dem Unternehmen selbst arbeitet. Deshalb wurden bereits juristische Schritte gegen Paypal eingeleitet. Paypal selbst wollte sich wegen des laufenden Verfahrens gegenüber dem SPIEGEL bisher nicht bezüglich des mutmaßlichen Datenlecks rund um die deutschen Influencer äußern, kündigte aber ein energisches Vorgehen gegen alle Mitarbeiter und Auftragnehmer, die gegen die eigenen Richtlinien verstoßen, an. Dennoch bleibt die Gefahr für Personen des öffentlichen Lebens, dass die persönlichen Informationen ohne eigenes Zutun in fremde Hände gelangen, egal ob über einen Zahlungsdienstleister oder etwa ein Postunternehmen. Auch innerhalb der Streamerszene gibt es Vorfälle, bei denen bekannte Namen die Adressen oder ähnliche Informationen ihrer Kollegen öffentlich machten, um diesen zu schaden und Swatting-Angriffe zu ermöglichen.


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